FormalPara Originalpublikation

Abis GSA, Stockmann HBAC, Bonjer HJ et al (2019) Randomized clinical trial of selective decontamination of the digestive tract in elective colorectal cancer surgery (SELECT trial). Br J Surg 106:355–363

FormalPara Einleitung und Zielsetzung.

Weiterhin nimmt die Chirurgie eine Schlüsselrolle in der kurativen Therapie des kolorektalen Karzinoms ein, sie ist jedoch mit einem 20–40%igen Risiko für infektiöse Komplikationen („surgical side infection“, SSI) assoziiert. Die selektive Darmdekontamination (SDD) soll durch eine orale Gabe nichtresorbierbarer Antibiotika die bakterielle Belastung des Gastrointestinaltraktes und damit das SSI-Risiko reduzieren. Ziel der aktuellen Studie war es, den Einfluss der SDD auf die Rate infektiöser Komplikationen im Rahmen der kolorektalen Karzinomchirurgie zu analysieren.

FormalPara Methode.

Bei dem SELECT-Trial handelte es sich um eine multizentrische, 1:1-randomisierte Studie. Eingeschlossen waren Patienten mit histologisch gesichertem kolorektalem Karzinom und geplanter elektiver Resektion mit primärer Anastomose. Patienten im Interventionsarm erhielten zur SDD eine orale Gabe von 100 mg Cholistin, 80 mg Tobramycin und 500 mg Amphotericin B 4‑mal/Tag (Beginn 3 Tage präoperativ bis einschließlich 3. postoperativer Tag). Primärer Endpunkt der Studie war die Rate an Anastomoseninsuffizienzen bis 30 Tage postoperativ. Sekundäre Endpunkte beinhalteten weitere infektiöse Komplikationen, Mortalität, Reoperationsraten, Wiederaufnahmerate und die stationäre Verweildauer.

FormalPara Ergebnisse.

Zwischen Mai 2013 und März 2017 konnten insgesamt 485 Patienten in die Studie eingeschlossen werden (SDD: n = 228 Patienten, Kontrollarm: n = 227 Patienten), hiernach wurde die Rekrutierung abgebrochen, da eine Interimsanalyse eine Überlegenheit der SDD in Bezug auf den primären Endpunkt nicht zeigen konnte. Beide Kollektive unterschieden sich nicht in ihren demographischen oder klinischen Charakteristika, jeweils 98,2 % der Eingriffe erfolgten laparoskopisch. Bei einer 98 %igen Behandlungscompliance im SDD-Arm entwickelten eine vergleichbare Rate an Patienten in beiden Behandlungsarmen eine Anastomoseninsuffizienz (14 Patienten [6,1 %] im SDD-Arm bzw. 22 Patienten [9,7 %] im Kontrollarm; Odds Ratio [OR] 0,61; 95 %-Konfidenzintervall[KI]: 0,30–1,2). 34 Patienten (14,9 %) im SSD-Arm vs. 61 Patienten (26,9 %) im Kontrollarm erlitten mindestens eine infektiöse Komplikation (OR 0,48; 95 %-KI: 0,30–0,76), und auch die Gesamtzahl an infektiösen Komplikationen war in der SDD-Gruppe gegenüber dem Kontrollarm signifikant erniedrigt (14,9 % vs. 32,6 %, OR 0,36, 95 %-KI: 0,23–0,57). Gleiches zeigte sich auch für die Rate an SSI mit signifikanter Bevorzugung der SDD-Patienten (2,2 % vs. 10,6 %, OR 0,19; 95 % KI: 0,07–0,51). Die Rate an nichtinfektiösen Komplikationen zeigte keinen Unterschied zwischen beiden Kollektiven, ebenso wie die 30-Tage-Mortaliät (SDD: 1,3 % vs. Kontrollen: 1,8 %). In der multivariaten Analyse war die SDD ein starker Prädiktor eines reduzierten Risikos für infektiöse Komplikationen (OR 0,47, 95 %-KI: 0,29–0,76), wohingegen die Anastomoseninsuffizienzrate lediglich durch das Vorliegen eines Diabetes mellitus ungünstig beeinflusst wurde (OR 2,63; 95 %-KI: 1,09–6,37).

Fazit des Reviewers

Es ist bekannt, dass die überwiegende Mehrzahl der SSIs nach kolorektaler Chirurgie durch die endogene bakterielle Flora des Gastrointestinaltrakts bedingt ist, u. a. da die Integrität der Darmwandbarriere durch die operationsbedingte Eröffnung des Darmes gestört wird. Zudem führt eine postoperativ erst verzögert einsetzende Peristaltik zu einer grundlegend veränderten Zusammensetzung des gastrointestinalen Mikrobioms. In diesem Zusammenhang bestätigt die vorliegende Studie auf hohem Evidenzniveau einen günstigen Einfluss der SDD auf die Häufigkeit an SSI, jedoch ohne die Rate an Anastomoseninsuffizienzen (primärer Endpunkt) zu reduzieren.