Trotz aller Fortschritte und der Entwicklung neuer medikamentöser Therapeutika mit z. T. völlig neuen Wirkmechanismen in der Behandlung solider maligner Tumoren des Gastrointestinaltraktes bleibt die chirurgische Therapie der zentrale Baustein bei deren Heilung. Bei praktisch allen Behandlungen mit kurativem Therapieansatz ist die Qualität der chirurgischen Therapie der mit Abstand wichtigste therapeutisch beeinflussbare Prognosefaktor. Andere Prognosefaktoren wie beispielsweise die Tumorentität, das Tumorstadium und der Differenzierungsgrad des Tumors sind auch wichtig, aber bei der Diagnosestellung nicht mehr zu beeinflussen. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, dass onkologisch tätige Viszeralchirurgen sich mit den modernen Grundprinzipien onkologischer Chirurgie auskennen, diese beherrschen und auch konsequent einsetzen.

Multimodale Therapiekonzepte zeigen im neoadjuvanten Setting ein besseres Outcome

Andererseits resultieren viele Fortschritte besonders in der Behandlung fortgeschrittener solider Tumoren des Gastrointestinaltraktes, die mit einer deutlichen Verbesserung der Prognose der betroffenen Patienten einhergehen, auch aus der Kombination eines adäquat durchgeführten radikalen onkologischen chirurgischen Eingriffs mit anderen Therapieverfahren im Rahmen eines sog. multimodalen Behandlungskonzeptes. Dabei zeigen die Ergebnisse der themenspezifischen Studien zunehmend, dass es aus tumorbiologischen Gründen, aber auch aus Gründen der besseren therapeutischen Compliance offensichtlich für das onkologische Outcome günstiger ist, solche multimodalen Therapiekonzepte im neoadjuvanten Setting einzusetzen. Umso wichtiger ist es, dass der onkologisch tätige Viszeralchirurg die modernen multimodalen, neoadjuvanten Behandlungskonzepte in ihrer Art sowie in Bezug auf ihre Indikationen, die Komplikationen und Ergebnisse kennt, um auf Augenhöhe mit den onkologischen Behandlungspartnern in den Tumorboards für seine Patienten die bestmögliche Behandlung in der richtigen Sequenz gestalten zu können.

Viele Fragen zum Einsatz derartiger multimodaler, neoadjuvanter Therapiekonzepte sind noch offen und manches befindet sich aktuell im Fluss. Hierzu zählt z. B. die Frage nach der richtigen Sequenz oder Kombination der verschiedenen Therapiemodalitäten. Dementsprechend ist es das Ziel des vorliegenden Schwerpunktheftes der Zeitschrift Der Chirurg dem onkologisch tätigen Viszeralchirurgen einen aktuellen Überblick über die derzeit etablierten multimodalen, neoadjuvanten Therapiekonzepte in der Behandlung solider maligner Tumoren des Gastrointestinaltraktes zu verschaffen. Gleichzeitig haben die Autoren der Beiträge versucht, im Sinne eines Ausblicks auch auf zukünftige Entwicklungen hinzuweisen, die möglicherweise bald klinische Relevanz erlangen bzw. in aktuellen Studien untersucht werden.

Es ist gelungen, ausgewiesene viszeralonkologische Experten für die jeweiligen Tumorentitäten zur Erstellung der Beiträge zu gewinnen, sodass ein umfassender, aktueller Überblick über die derzeitigen neoadjuvanten Therapiekonzepte vorliegt.

Die Autoren B. Babic et al. aus der Kölner Arbeitsgruppe haben das wichtige Thema der neoadjuvanten Behandlung beim lokal fortgeschrittenen Ösophaguskarzinom bearbeitet und dabei u. a. die Fragestellung adressiert, ob eher eine neoadjuvante Radiochemotherapie oder eine alleinige Chemotherapie durchgeführt werden sollten. I. Gockel und F. Lordick aus Leipzig beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit der Sinnhaftigkeit einer neoadjuvanten Chemotherapie beim Magenkarzinom in Abhängigkeit vom Tumorstadium. Der Beitrag von F. Scheufele und H. Friess von der Technischen Universität in München befasst sich mit der Indikation zur neoadjuvanten Therapie beim fortgeschrittenen resektablen und Borderline-resektablen Pankreaskarzinom. S. Gül-Klein et al. von der Berliner Charité haben die Fragestellung der Sinnhaftigkeit neoadjuvanter Therapiekonzepte in der Behandlung kolorektaler und nichtkolorektaler Lebermetastasen adressiert und der Beitrag von Kastner et al. aus Würzburg beschäftigt sich mit den Selektionskriterien zur neoadjuvanten Radiochemotherapie beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom sowie möglichen Indikationen zur neoadjuvanten Therapie auch beim lokal fortgeschrittenen Kolonkarzinom.

Wir hoffen mit diesem Schwerpunktheft der Zeitschrift Der Chirurg allen onkologisch tätigen Viszeralchirurgen einen Überblick über die aktuellen Studiendaten zu neoadjuvanten Therapiekonzepten solider Tumoren des Gastrointestinaltraktes in die Hand gegeben zu haben, der bei der täglichen Zusammenarbeit mit den Behandlungspartnern in den gastrointestinalen Tumorboards hilfreich ist.


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Univ.-Prof. Dr. med. C.-T. Germer