Es wird gegenwärtig viel diskutiert über die chirurgischen Tätigkeiten, die Weiterbildung und auch über Krankenhausstrukturen, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der neuen Weiterbildungsordnung oder der Aktualisierung von Notfallstrukturen. Die Patienten mit ihren Verletzungen sind jedoch immer noch die gleichen wie in den letzten Jahrzehnten und erleiden ähnliche, sich leicht verändernde Verletzungen. Auch die Anzahl der Verletzungen ändert sich insgesamt wenig, wenn es auch qualitativ zu Verschiebungen kommt. In der initialen Auswertung des Statischen Bundesamtes im Jahre 2016 zeigten sich 7,1 % weniger Verkehrstote, was dem niedrigsten Stand seit 60 Jahren entspricht. Im Gegensatz dazu stieg jedoch die Gesamtzahl der Verletzten um 0,8 %, eine Tendenz, die sich auch in den Vorjahren bereits abzeichnete. Insgesamt war 2016 sogar das unfallreichste Jahr seit der deutschen Wiedervereinigung, was zeigt, dass trotz verbesserter medizinischer Versorgung und erhöhter passiver Sicherheitstechnik der Behandlungsbedarf nicht abnimmt. In dem Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über Sicherheit bei der Arbeit 2015 (Unfallverhütungsbericht Arbeit) zeigen sich ähnliche Zahlen. Die meldepflichtigen Arbeitsunfälle sind um 1,2 %, die tödlichen Arbeitsunfälle im Betrieb um 4,1 % zurückgegangen. Im Gegensatz dazu sind aber die meldepflichtigen und tödlichen Wegeunfälle gestiegen.

Diese Zahlen belegen, dass es relativ konstant pro Jahr in Deutschland knapp 10 Mio. (9,73 Mio. in 2015) Unfallverletzte gibt und ca. 25.000 (24.578 in 2015) tödliche Unfälle; das sind ca. 0,25 %. Diese Zahlen belegen eindeutig die umfassende Notwendigkeit einer kompetenten präklinischen und klinischen Notfallbehandlung und Notfallvorhaltung sowie der ambulanten und stationären chirurgischen Behandlung. Die hierzu notwendigen Kenntnisse werden in der Weiterbildung erworben, wobei der aktuell geltende „common trunk“ mit Notaufnahme und Intensivstation in der Chirurgie sowie auch die speziellen unfallchirurgischen Kenntnisse für Diagnostik und Therapie von großer Bedeutung sind. Ein breites diagnostisches Wissen inklusive allgemein- und viszeralchirurgischer, gefäßchirurgischer, thoraxchirurgischer oder kinderchirurgischer Inhalte sind für eine suffiziente Behandlung des verletzten Patienten unerlässlich. Hierzu gehören selbstverständlich auch besondere Erfahrungen in der Schockbehandlung, der Ultraschalldiagnostik und der Röntgendiagnostik. Im Rahmen der aktuellen Weiterbildung erfolgt die Qualifizierung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, um das gesamte Fach kennenzulernen. Zusatzqualifikationen, beispielsweise in der speziellen Unfallchirurgie, sind gerade in der Behandlung komplex polytraumatisierter Patienten mit häufig über die Extremitäten hinausgehenden Verletzungen zu berücksichtigen. Daraus leitet sich auch in Zukunft die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit den benachbarten chirurgischen Disziplinen ab. Ein geordneter Austausch in einer abgestimmten gemeinsamen Weiterbildungsstruktur muss auch für die zukünftige Traumaversorgung gewährleistet sein. Die in diesem Heft ausführlich dargestellte Thematik der Unfallversorgung bei Terroranschlägen zeigt diese Notwendigkeit der Zusammenarbeit eindrücklich.

Traumaversorgung bedarf einer abgestimmten gemeinsamen Weiterbildungsstruktur

Aus diesen Gegebenheiten ergibt sich, dass sich die Unfallchirurgie als Teil des Faches für Orthopädie und Unfallchirurgie und dieses Fach sich wiederum als Teil des großen Gebietes der Chirurgie versteht. In diesem Zusammenhang möchte ich die Bemühungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) gemeinsam mit ihren zehn Fachgesellschaften unterstützen, hier das gesamte Gebiet der Chirurgie weiterhin, unter Absprache, einheitlich zu gestalten. Dies wäre für die Zukunft pragmatisch so denkbar, dass die beiden Weiterbildungskategorien für die neue Weiterbildungsordnung Kennen/Können und Beherrschen geschickt abgestimmt werden. Diese vereinenden Besonderheiten der Chirurgie beziehen sich auf die ganz spezifische Beziehung zwischen dem Patienten und dem behandelnden Chirurgen, gleich welcher Provenienz. In dem Moment, in dem er das Vertrauen des Patienten gewinnt, übernimmt der Chirurg auch eine erhebliche Verantwortung für einen erfolgreichen Eingriff oder Behandlung und muss die vom Patienten erwartete Sicherheit und optimale perioperative und operative Behandlung gewährleisten.

Der diesjährige Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) steht unter dem Motto „Bewegung ist Leben“ und bildet die große Bandbreite der Orthopädie und Unfallchirurgie in insgesamt 240 Hauptsitzungen neben fast 200 Zusatzveranstaltungen und Gastsymposien ab. Mit über 1800 Referenten, Vorträgen und Postern stellt der DKOU 2017 mittlerweile den größten europäischen Kongress für das Fach Orthopädie und Unfallchirurgie dar. Die weiterentwickelte Struktur des Kongresses bietet neben den dominierenden Innovationen, wissenschaftlichen Vorträgen und Postern auch für alle Teilnehmer passende Weiterbildungsmöglichkeiten, von den Basiskenntnissen bis zur hohen Spezialisierung. Hinzu kommen Spezialkurse für die deutsche gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Strahlenschutz, Sportmedizin, Forschungsqualifikationen und vieles andere mehr. Insgesamt werden aus über 700 angenommen Abstracts die aktuellen Entwicklungen im gesamten Fach dargestellt. Aus dem Gastland USA sind 6 Fachgesellschaften vertreten und bieten mit den europäischen Fachgesellschaften ESTES (European Association for Trauma and Emergency Surgery) und EFORT (European Orthopaedic and Traumatology Education Platform) sowie der AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen), ARCO (Association Research Circulation Osseous) und vielen anderen Gruppierungen auch zahlreiche englischsprachige Sitzungen an.

„Bewegung ist Leben“ ist das Motto der DKOU 2017

Ich lade Sie herzlich zum DKOU 2017 nach Berlin ein und freue mich auf eine anhaltende konstruktive Weiterentwicklung der DGCH mit der DGOU (Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie) und der DGU (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie).

figure a

Prof. Dr. Ingo Marzi

Präsident der DGU und Präsident der DGOU

FormalPara Weiterführende Literatur