Weniger in der Fachpresse, dafür sehr intensiv in den für jeden Bürger zugänglichen Medien, ist die Organspende und insbesondere die Lebertransplantation seit längerer Zeit ein Thema, über das intensiv berichtet wird. Die Behandlungsmethode zur Therapie des terminalen Leberversagens ist klinisch etabliert und gilt bis heute als lebensrettende Maßnahme. Über die Jahre weltweit erhalten hat sich der extreme Mangel an Spenderorganen. Die Verwaltung dieses Mangels hat zur Entwicklung regional unterschiedlicher Allokationssysteme für die Vermittlung postmortaler Spenderorgane geführt. Grundprinzipien für die Organtransplantation nach deutschem Gesetz sollen die Versorgung nach Dringlichkeit, Erfolgsaussicht und Chancengleichheit sein. Jedem, der sich intensiver mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat, ist klar, dass der bestehende Spenderorganmangel eine gleichberechtigte Erfüllung dieser Prinzipien verhindert. So hat man sich für Deutschland in Analogie zum nordamerikanischen System auf die Allokation nach Dringlichkeit „sickest first“ geeinigt. Bei insgesamt geringer Spendenbereitschaft und im internationalen Vergleich hohem Anteil von Spenderorganen, die als grenzwertig einzustufen sind, war ein Absinken der Langzeitprognose nach Transplantation absehbar.

Die Allokation nach „sickest first“ hat auch Nachteile

Die Motivation, die Lebertransplantation 2013 als Leitthema in Der Chirurg aufzuarbeiten, war die Möglichkeit, die komplexe Behandlungsmethode umfassend darzustellen sowie die aktuellen Probleme und deren Lösungsansätze zu diskutieren. Auch hier ist einmal mehr Interdisziplinarität von Nutzen und wird mittlerweile vom Gesetzgeber regelhaft eingefordert.

Indikationen und Indikationsstellung werden von C.P. Strassburg diskutiert. Formal sollte über die Indikationsstellung bei Patienten mit Komplikationen ihrer Zirrhose nachgedacht werden. Prinzipielle Kontraindikationen werden vorgestellt und der große Komplex der relativen Kontraindikationen besprochen. Offen und sicher im Detail eine individuelle Entscheidung bleibt die Frage, wann ein Patient durch das Fortschreiten seiner terminalen Leberinsuffizienz nicht mehr für eine Transplantation geeignet ist. In Deutschland sind die großen Krankheitsgruppen die postethylische Zirrhose, die virusinduzierte Zirrhose und das hepatozelluläre Karzinom in einer Zirrhose. Daneben gibt es eine große Gruppe von Erkrankungen, die dringend oder elektiv eine Indikation zur Transplantation darstellen können. Wann und wie in Abhängigkeit von der Grunderkrankung und dem aktuellen Stadium des Organversagens die Listung nach dem derzeitig verwendeten MELD-System vorzunehmen ist, wird erörtert.

Seit 1967 gibt es Eurotransplant als zentral europäische Vermittlungsstelle, über die auch für deutsche Patienten postmortale Spenderorgane alloziert werden. A. Rahmel beschreibt den derzeit gültigen Modus der Allokation. Ziel ist die transparente Organvermittlung nach medizinischen und ethischen akzeptierten Regeln. Daneben weist er auf die aus aktuellem Anlass in der neuesten Revision der Allokationskriterien durch die Ständige Kommission Organtransplantation (STAEKO) nun im Transplantationsgesetz vorgeschriebene interdisziplinäre Transplantationskonferenz nach dem 6(+2)-Augen-Prinzip hin, die heute Listungsentscheidungen für die jeweiligen Transplantationszentren vornimmt.

Da bis heute valide Tests zur Beurteilung einer Spenderleber fehlen, kommt einerseits der Einschätzung der Organqualität durch den Entnahmechirurgen höchste Verantwortung zu. Außerdem hat man sich darauf geeinigt, die Organentnahme vom jeweils vor Ort tätigen Entnahmeteam durchzuführen. Dies setzt ein hohes Maß an Vertrauen an die Entnahmechirurgen voraus. Die durch eine deutsche Leitlinie standardisierte Leberentnahme wird durch A. Schnitzbauer dargestellt. Vor Beginn einer Organentnahme muss der verantwortliche Entnahmechirurg dabei gemeinsam mit dem Koordinator der Organentnahme die Hirntodprotokolle sowie die relevanten medizinischen Daten des Organspenders auf Vorliegen und Vollständigkeit überprüfen. Eine optimale Exposition durch Thorakotomie und Laparotomie kann Entnahmefehler reduzieren. Eine Dissektion im Kalten wird empfohlen. Das Ausspülen der Gallenwege zur Reperfusion ist essenziell zur Vermeidung autolytischer Gallenwegsschädigungen. Eine hilusferne Präparation des Ligamentum duodenale ist obligat. Die Kenntnis der anatomischen Varianten der arteriellen Leberversorgung ist für jeden Entnahmechirurgen essenziell. Die Dokumentation von Fehlern und anatomischen Besonderheiten, das Verpacken der Organe und der ordentliche Verschluss der Inzisionen gehört in den Verantwortungsbereich des leitenden Entnahmechirurgen.

Auch Patienten mit der Komplikation hepatozelluläres Karzinom in ihrer Zirrhose werden in großer Zahl transplantiert. M. Guba et al. diskutieren die verschiedenen Überbrückungstherapien und deren Sinn vor einer Transplantation. Dabei soll unter vielen möglichen das geeignete Verfahren individuell nach Tumorlast, Tumorlokalisation und dem Allgemeinzustand des Patienten am besten im interdisziplinären Dialog (Tumorboard) festgelegt werden. Die Therapie hat zum einen das Ziel, eine unkontrollierte Tumorprogression und somit ein Drop-out von der Warteliste zu vermeiden, und zum anderen, Patienten mit einer günstigen Tumorbiologie („Responder“) zu identifizieren. Die onkologische Wertigkeit aller neoadjuvanten Therapieansätze ist bis dato nur unzureichend geklärt. Die neoadjuvante Therapie ermöglicht es aber, die Tumorlast in den aufgrund der Allokationskriterien gegebenen formalen Grenzen über einen langen Zeitraum zu halten und macht erst so die erfolgreiche Transplantation des Patienten möglich. Ob die Therapie jedoch die Tumorbiologie oder das Metastasierungsverhalten über den Zeitraum der Therapie oder nach der Transplantation verändert, ist zweifelhaft. Entscheidend ist jedoch, dass der Patient den Zugang zur Lebertransplantation erhält. Mittlerweile hat sich allerdings auch herauskristallisiert, dass die momentan auf Tumorgröße und Tumoranzahl basierenden Milan-Kriterien für den individuellen Patienten keine klare Prognose zulassen. Das Ansprechen auf eine neoadjuvante Therapie kann indes als positiver Prognoseparameter gewertet werden. Es gibt eine Vielzahl von Studien die nahelegen, dass Tumoren die erfolgreich innerhalb der Milan-Kriterien zurückgedrängt werden können, eine ähnlich gute Prognose aufweisen wie Tumoren, die bei Diagnosestellung innerhalb der Milan-Kriterien lagen. Patienten mit Tumoren außerhalb der Milan-Kriterien erhalten, selbst bei gutem Ansprechen auf eine neoadjuvante Therapie (auch bei Rückbildung auf Milan-Kriterien), keine Zusatzpunkte und können momentan noch Organe aus der Rescue-Allokation erhalten oder sind auf eine Lebendspende angewiesen.

Zentrales Problem bei der Transplantation postmortaler Spenderlebern in Deutschland ist die Ergebnisqualität.

Wie D. Seehofer et al. erörtern ist die Einjahresüberlebensrate der eindeutigste Parameter zu dessen Abschätzung, da die meisten perioperativen Probleme innerhalb des ersten Jahres eintreten und sich aus der Gesamtsituation der Transplantation von „Schwerstkranken“ mit Spenderorganen mit einem hohen Risikoprofil ergeben. Die Einjahresmortalität liegt deutschlandweit seit Einführung der MELD-Allokation bei über 20%. Eine Analyse der aktuellen Situation zeigt deutlich, dass viele Lebertransplantationen heute zu einem ungünstigen Zeitpunkt für den Patienten erfolgen (wenn sein Gesamtzustand schlecht ist). Die aktuelle Situation wird zunächst mit historischen Phasen anderer Allokation anhand des Patientengutes der Charité verglichen und klar herausgearbeitet, dass die Ergebnisqualität in den Phasen vor der „MELD-Ära“ deutlich besser war. Für die Erfassung des aktuellen Status quo erfolgt dann die Analyse des „Ist-Zustands“ durch den Vergleich mit anderen postmortalen Programmen der USA und Großbritanniens. Dabei wird einerseits herausgearbeitet, dass im Vergleich zu den USA bei gleichem Allokationsmodus für Deutschland die Qualität der Spenderorgane bei weitem schlechter ist und die verfügbare Anzahl auch geringer. Bei etwa gleichem Spenderaufkommen und Spenderorganqualität werden im UK die Organe allerdings an ein Zentrum alloziert und die Zuteilung wird dann im Zentrum individuell nach Spender- und Empfängerfaktoren durchgeführt. Aus dieser „doppelten Negativauslese“ im Vergleich in Deutschland kann man die aktuelle Ergebnisqualität erklären. Es stellt sich nach der Analyse die Frage der Schlussfolgerungen. Eine ist, die an nationale Bedingungen angepasste Änderung der Allokationsregeln, die künftig das Kriterium der Erfolgsaussicht bzw. die optimale Verwendung der wenigen verfügbaren Organe einbezieht. Hier wird u. a. noch einmal auf den Wert der individuellen ärztlichen Entscheidung Bezug genommen.

Der letzte Beitrag des Themenheftes ist der Lebertransplantation mit Lebendspende gewidmet. In unserem Land, das über die über die Logistik und die Gesetzgebung eines Programms zur postmortalen Organspende verfügt, wird die Lebendspende immer nachrangig bleiben, da so für die Realisierung der Transplantation die Gesundheit des Verwandten nicht beschädigt werden muss. Der auch mit dem bestehenden Allokationssystem nicht zu lösende Mangel an Spenderorganen einerseits und die methodischen Fortschritte der Lebendspende andererseits, die die Spendersicherheit erhöhen und eine Ergebnisqualität für den Empfänger unabhängig von der Indikation und Alter darlegen, die mindestens der postmortalen Organspende gleichkommt, sind Argumente, auch in Deutschland über eine Profilierung dieser Methode neu nachzudenken. Die Novelle des deutschen Transplantationsgesetzes hilft dabei in Bezug auf versicherungsrechtliche Fragen des Spenders. Hier haben die Fachgesellschaften die Möglichkeit zur Initiative und sollten diese meines Erachtens auch ergreifen.

Alle Autoren dieser Beiträge haben sich intensiv bemüht, aktuelle und wichtige Teilfragen der Lebertransplantation umfassend und für Deutschland richtungsweisend zu erörtern. Wir hoffen, damit einerseits für die Leser dieser Zeitschrift den derzeitigen Wissenstand transportiert zu haben und andererseits vielleicht eine Fachdiskussion voranzutreiben, die im Sinne des Wohles unserer Patienten erfolgt.

Prof. Dr. U. Settmacher