Louis Francois Hollender verstarb am 13. Mai 2011 in seiner geliebten Heimatstadt Straßburg im Alter von 89 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit. Als jahrzehntelanger Freund, der seinen Lebensweg, sein privates Leben, seine Familie und sein beeindruckendes berufliches Leben immer wieder recht unmittelbar erleben konnte, der sein internationales Renommee, aber auch seine unverhohlene Freundschaft zur deutschen Chirurgie bewundert hat, möchte ich ihm einen gebührenden Nachruf widmen.

Am 15. Februar 1922 in Straßburg geboren, war sein Heranwachsen durch eine seit 1686 erwiesene elsässische Herkunft bestimmt. Prägend scheint seine Gymnasialzeit im bischöflichen Collège Episcopal Etienne in Straßburg gewesen zu sein. Wie Hollenders Tochter Laura feststellte, hat er, durchdrungen von den strikten Regeln des Ordens der Maristen-Schulbrüder, in jenen Jahren viele der ihm übermittelten Tugenden übernommen, wie einen ausgeprägten Sinn für klare Disziplin, Respekt gegenüber Autoritäten, moralische Strenge, große Anforderungen an sich selbst und auch an andere. Diese Tugenden sollten sein ganzes späteres Leben bestimmen.

Im Jahr 1939 schrieb sich Hollender an der Universität von Nancy im Fachbereich Naturwissenschaften ein. Die darauffolgenden Wirren des Krieges gingen auch an ihm und seiner Familie nicht spurlos vorüber. Nach der Annexion des Elsass durch das Dritte Reich zog er vor, Straßburg zu verlassen und erste Semester der Medizin an der Universität Freiburg zu absolvieren. Nur unter abenteuerlichen Bedingungen gelang ihm eine Rückkehr in das Elsass. Ab 1942 erfolgte eine Fortsetzung seines Studiums in Clermont, später im Rahmen der Ecole Militaire in Lyon mit dem Ziel einer Ausbildung zum Militärarzt. Die Kriegsereignisse führten ihn zur Teilnahme an den Kämpfen um die Befreiung von Paris.

Nach dem Staatsexamen und zurück in Straßburg gelangte er als Assistenzarzt an die Chirurgische Universitätsklinik B, wo er unter deren ärztlichem Direktor Professor Dr. Weiss seine chirurgische Weiterbildung absolvierte. Ihm blieb er zeitlebens in tiefer Zuneigung verbunden. Schon in dieser Phase seines chirurgischen Werdeganges weitete Hollender seine Kenntnisse durch mehrmonatige Aufenthalte bei Professor Price Thomas in London und Professor Clarence Craford in Stockholm aus, denen 1952 bis 1953 ein Fulbright-Reisestipendium nach USA als Fellow an die University of Washington folgte. Weiterführende Eindrücke boten sich ihm bei Professor Brunswig am Memorial Hospital in New York, bei den Professoren Sweet und Warren am Massachusetts General Hospital sowie Professor Moore am Peter Bent Brigham Hospital in Boston. Schließlich kam es zu einem zweimonatigen Aufenthalt bei Professor Dragstedt in Chicago mit Arbeiten in dessen Laboratorium für experimentelle Chirurgie. Aus dieser Zeit resultierte seine Bewunderung für die amerikanische Chirurgie.

Zurück in Straßburg legte Hollender seine Facharztprüfung ab. Parallel zu seinen Aktivitäten im Krankenhauswesen bereitete er seine akademische Karriere vor, die 1955 zu seiner Habilitation führte. 1970 wurde er Extraordinarius, 1971 Lehrstuhlinhaber für Allgemein- und Viszeralchirurgie, was er bis 1991 innehatte. Dabei war er Chefarzt der Universitätsklinik für Allgemeine und Digestive Chirurgie im Universitätskrankenhauszentrum von Straßburg.

Viele Schüler, darunter mehr als 30 Ausländer, hat er in dieser Zeit geprägt. Gleichzeitig entfaltete er eine beeindruckende Kontaktaufnahme zu zahlreichen ausländischen Universitäten. Daraus folgten viele Einladungen als Gastprofessor in europäische und insbesondere auch südamerikanische Länder. Seine Verbindungen beschränkten sich nicht nur auf Besuche und die Durchführung von Symposien, Fortbildungsveranstaltungen und Kongressen, sondern umfassten auch Aktivitäten in internationalen Gesellschaften. So war Hollender Gründer und Ehrenpräsident des International College of Digestive Surgery, Präsident der französischen Sektion des American College of Surgeons (ACS) und Ehrenmitglied des ACS sowie des Royal College of Surgeons, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und der Nationalakademien für Medizin in Argentinien und Brasilien. Er war zudem Gründungsmitglied und Ehrenpräsident der European Association of Trauma and Emergency und Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Seit 1976 Mitglied der Academie Nationale de Chirurgie, wurde er 1989 zu deren Präsidenten gewählt. Hervorgehoben sei seine Präsidentschaft im Collège National des Chirurgiens Français 1987, später als deren Ehrenpräsident.

Einen Ehrendoktor erhielt Hollender von den Universitäten in Athen, Aquila Rom und Cordoba. Zugleich wurde er zum Mitglied der Akademie von Athen benannt. Als besondere Auszeichnungen sollen der vom italienischen Staat verliehene Ferdinando-Palasciano-Orden, der Preis Gimbernat der königlichen Gesellschaft für Chirurgie Kataloniens, die Ehrenmedaille der Universität von Lima und die Aschoff-Medaille der Universität Freiburg erwähnt werden. Hollender war zudem Commandeur der Ehrenlegion und Komtur des Ordre des Palmes Académique (eine der höchsten Auszeichnungen der Republik Frankreich für Verdienste um das Bildungswesen).

Sein wissenschaftliches Werk umfasst mehr als tausend Veröffentlichungen, die vor allem die Chirurgie des Verdauungstraktes sowie zahlreiche Probleme der allgemeinen Chirurgie umfassten. Zahlreiche Arbeiten betrafen das Gastroduodenalgeschwür sowie die Magenchirurgie insgesamt, insbesondere dabei die verschiedenen Formen der Vagotomie, deren Wegbegleiter er in Frankreich gewesen ist. Er legte die chirurgische Behandlung von Hiatushernien fest, beschrieb dabei die verschiedenen Formen der Antirefluxoperationen, wobei er die Fundoplicatio nach Nissen in seinem Lande verbreitete. Andere Arbeiten beschäftigten sich mit dem Adhäsionsileus, der morbiden Adipositas, der Kolon- bzw. Rektumchirurgie sowie dem Vorgehen bei der schweren, generalisierten Peritonitis. Zahlreiche Werke betrafen die gesamte gastroenterologische Chirurgie. Ich selber habe mit ihm und anderen Koautoren eine seinerzeit neuartige „Chirurgische Gastroenterologie“ (Springer-Verlag, 1981) sowie eigene Erfahrungen in einem aktuellen Standardwerk über die „Pankreaschirurgie“ (Springer-Verlag, 1988) herausgegeben. Gerade die Arbeit an diesen gemeinsam erstellten Büchern stärkte unsere Verbundenheit, die sich durch private Treffen zur Freundschaft entwickelte.

Zudem hat Hollender verschiedene französische und ausländische Lehrbücher redigiert und an zahlreichen Fachzeitschriften mitgearbeitet, wie dem „World Journal of Surgery“ und der „Digestive Surgery“, deren Gründungsmitglied er war. Intensiv hat er sich auch mit der Geschichte der Chirurgie, insbesondere ihrer Entwicklung in seiner Heimatstadt befasst. So erschien ein prächtig ausgestattetes Buch über „Chirurgen und Chirurgie in Straßburg“ (2000).

Beachtlich war Hollenders berufsständisches und kommunalpolitisches Engagement. So wurde er 1981 zum korrespondierenden Mitglied der Academie de Medicine gewählt und 1983 zum vollen Mitglied, dem schließlich die Präsidentschaft zufiel. Dadurch war er bis in die letzten Jahre wöchentlich in Paris tätig. Es war ihm ein wichtiges Anliege, sich mit allgemeinen Problemen seines Berufes auseinander zu setzen. So organisierte er Treffen über die „Begleitung des Lebensendes“. Er ließ Untersuchungen über die „Unzufriedenheit mit den hospitalo-universitären Karieren“ und die Zukunft der Abteilungsleiter in allgemeinen Krankenhäusern untersuchen. Auch mit der „Zukunft der französischen Chirurgie“ befasste er sich. Diese engagierten Aktivitäten wurden 2003 durch die Wahl zum Präsidenten der Academie Nationale de Medicine belohnt.

Neben seinen universitären Verpflichtungen übernahm er eine Reihe administrativer Verantwortlichkeiten. So war er Mitglied verschiedener ministerieller Kommissionen, z. B. für die Organisation der ambulanten Chirurgie. Von 1964 bis 1970 war er Abgeordneter im Rat der Stadt Straßburg, sodann Mitglied der Verwaltungskommission der Universitätskliniken in Straßburg, Vizepräsident des lokalen Blutspendezentrums, Vizelandesvorsitzender des Roten Kreuzes sowie in ehrenamtlichen Funktionen bei zahlreichen Institutionen.

Bei dieser Schilderung kommt sein Privatleben mit seinen gesellschaftlichen, freundschaftlichen und familiären Auswirkungen zu kurz. Erwähnt werden sollte aber Hollenders wunderschöne Stadtvilla in Straßburg nahe der Universität mit ihren Gebäuden aus der vergangenen deutschen Zeit, in der er nach dem allzu frühen Tode seiner Frau Nicole zuletzt mit der Familie seiner Tochter Emanuelle wohnte. Die Sommermonate verbrachte er in dem von den Eltern geerbten Landsitz in St. Nabor unterhalb des berühmten Otilienbergs mit seinem sehenswerten Kloster und dem Wahrzeichen des Elsass, der legendären heiligen Otilie. Hier lebt jetzt seine zweite Tochter Laura, die als Ärztin in Mühlhausen tätig ist, mit ihrer Familie.

Ein Grandseigneur, ein weltbewanderter Chirurg, ein Vorbild an ethischer Haltung und Zuwendung den Patienten gegenüber, zudem ein Kollege mit großen beruflichen Erfahrungen und dabei kulturell bewundernswert gebildet sowie letztlich ein liebenswerter Freund ist mit Louis Francois Hollender von uns gegangen. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Abb. 1
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Prof. Dr. med. Dr. h.c. mult. Louis Francois Hollender (15.02.1922 bis 13.05.2011)