Graham und Singer haben 1933 ein Lungenkarzinom mit einer Pneumonektomie reseziert. Die Resektionsart gilt auch heute noch als adäquat, solange der Tumor nicht auch komplett durch eine Lobektomie resezierbar ist. Die Pneumonektomie ist ein Amputationseingriff und im Vergleich zu allen anderen Resektionsverfahren hat sie die höchste Morbiditäts- und Mortalitätsrate. Dies ist einer der Gründe, warum Manschettenresektionen am Bronchial- und Gefäßbaum als günstige Alternative zur Pneumonektomie angesehen werden.

Bei der Entwicklung der Thoraxchirurgie waren der Torniquet und die Massenligatur am Lungenhilus prähistorische Verfahren.

Differenziertes Präparieren am Hilus und die Versorgung dieser Strukturen wurde von Rienhoff (1933) beschrieben. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war die Pneumonektomie der Standardeingriff der Lungenkarzinomchirurgie. Beim AATS (American Association for Thoracic Surgery)-Meeting 1950 haben Churchill und Sweet die Lobektomie als Resektionsverfahren beim Lungenkarzinom befürwortet, wenn aus funktionellen Gründen die Pneumonektomie nicht vertretbar war.

Die Pneumonektomie de principe wurde von Ochsner und De Bakey 1951 um die radikale Pneumonektomie (Lunge und Lymphknoten) erweitert. Zu diesem Zeitpunkt konkurriert bei der Resektionsbehandlung des Karzinoms die einfache und erweiterte Pneumonektomie. 1954 beschreibt Allison die Manschettenresektion an Bronchus und Pulmonalarterie am linken Oberlappen. Toomes und Vogt-Moykopf publizieren die erste Transpositionslobektomie 1985. Obwohl bereits zum Zeitpunkt der radikalen Pneumonektomie Manschettenresektionen am Bronchus und Lungengefäßbaum bekannt waren, setzte sich dieses parenchymsparende Resektionsverfahren nur zögerlich durch. Die Pneumonektomierate in England und Irland sinkt von ursprünglich mehr als 40% in den frühen 1980er Jahren und weiter im Jahr 2000 auf ca. 20% zugunsten der Lobektomie. Manschettenresektionen bleiben aber mit ca. 2% über den Beobachtungszeitraum konstant. Mit dem häufigeren Einsatz der Manschettenresektion konnte die verbliebene Pneunmonektomierate von 20% auf unter 10% abgesenkt werden. Dies ist heute in spezialisierten thoraxchirurgischen Kliniken „Standard“.

Die Vorbehalte gegenüber der Manschettenchirurgie sind im Grunde dieselben, wie der historische Weg von der Pneumonektomie zur Lobektomie. Die Gegner der Manschettenresektion argumentieren: hoher chirurgischer Aufwand, fragliches onkologisches und funktionelles Ergebnis. Bei dieser Argumentation werden die unvermeidbaren Folgen der Pneumonektomie ignoriert, die für den Patienten eine zusätzliche Erkrankung darstellt. Die vermeintlich radikalere Pneumonektomie beeinflusst das weitere Leben des Patienten auch radikaler. Hierbei wird bewusst in Kauf genommen, dass notwendige adjuvante Therapiestrategien nicht uneingeschränkt angewendet werden können.

In Deutschland werden im Jahresbericht des Bundesamtes für Statistik (2008) 13.593 Resektionen bei Lungenkarzinom gelistet, beteiligt sind 409 Kliniken. 50 Kliniken resezierten 8362 Patienten. Hiervon haben 38 Kliniken ein jährliches Volumen von 75 bis 180 und 12 Kliniken mehr als 180 Resektionen. Diesem Volumen stehen 359 Kliniken gegenüber, die 5231 Resektionen ausführen. 252 Klinken haben nur eine Resektionshäufigkeit von bis zu 15 Patienten. Die Letalität von 7,2% konkurriert hier mit 3,5% bzw. 2,4% in den Kliniken mit deutlich höherem Operationsvolumen.

Knapp 40% der Lungenkrebsoperationen werden in „low volume hospitals“ ausgeführt. In diesen Kliniken kann eine Manschettenresektion nicht erwartet werden. Ein routinierter Umgang mit der Manschettenchirurgie verhindert die vorschnelle Amputationschirurgie der Lunge. Allerdings erfordert diese Chirurgie eine rund um die Uhr vorhandene Kompetenz. Intensivmedizin mit thoraxchirurgischer Erfahrung und interventionelle Bronchoskopie sind eine Selbstverständlichkeit. Eine Thoraxchirurgie, in der diese parenchymsparenden Resektionen Routine sind, verfügen automatisch über ein hohes Operationsvolumen und große Erfahrung. Allein an diesen Kriterien gemessen, erübrigt sich eine weitere Diskussion über Mindestmengen und die strukturellen Voraussetzungen für die Thoraxchirurgie. Die Manschettenchirurgie ist von ihren Pionieren in der Indikation und technischen Durchführbarkeit so gut durchdacht und beschrieben, dass sie in den onkologischen Alltag des Lungenkarzinoms mehr integriert werden sollte. Es ist dabei nicht von wesentlicher Bedeutung, ob die Bronchusanastomose nun Stoß auf Stoß oder als Teleskop genäht wird oder als Manschettenresektion an der Pulmonalarterie erweitert wird. Es bleibt weiter der Chirurgenschule überlassen, ob die Manschette mit vitalem Gewebe gedeckt wird. Sowohl im neoadjuvanten als auch im adjuvanten Therapiekonzept hat sie ihren festen Stellenwert. Das Tumorboard soll nicht nur über die Resektion entscheiden, sondern auch das Resektionsausmaß festlegen. Es ist dann eine Selbstverständlichkeit, dass im Falle einer Pneumonektomie die Gründe im Operationsbericht ersichtlich und durch den Pathologen nachvollziehbar sind.

Nur der frühzeitige und routinierte Umgang mit dieser Chirurgie und vorgehaltenen Strukturen und Prozessen garantieren den Erfolg und eine Absenkung der Pneumonektomierate unter 10%. Im Weiterbildungskatalog des Thoraxchirurgen dürfen deshalb diese Eingriffe nicht fehlen.

Minus est plus? Diese These begleitet uns auf der Suche nach dem richtigen Weg für die Behandlungsstrategie beim malignen Pleuramesotheliom. Die extrapleurale Pneumonektomie mit Perikard- und Diaphragmaresektion (EPP) stellt die aggressivste chirurgische Therapieform dar. Diese Behandlungsstrategie entwickelte sich ursprünglich als alleinige Therapiemaßnahme, da ursprünglich keine effizientere Möglichkeit zur Verfügung stand. Als palliative Therapiestrategie wurde die sog. Tumorpleurektomie und Dekortikation eingesetzt. Nachdem ein suffizienter Chemotherapieansatz Anfang des neuen Jahrtausends zur Verfügung stand, wurde dieser im neoadjuvanten Therapieplan bei der EPP eingestetzt.

Die Biologie des malignen Pleuramesotheloms (MPM) lässt keine wirkliche R0-Resektion zu. Selbst mit der potenziell aggressivsten Resektionstechnik, der EPP, kann nur eine Zytoreduktion erreicht werden. Auch bei makroskopischer Tumorfreiheit verbleiben nicht sichtbare Tumorresiduen an den Resektionsrändern zur Brustwand, Lungenhilus, Ösophagus, Wirbelsäule, Adventitia der Gefäße, Perikard, Diaphragma und kostodiaphragmalem Winkel. Diese Sicherheitsabstände stehen in keinem Verhältnis zum Resektionsausmaß der EPP. Nicht berücksichtigt ist hierbei die funktionelle Belastung für einen derartigen Amputationseingriff.

Mit Einführung der radikalen Pleurektomie konnte die funktionelle Belastung für den Patienten erheblich gemindert werden. Durch den Lungenerhalt sind funktionell eingeschränkte und auch ältere Patienten chirurgisch multimodal therapierbar. Wie bei der Manschettenresektion verbessert sich die Lungenfunktion nach der radikalen Pleurektomie. Die Lunge ist ein Organ, das sich nach parenchymerhaltenden Resektionen auf Werte vor der Operation erholen kann, auch noch nach Zwerchfellresektion.

Die aktuelle Literatur zeigt keine Überlegenheit der EPP gegenüber der organerhaltenden Resektionstechnik der radikalen Pleurektomie. Da aber in beiden Gruppen aufgrund der zytoreduktiven Chirurgie das Tumorrezidiv auftritt, zeigt die radikale Pleurektomie funktionelle Vorteile und macht oft erst eine Second-line-Chemotherapie möglich.

Wegen des sicheren Tumorrezidivs wird nach Möglichkeiten gesucht, dieses mit neunen intraoperativen Strategien zu beherrschen. Zur Rezidivprophylaxe wird die intraoperative Chemotherapie bei der EPP und auch der radikalen Pleurektomie mit akzeptablen Morbiditäts- und Mortalitätsraten eingesetzt. Klinische und pharmakologische Studien müssen weitere Aufschlüsse über die Wirksamkeit dieses Verfahrens liefern. Ein HITHOC (hypertherme intrathorakale Chemotherapieperfusion) -Register könnte hierzu weitere Aufschlüsse liefern. Ebenso sollte im Vergleich zur intraoperativen Chemotherapie der Effekt der intraoperativen photodynamischen Therapie analysiert werden.

Der Chirurg kann alleine das maligne Pleuramesotheliom nicht erfolgreich therapieren. Er benötigt die Unterstützung von Pathologen, Onkologen und Strahlentherapeuten. Diese Interdisziplinarität konnte bei Patienten mit malignem Pleuramesotheliom das Überleben deutlich verbessern – zufriedenstellend sind die Ergebnisse allerdings noch nicht. Es gibt noch keine prospektive randomisierte Studie zur Erarbeitung evidenzbasierter Therapieleitlinien. Eine solche Fragestellung kann beim MPM lediglich im Stadium I die EPP und die radikale Pleurektomie miteinander vergleichen. Allerdings findet sich ein solch niedriges Tumorstadium selten.

In der onkologischen Chirurgie haben sich organerhaltende Operationen an Mamma, Niere, Kolon, an den Extremitäten und selbst am Ösophagus (intraluminale endoskopische Mukosaresektion) selbstverständlich etabliert. Voraussetzung hierfür, dass eine organerhaltende Operation auch in der Thoraxchirurgie stattfindet, ist allerdings, dass die Erfahrung und Philosophie des Chirurgen den prognostischen Wert des Parenchymerhalts in der Thoraxonkologie zu seinem wichtigsten Ziel macht.

Prof. Dr. Joachim Schirren