Gastrointestinale Blutungen sind häufig. In Deutschland liegt die Inzidenz oberer gastrointestinaler Blutungen bei ca. 50–100/100.000 und unterer gastrointestinaler Blutungen (ohne Hämorrhoidalblutung) bei ca. 20/100.000. Das klinische Spektrum reicht von der nur laborchemisch erfassbaren Anämie bis hin zur fulminanten Blutung mit Schock und erfordert ein differenziertes Vorgehen vom ersten Verdacht einer gastrointestinalen Blutung über die Akutversorgung bis hin zur Prävention einer erneuten Blutung.

Die chirurgische Therapie zur primären Blutstillung hat – nachdem sie viele Jahrzehnte lang die quasi einzige effektive Option darstellte – deutlich an Bedeutung verloren. Eine chirurgisch-operative Behandlung der akuten gastrointestinalen Blutung ist heute nur noch bei konservativ interventionell primär nicht stillbaren Blutungen und schweren Rezidivblutungen nach primär endoskopischer Hämostase indiziert.

Zur Risikostratifizierung sind Kenntnisse bez. Diagnostik und Therapie unabdingbar

Nichtsdestotrotz ist auch der Chirurg im klinischen Alltag regelmäßig mit dem Krankheitsbild der gastrointestinalen (GI-)Blutung konfrontiert. Obwohl sich in den meisten deutschen Kliniken die endoskopische Expertise in den Händen der gastroenterologischen Kollegen befindet und diesen somit die Primärdiagnostik und Therapie bei gastrointestinaler Blutung obliegen, ist es dringend erforderlich, dass auch der Chirurg über ausreichende Kenntnisse bezüglich der unterschiedlichen Diagnoseverfahren und Behandlungsmöglichkeiten verfügt. Nur so ist gewährleistet, dass der Chirurg im interkollegialen Gespräch als kompetenter Behandlungspartner im Rahmen der Risikostratifizierung fungieren kann. Deshalb erschien es erforderlich, ein aktuelles Schwerpunktheft der Zeitschrift Der Chirurg zu dieser Thematik zu erstellen.

In ihrem Übersichtsartikel stellen U. Schweizer et al. aus Tübingen die aktuelle Differenzialindikation der unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten bei gastrointestinaler Blutung dar und beantworten die Frage, ob die Therapie endoluminal, endovaskulär oder doch chirurgisch erfolgen sollte.

Varikös bedingte obere GI-Blutungen sind die häufigste Komplikation bei Leberzirrhose

Eine besondere klinische Problematik bietet die varikös bedingte obere gastrointestinale Blutung. Sie ist die häufigste letale Komplikation bei Patienten mit einer Leberzirrhose. Die Übersichtsarbeit von S. Manekeller und J.C. Kalff aus Bonn zeigt die aktuellen Therapiekonzepte bei akuter Ösophagusvarizenblutung, deren Management in der Akutsituation sowie die Indikationen zur Therapie der ursächlichen portalen Hypertension mittels transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunts (TIPS) auf.

Häufigste Ursache der unteren gastrointestinalen Blutung ist mit 20–40 % die Blutung aus Divertikeln. Die Inzidenz liegt in Deutschland bei etwa 32–36/100.000. Obwohl mehr als 90 % aller Divertikelblutungen spontan sistieren, können auch lebensbedrohliche schwere Verläufe auftreten. W. Schwenk aus Solingen stellt in seinem Beitrag den Diagnostik- und Therapiealgorithmus der Divertikelblutung dar.

Post-Operative gastrointestinale Blutungen nach viszeralchirurgischen Eingriffen stellen eine besondere Entität dar, da sich die Vorgehensweise hierbei vor allem nach der vorausgegangenen Art der Operation, dem Zeitpunkt der Blutungsmanifestation und der Intensität richtet. In dem Beitrag von C. Stier und J. May aus Würzburg werden die verfahrensspezifischen Besonderheiten postoperativer gastrointestinaler Blutungen dargestellt.

Abschließend widmen sich O. Schwandner und O. Pech aus Regensburg in ihrem Beitrag der Frage, ob rektale Blutungen immer leicht zu beherrschen oder doch eine Herausforderung in der Proktologie darstellen.

Wir hoffen, Ihnen mit diesem Schwerpunktheft einen aktuellen Überblick zum Thema „gastrointestinale Blutungen“ an die Hand gegeben zu haben, der Sie in Ihrer täglichen Praxis hilfreich unterstützen kann.

Ihr

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Prof. Dr. Christoph Germer