Die Einführung der minimal-invasiven videoassistierten Chirurgie vor nahezu 25 Jahren hat die Chirurgie in fast allen operativen Fächern grundlegend verändert. Um den Patienten die vielfältig belegten Vorteile des reduzierten Zugangstraumas zu ermöglichen, haben wir gelernt, mit den technischen Defiziten zu operieren. Der Verlust der dreidimensionalen Sicht kann durch Übung weitestgehend überwunden werden. Trotzdem bleibt die zweidimensionale Sicht eine Einschränkung, die bei subtilen chirurgischen Maßnahmen, bei denen der atraumatische Umgang mit dem Gewebe essenziell ist, besonders deutlich wird. Die langen nicht abwinkelbaren Instrumente führen neben einer sehr ungünstigen Ergonomie für den Operateur zu erheblichen Hebelwirkungen, die feine Bewegungen am Instrumentenende schwierig machen. In engen anatomischen Räumen wie z. B. dem männlichen Becken können die Instrumente nur sehr tangential zum Gewebe angesetzt werden. All diese Faktoren verstärken sich noch, wenn über nur einen Zugang operiert wird oder wenn Operationen über natürliche Körperöffnungen (NOTES) erfolgen.

Die Einschränkungen der konventionellen MIC werden aufgehoben

Die medizintechnische Industrie versucht, diese Einschränkungen durch unterschiedliche Innovationen zu minimieren oder ganz aufzuheben. Die umfassendste Neuerung ist sicherlich die Einführung von Robotik-Assistenzsystemen. Bis heute ist das Da-Vinci®-System der Firma Intuitive Surgical Inc.® das einzige Master-slave-System mit einer CE- und FDA-Zulassung. Es ist seit 1999 in der mittlerweile 3. Generation auf dem Markt. Robotik-Assistenzsysteme in der videoassistierten Chirurgie heben durch die dreidimensionale Sicht, frei abwinkelbare Instrumente, einen Tremorfilter und eine hervorragende Ergonomie für den Operateur viele Einschränkungen der konventionellen minimal-invasiven Chirurgie (MIC) auf. Im deutschsprachigen Raum sind heute ca. 70 Systeme mit erheblichen regionalen Unterschieden implementiert. Mittlerweile wird nicht nur in der Urologie, sondern auch in der Gynäkologie, der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde sowie in der Kinder-, Herz- und Thoraxchirurgie Robotik-assistiert operiert. International, vor allem in den USA, England, Italien und im asiatischen Raum hat die Robotik-Assistenz auch in der Viszeralchirurgie einen festen Platz. In der deutschen Viszeralchirurgie gibt es bisher nur an einzelnen Zentren überwiegend noch sehr begrenzte Erfahrung mit dem System. Vorbehalte gegen den Einsatz des aktuell einzig verfügbaren Systems bestehen weniger wegen der erneuten Lernkurve oder der etwas verlängerten Operationszeit, sondern hauptsächlich wegen der erheblichen Mehrkosten, die im deutschen Gesundheitssystem nicht erstattet werden. Allerdings ist eine gewisse Aufbruchstimmung zu verspüren und daher widmet sich Der Chirurg in diesem Heft dem Themenschwerpunkt Robotik.

D. Jayne aus Leeds geht in seinem Beitrag auf die Entwicklung von Robotik-Assistenzsystemen ein und wagt auch einen Blick in die Zukunft. Es ist der Verdienst von D. Jayne, dass die erste prospektiv randomisierte Studie zur Evaluation des Robotik-Einsatzes beim Rektumkarzinom seit fast 2 Jahren weltweit in über 20 Zentren Patienten rekrutiert (ROLARR-Studie). Bis heute ist etwa die Hälfte der angestrebten 400 Patienten in die Studie, die vom britischen Gesundheitsministerium finanziert wird, eingeschleust.

J.  Rückert (Berlin) hat in einer Dekade die weltweit größte Serie von Thymektomien mit dem Da-Vinci®-System operiert. Neben der Darstellung dieser beeindruckenden eigenen Erfahrung diskutiert er den Stellenwert der Robotik-assistierten Operationen bei den unterschiedlichen Indikationen im Mediastinum und beim Bronchialkarzinom. Die Daten aus der Thoraxchirurgie sind umfangreich und belegen zumindest die Gleichwertigkeit des neuen Verfahrens mit der offenen Chirurgie oder der videoassistierten konventionellen Thorakoskopie. Folgerichtig ist hier auch weltweit ein exponentieller Anstieg der Robotik-Eingriffe zu verzeichnen.

Die Arbeitsgruppe um P.C. Giulianotti gehört zu den Zentren mit der größten Expertise im Bereich der hepatobiliären und gastralen Chirurgie mit dem System. Aus ihrem Beitrag geht hervor, dass Major-Leberresektionen und onkologische Gastrektomien sicher und mit guten Ergebnissen Roboter-unterstützt operiert werden können. Die zuletzt genannten Eingriffe sind gute Beispiele dafür, dass die Nutzung eines Master-slave-Systems zu einer sinnvollen Erweiterung der minimal-invasiv durchgeführten Operationen in der Viszeralchirurgie führen kann.

Ein praxisorientierter Beitrag kommt aus der Bochumer Klinik. Nach Erfahrung an 120 Patienten werden detailliert die Vorbereitungen, das Set-up im Operationssaal und die spezifischen Operationsschritte für Robotik-assistierte kolorektale Resektionen vorgestellt.

Die bisherige Monopolstellung von Intuitive Surgical Inc.® wird voraussichtlich im Jahr 2014 aufgehoben. Weitere Systeme anderer Firmen sollen zum klinischen Einsatz kommen. Ein besonders vielversprechendes Master-slave-System ist im Deutschen Luft- und Raumfahrtsinstitut in Deutschland entwickelt worden – der miro-surge®. Drei Robotik-Arme, die flexibel wie ein Retraktorsystem an den Operationstisch angebracht werden und das uneingeschränkte Umlagern des Patienten während der Operation ermöglichen sowie ein haptisches Feedback charakterisieren dieses System. Dieses und viele andere Robotik-Systeme werden auf den Markt kommen – wir sollten diese Entwicklung in Deutschland mit gestalten.

Prof. Dr. C.T. Germer

PD Dr. B. Mann