Mikrobielle und parasitäre Systemerkrankungen waren in Deutschland bislang eher selten, sie haben jedoch infolge Migration, Tourismus und Klimaveränderungen in den letzten Jahren an Häufigkeit zugenommen. Wegen der chirurgischen Relevanz der abdominellen Manifestationen infektiöser Systemerkrankungen hat die vorliegende Ausgabe von Der Chirurg daher das Ziel, eine aktuelle Standortbestimmung der chirurgischen Aspekte der wichtigsten Erkrankungen vorzunehmen.

Weltweit am häufigsten sind bakteriell bedingte Durchfallerkrankungen, verursacht z. B. durch Fäkalkeime, aber auch Vibrio cholerae oder Salmonella Typhimurium, die mit fast 2 Mio. Todesfällen pro Jahr besonders für Länder mit ungünstigen hygienischen Bedingungen zum Problem werden können. Des Weiteren können seltene bakterielle Infektionskrankheit chirurgisch relevant werden, wie z. B. die Mesaortitis luetica im Rahmen einer Spätsyphilis, oder auch viszerale Manifestationen der Tuberkulose.

Bei der Resektion der abdominellen Tuberkulose sollte auf eine Drainage verzichtet werden

Die Therapie der abdominellen Tuberkulose (TB) ist Gegenstand der Übersichtsarbeit der Autoren Fahlbusch und Mitarbeitern. Während die primär abdominelle Tuberkulose eine Seltenheit darstellt, kann es bei ca. 30 % der Patienten mit pulmonaler Tuberkulose auch zu einer abdominellen Mitbeteiligung kommen. Die Autoren gehen eingehend auf die klinischen Erscheinungsformen ein und präsentieren den aktuellen Stand der Diagnostik sowie der medikamentösen und operativen Therapie. Hierbei bildet die Quadrupeltherapie mit Isoniazid, Rifampizin, Pyrazinamid und Ethambutol die medikamentöse Basis. Dem Chirurgen kommt insbesondere die Rolle zu, durch Probeentnahme die viszerale Manifestation zu sichern. Minimal-invasive Verfahren sollten hierbei bevorzugt werden. Die operativen Verfahren bei Stenosen, Fisteln oder Perforationen sollten immer auf das Notwendigste begrenzt werden. Bei der operativen Therapie der abdominellen Tuberkulose sollte auf eine Drainageeinlage verzichtet werden.

Die zweite bedeutende Gruppe infektiöser Systemerkrankungen mit abdomineller Manifestation sind Helminthen (Würmer). Auch sie führen weltweit zu einer signifikanten Morbidität und Mortalität. Bei der Schistosomiasis/Bilharziose (Saugwurm), den Taenia-Erkrankungen (Bandwurm) und den Filarien (Fadenwurm) ist der Mensch der Endwirt. Band- und Fadenwürmer werden durch verunreinigtes Essen übertragen, Saugwürmer über die Haut beim Baden in Südwassergewässern. An den Folgen der Bilharziose versterben weltweit jedes Jahr 200.000 Menschen. Die Eier der Saugwürmer (Pärchenegel) verursachen eine chronische Darmentzündung und Polyposis. Der adulte Pärchenegel befällt das Portalvenensystem mit der Folge einer Leberfibrose und portalen Hypertension. Durch Befall des Urogenitaltraktes können Vernarbungen in diesem Bereich mit entsprechenden Folgen resultieren.

Die Resektion der alvelolären Echinokokkose sollte analog des cholangiozellulären Karzinoms erfolgen

Die Autoren Strohäker und Nadalin befassen sich in ihrer sehr detaillierten Übersichtsarbeit zur Helminthose mit der zystischen und alveolären Echinokokkose. Sie wird durch den in wärmeren Ländern endemischen Fuchsbandwurm (Echinococus multilocularis) und den in Deutschland heimischen Hundebandwurm (Echinococcus granulosus) hervorgerufen. Die Autoren zeigen, dass bislang im klinischen Alltag noch verbreitete Vorgehensweisen weitgehend überholt sind. Beispielhaft wurde der noch häufig angewendete Therapiealgorithmus bei der alvelolären Echinokokkose mit 28 Tagen Albendazol gefolgt von 14 Tagen Pause durch eine kontinuierliche Medikation abgelöst. Außerdem zeigen die Autoren, dass ein in früheren Studien geforderte Sicherheitsabstand von >20 mm bei der Resektion der alveolären Echinokokkose nicht zwingend erforderlich ist. Eine bei der zystischen Echinokokkose zur Anwendung kommende protoscolizide Behandlung sollte mit Ethanol 95 %, NaCl 20 % und Chlorhexidin 10 % durchgeführt werden und nicht mit der noch verbreiteten 40 %igen Glukoselösung. Statt der klassischen Perizystektomie sollte die sog. subadventitiale Perizystektomie bevorzugt werden.

Als dritte Gruppe systemischer Infektionskrankheiten mit abdomineller Relevanz wird auf die Bedeutung von Protozoenerkrankungen eingegangen. Die häufigsten Erkrankungen sind die Malaria (Plasmodium) und die Amöbenruhr (Entamoeba histolytica). Allein diese beiden Protozoenkrankheiten sind für weltweit über 500.000 Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Viszerale Manifestationen der Malaria sind äußerst selten, über Einzelfälle einer malariabedingten Splenomegalie mit Milzruptur wurde jedoch berichtet. Hinsichtlich der Amöbenruhr ist wichtig zu wissen, dass sie sich unter dem Bild einer ulzerösen Kolitis oder Leberabszedierung manifestieren kann.

Bei der Leishmaniose können fokale Läsionen in Leber und Milz auftreten, die als Malignome imponieren

Als Beispiel einer Protozoenerkrankung steht die viszerale Leishmaniose (Sandmückenkrankheit) im Fokus dieses Heftes. Hervorgerufen durch intrazelluläre protozoische Parasiten (Flagellaten, begeißelte Protozoen) stellt sie eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit dar, an denen in Deutschland vorwiegend Migranten und Touristen erkranken. Häufig sind kutane Manifestationen, die chirurgisch aufgrund schmerzhaft ulzerierender Hauttumoren auffällig werden können. Seltener ist die als Kala-Azar bekannte viszerale Erkrankungsform, deren chirurgische Grundkenntnis jedoch wichtig ist, da sie unbehandelt fast immer tödlich verläuft. Im Betrag von Wilhelm werden die Besonderheiten der Diagnostik und Therapie der Leishmaniose aktuell dargestellt und dabei vor allem auf die Behandlung bei immunsupprimierten Patienten eingegangen. In der Schnittbildgebung findet sich bei der viszeralen Leishmaniose charakteristisch eine Hepatomegalie, wobei sich das Parenchym in der Mehrzahl der Fälle homogen darstellt. Fokale Milz- oder Leberläsionen, die als Malignome imponieren, treten jedoch auf und können zu unnötigen Operationen veranlassen.

Die infolge epidemiologischer und Umweltbedingungen gestiegene Inzidenz mikrobieller und parasitärer Systeminfektionen erfordert eine erhöhte Aufmerksamkeit im Sinne von „daran denken“ und wegen der viszeralen Manifestationen ein geschärftes Problembewusstsein mit genauerer Kenntnis der Diagnostik und chirurgischen Therapie. Alle drei in diesem Schwerpunktthema vorgestellten Erkrankungen verbindet, dass sie einer multidisziplinären Zusammenarbeit bedürfen und vorzugsweise in Zentren mit entsprechender infektiologischer Kompetenz behandelt werden sollten.

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PD Dr. Frank Weber

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Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Henning Dralle