Das Prinzip der Fluoreszenzangiographie mittels Indocyaningrün (ICG) ist seit langem bekannt und wurde in der Vergangenheit vor allem von Photographen und Ophthalmologen zur Retinadiagnostik verwendet. Weitere Verwendung fand es als Indikatorsubstanz bei Herz‑, Kreislauf- und Lebererkrankungen.

Indocyaningrün ist ein fluoreszierender Farbstoff mit einer Halbwertszeit von 3–4 min. Die wasserlösliche ICG-Lösung ist für die intravenöse Anwendung bei Patienten zugelassen. Die Fluoreszenz erscheint, wenn der Farbstoff im Blut einem Nahinfrarotlicht von 820–830 nm Wellenlänge ausgesetzt wird.

Aktuell bestehen vielfältige Indikationen zur Anwendung der Fluoreszenzangiographie. Dazu gehören:

  • Retinadiagnostik,

  • Leberperfusion,

  • Mesenterialperfusion,

  • Beurteilung von Haut- und Muskeltransplantaten in der plastischen Chirurgie,

  • Bestimmung der Amputationshöhe bei peripheren Durchblutungsstörungen,

  • Prüfung der Perfusion bei Wunden, Ulzera und beim diabetischen Fuß,

  • Prüfung der Perfusion beim aortokoronaren Bypass,

  • Prüfung der Perfusion in der Transplantationschirurgie.

In der Viszeralchirurgie hat der intraoperative Einsatz der Fluoreszenzangiographie in den letzten 10 Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sie eignet sich zur Real-time-Darstellung der Durchblutung bei allen Formen gastrointestinaler Anastomosen, insbesondere bei kolorektalen Anastomosen und in der Ösophaguschirurgie. Auch in der Notfallchirurgie wie z. B. beim Mesenterialinfarkt gelingt es mittels der Fluoreszenzangiographie, die Grenzen der ischämischen Areale darzustellen, um das Ausmaß der notwendigen Resektion festzulegen. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die rein makroskopische Einschätzung des Chirurgen das Ausmaß der Ischämie nicht sicher beurteilen kann. Gerade in der minimal-invasiven Chirurgie ist das von besonderer Bedeutung, da hier im Gegensatz zur offenen Chirurgie die Möglichkeiten zur Palpation oder Doppleruntersuchung eingeschränkt sind.

Ein neuer Aspekt ist die Darstellung von Lymphknoten und Metastasen

Da der ICG-Farbstoff über die Leber ausgeschieden wird, eignet sich die Fluoreszenztechnik sowohl für die Darstellung der extrahepatischen Gallenwege als auch für die Darstellung der Blutversorgung im hepatobiliären System. Neue Aspekte und Gegenstand aktueller Forschungsprojekte sind die Darstellung des Lymphabflusses bei gastrointestinalen Tumoren, die Detektion von Lymphknoten und Metastasen. Ziel der Anwendung der Fluoreszenzangiographie ist das intraoperative Erkennen von Durchblutungsstörungen, um die Rate an Anastomoseninsuffizienzen zu senken. In der hepatobiliären Chirurgie hilft die Fluoreszenz zur sicheren Darstellung der anatomischen Strukturen, in der Tumorchirurgie zur Identifikation des Resektionsausmaßes.

In diesem Leitthemenheft liegt der Schwerpunkt in der Darstellung der aktuellen Anwendungsmöglichkeiten der ICG-Fluoreszenz in der Viszeralchirurgie.

Anna Duprée (Hamburg) zeigt die Möglichkeiten der Fluoreszenzangiographie zur Perfusionskontrolle bei Ösophagusanastomosen. Der Fokus liegt hierbei auf der Evaluation der Perfusionsverhältnisse. Der Ansatz ist vielversprechend, die Methode einfach und standardisiert durchführbar, wobei bisher randomisierte Studien fehlen.

Die Arbeitsgruppe um Karl Oldhafer (Hamburg) stellt die Einsatzmöglichkeiten der Fluoreszenzangio- und -cholangiographie bei hepatobiliären Eingriffen dar. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig und reichen von der Anwendung bei komplizierten Cholezystektomien bis zur Detektion primärer und sekundärer Lebertumoren. Weitere Indikationen sind z. B. die intraoperative Navigation oder die Darstellung von Galleleckagen.

Thomas Carus (Hamburg, Thuine) hat 2008 weltweit erstmals über die intraoperative Perfusionskontrolle mittels ICG in der laparoskopischen kolorektalen Chirurgie publiziert. In der aktuellen Arbeit werden die Einsatzmöglichkeiten und die Ergebnisse zur Senkung der Rate an Anastomoseninsuffizienzen dargestellt. Weiterhin wird die Frage diskutiert, ob die Fluoreszenzangiographie routinemäßig bei kolorektalen Anastomosen eingesetzt werden sollte.

Die Arbeitsgruppe um Michele Diana (Straßburg, Frankreich) stellt die Ergebnisse der Detektion von Lymphknotenmetastasen bei gastrointestinalen Tumoren mittels Fluoreszenz vor. Diese ermöglicht und verbessert den Lymphknotennachweis, wobei die mittlere Detektions‑, Sensitivitäts‑, Genauigkeits- und Falsch-negativ-Raten noch erheblich variierten. Die Fluoreszenzbildgebung zur Identifikation des Lymphabflusses ist vielversprechend zur Verbesserung der onkologischen Ergebnisse.

figure a

Prof. Dr. Dr. Thomas Carus