FormalPara Originalpublikation

Ruppert R et al (2018) Oncological outcome after MRI-based selection for neoadjuvant chemoradiotherapy in the OCUM Rectal Cancer Trial. Br J Surg. https://doi.org/10.1002/bjs.10879. [Epub ahead of print]

FormalPara Einleitung und Zielsetzung.

Die neoadjuvante Radiochemotherapie (nRCT) stellt die leitliniengerechte präoperative Behandlung lokal fortgeschrittener Rektumkarzinomen des unteren und mittleren Rektumsdrittels im klinischen Stadium cII und cIII dar. Diese Überlegungen lassen jedoch den aus chirurgischer Sicht relevanten zirkumferenziellen Resektionsrand (CRM) als Selektionskriterium für die nRCT außer Acht.

FormalPara Methode.

Ziel der multizentrischen Beobachtungsstudie OCUM (Optimierte Chirurgie und MRT) war die Überprüfung der Hypothese, ob eine selektive Indikationsstellung zur nRCT basierend auf dem CRM ohne negative Auswirkung auf die langfristige Lokalrezidivrate bleibt. Eingeschlossen waren Rektumkarzinome im Stadium cT2-4, jedes N, cM0-1. Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels mit <1 mm Abstand zur mesorektalen Faszie sowie alle Tumoren im Stadium cT4 und alle Tumoren des unteren Rektumdrittels ab cT3 wurden als „high risk“ klassifiziert und mittels nRCT vorbehandelt. Alle übrigen Tumoren (>1 mm zur mesorektalen Faszie, Tumoren des oberen Rektumsdrittels) wurden als „low risk“ eingestuft und mit alleiniger total mesorektaler Exzision (TME) behandelt. Primäre Endpunkte der Studie waren die 5‑Jahres-Lokalrezidivrate und das Gesamtüberleben.

FormalPara Ergebnisse.

Im Zeitraum zwischen Januar 2007 und September 2016 konnten insgesamt 554 Patienten in die Studie eingeschlossen werden, von denen 428 Patienten entsprechend dem Studienprotokoll behandelt wurden: 254 Patienten (59,3 %) erhielten aufgrund einer Low-risk-Konstellation eine alleinige TME, 174 Patienten (40,7 %) wurden hingegen „high risk“ klassifiziert und mittels nRCT + TME therapiert. In der Low-risk-Gruppe wurden 91,3 % der Patienten prätherapeutisch als mrCRM− (mr-graphisch) eingestuft, was bei diesen Patienten in 98,3 % der Fälle den pCRM (pathologischen) korrekt vorhersagte. In der High-risk-Gruppe wurden hingegen 74,4 % der Patienten als mrCRM+ eingestuft, die meisten hiervon (73,6 %) hatten ein klinisches Stadium cIII. Nach einem medianen Follow-up von 60 Monaten lag die 3‑ bzw. 5‑Jahres-Lokalrezidivrate bei 1,3 bzw. 2,7 % und unterschied sich nicht zwischen Patienten der Low-risk-Gruppe (1,2 % bzw. 2,0 %) und der High-risk-Gruppe (1,2 % bzw. 2,3 %). Patienten mit einem Tumorstadium, das entsprechend dem Studiendesign einer nRCT bedurfte (=High-risk-Gruppe), hatten – verglichen mit Low-risk-Patienten – ein höheres 3‑ und 5‑Jahres-Risiko an Fernmetastasen (17,3 % bzw. 24,9 % vs. 8,9 % bzw. 14,4 %, p = 0,005) und ein schlechteres krankheitsfreies Überleben (3- und 5‑Jahresraten: 76,7 % bzw. 66,7 % vs. 84,9 % bzw. 76,0 %, p = 0,016).

Fazit des Reviewers

Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom des mittleren und unteren Rektumdrittels können sehr gut anhand des mrCRM für eine nRCT selektioniert werden, unter Außerachtlassung des cN-Status. Unter Zugrundelegung der in der aktuellen Studie angewandten Selektionskriterien für die nRCT (mrCRM <1 mm) könn(t)en damit gegenüber der bisherigen Indikationsstellung (klinisches Stadium II und III, cTNM-basiert) über 40 % der Patienten die neoadjuvante Therapie erspart werden und das ohne erhöhtes Risiko eines Lokalrezidivs. Die Studiendaten bestätigen darüber hinaus, dass ein prätherapeutischer mrCRM <1 mm in über 98 % der Fälle einen negativen pCRM korrekt vorher zu sagen vermag.

Die nRCT sollte daher nicht mehr für generell alle Patienten mit Tumoren des mittleren und unteren Rektumsdrittels im Stadium cII und III zur Anwendung kommen, sondern auf High-risk-Patienten beschränkt werden (Tumoren des mittleren und unteren Rektumdrittels, mrCRM-, Tumoren im Stadium cT4 und Tumore des unteren Rektumdrittels ab cT3).