Perzeption der „natural orifice surgery“

Zusammenfassung

Hintergrund

Auf den Erfahrungen der laparoskopischen Chirurgie basierend und bei dem Bestreben, eine weitere Reduzierung des chirurgischen Traumas und der damit assoziierten Morbidität zu erzielen, wurde die Chirurgie über natürliche Körperöffnungen, die sog. „natural orifice surgery“ (NOS) eingeführt. Um die Sichtweise der Frauen und ihre Bereitschaft, diesen operativen Zugangsweg anzunehmen, zu erfassen, haben wir eine Umfrage unter weiblichen Mitarbeiterinnen in chirurgisch orientierten Abteilungen durchgeführt.

Material und Methoden

Ein Fragebogen mit 14 Items wurde unter 500 Mitarbeiterinnen des Pflege- und Ärztepersonals der Charité verteilt. Der Rücklauf von 118 Bögen erfolgte vollständig anonym. Die erhobenen Daten wurden mittels SPSS 16.0 ausgewertet.

Ergebnisse

In der Methodenwahl zur Entfernung der Eierstöcke wählten die Befragten in 55% der Fälle die transvaginale Operationstechnik und in 44% das laparoskopische Operationsverfahren. Lediglich 1% konnte sich den transgastrischen Zugangsweg vorstellen. Bei der Frage nach der operativen Methodenwahl zur Entfernung der Gallenblase entschieden sich dagegen lediglich 31% für das transvaginale Vorgehen und 61% für das laparoskopische Verfahren. Am häufigsten geäußerte Einwände gegen den transvaginalen Zugang waren die Angst vor postoperativen Sexualstörungen und Schwangerschaftsproblemen, wobei nur letzteres signifikant war. Häufigste Gründe für die Wahl eines NOS-Verfahrens sind der fehlende Wundschmerz und die fehlende Narbe.

Schlussfolgerung

Der traditionelle und überschaubare transvaginale Zugang wird unter Sicherheitsgesichtspunkten zurzeit favorisiert. Damit assoziierte Ängste und Barrieren sind anhand der Datenlage ungerechtfertigt. Es ist deshalb eine unserer Hauptaufgaben, diese Bedenken durch entsprechende interdisziplinäre, professionelle und evidenzbasierte Aufklärung zu überwinden, um eine bessere Akzeptanz von NOS zu erreichen.

Abstract

Background

Natural orifice surgery (NOS) is now being elaborated with the aim to make abdominal surgery simpler and safer. In order to obtain women’s perception of NOS and their willingness to consent to this type of approach a survey was conducted among female employees from surgical disciplines at the University Hospital Charité Berlin.

Material and methods

A written description and information on minimally invasive surgery and the NOS concept were distributed among 500 female physicians and nursing staff along with a 14-item questionnaire. Of the staff members 118 participants completed the questionnaire anonymously. Data analysis was carried out using SPSS 16.0.

Results

With regard to ovarectomy 55% of women surveyed indicated that they would prefer a transvaginal approach to standard laparoscopy (44%) or a transgastric approach (1%). When asked about preferred access for cholecystectomy only 31% would prefer the transvaginal method compared to 61% for the laparoscopic technique. Objections against the transvaginal access concerned the impact on a healthy sexual life and effects on fertility. Reasons for choosing NOS were no wound pain and no scar.

Conclusion

This survey shows that among the surveyed female medical employees the transvaginal approach is associated with concerns and fears but these are not justifiable, as the transvaginal access has been used for more than 100 years for gynecological purposes. There is a strong need for outcome data to enlighten female patients and to help guide physicians when talking to patients regarding NOS and the transvaginal approach.

 

Tab. 1 Fragebogen zur „natural orifice surgery“ (kreisen Sie bitte die richtige Antwort ein)

Infobox 1 Aufklärungsbogen

Begriffserläuterung

Laparotomie (=Bauchschnitt), auch offene Chirurgie genannt, bezeichnet das Öffnen der Bauchhöhle zur Durchführung eines chirurgischen Eingriffs an den inneren Organen. Die Bauchdecke wird durch einen Schnitt von mindestens 5 cm Länge geöffnet.

Laparoskopie, auch Bauchspiegelung, minimal-invasive oder Schlüsselloch-Chirurgie genannt, bezeichnet eine Methode, bei der die Bauchhöhle und die darin liegenden Organe mit speziellen starren Instrumenten durch kleinere Schnitte in der Bauchdecke (meist 5–20 mm) sichtbar gemacht und operiert werden.

„Natural orifice surgery“ (NOS), auch „natural orifice transluminal endoscopic surgery“ (NOTES) genannt, handelt von einem Verfahren, das eine Weiterentwicklung der laparoskopischen Chirurgie darstellt. NOS verändert die Technik dahin, dass die Instrumente durch natürliche Körperöffnungen, wie Mund, After oder Scheide eingeführt werden. Über einen kleinen Einschnitt in Magen, Darm oder Scheide kann der Arzt das eigentliche Operationsgebiet, beispielsweise die Gallenblase erreichen. Nach erfolgter Operation wird der Einschnitt mit Naht oder Klammern wieder verschlossen. Da Magen, Darm oder Scheide über deutlich weniger Schmerzrezeptoren als die Bauchdecke verfügen, kann mit weniger Betäubungsmittel (Anästhetika) gearbeitet werden, und die Erholungszeit ist noch kürzer.

Hintergrund

Nach der Ära der Laparotomie im 19. Jahrhundert, war das 20. Jahrhundert durch den Aufstieg und die Etablierung der laparoskopischen Chirurgie gekennzeichnet. Als Nutzen für den laparoskopisch operierten Patienten stehen im Vergleich zur Laparotomie die Vorteile der postoperativen Phase, wie weniger Schmerz, verkürzter Krankenhausaufenthalt, günstiges kosmetisches Ergebnis sowie verringerte Inzidenz von Narbenhernien. Doch, es stellt sich die Frage, ob die Chirurgie noch schonender und effizienter werden kann? Der nächste logische Schritt nach der Laparoskopie, wird vermutlich die Chirurgie über natürliche Körperöffnungen sein („natural orifice surgery“, NOS). Der Einstieg in die Bauchhöhle findet dann über einen kleinen Einschnitt in Magen, Darm oder Scheide statt.

Durch den weitestgehenden Wegfall der Bauchschnitte rechnen wir mit einer weiteren Reduzierung des chirurgischen Traumata im Vergleich zur Laparoskopie. Keine Bauchschnitte bedeuten keine Bauchdeckenschmerzen und deutlich geringeres Risiko für Infektionen und Hernien. Die Patientin kann dadurch noch früher nach Hause entlassen werden und ihre Arbeit wieder aufnehmen. Darüber hinaus entstehen keine sichtbaren Narben an der Körperoberfläche. Aus diesen Gründen ist NOS gerade in Südamerika derzeit sehr populär.

NOS ist noch in der Entwicklungsphase, wird aber in vielen Krankenhäusern weltweit, so auch in Deutschland durchgeführt. Bei den bisher erfolgten NOS-Eingriffen handelte es sich in fast allen Fällen um die Entfernung von Gallenblase und Blinddarm. Hierbei fand der Einstieg in die Bauchhöhle mehrheitlich über die Scheide (transvaginal) und viel seltener über den Magen (transgastrisch) statt.

Transgastrischer Zugang

Das Endoskop wird zunächst wie bei einer Magenspiegelung über den Mund in den Magen eingeführt. Dort erfolgt an einer bestimmten Stelle der Magenwand ein ca. 3 cm langer Schnitt, sog. Gastrotomie, durch die das Instrument in die Bauchhöhle eingeführt wird, um den operativen Eingriff durchzuführen. Die Gallenblase wird dann durch den Mund entfernt.

Trotz der bisher erzielten positiven Ergebnisse und nachgewiesenen Machbarkeit sind beim transgastrischen Zugang einige Fragen nach wie vor ungelöst. Diese betreffen u. a. das verwendete Instrumentarium, die Versorgung der Gastrotomie. Bis heute konnte weltweit bei ca. 30 Patienten die Gallenblase transgastrisch erfolgreich entfernt werden.

Transvaginaler Zugang

Beim transvaginalen Zugang können wir auf über 100 Jahre klinisch-gynäkologischer Erfahrungen zurückblicken, sodass dieser Zugang für gynäkologische Eingriffe sowohl von Ärzten als auch Patientinnen selbst weitestgehend akzeptiert wird. Der Einstieg in die Bauchhöhle erfolgt unter Sicht über einen ca. 20 mm kleinen Schnitt im hinteren Scheidengewölbe, sog. posteriore Kolpotomie. Der Verschluss der Kolpotomie ist sicher, denn dieser erfolgt ebenfalls unter Sicht. Die Inzisionsstelle verheilt ohne Narbe (Vaginalwand) und ohne funktionelle Nachteile. Wir wissen anhand tausender von Patientinnen, die sich im Laufe von Jahrzehnten transvaginal gynäkologischen Operationen unterzogen, dass postoperative Infektionen in der Bauchhöhle und funktionelle Störungen sehr selten auftreten. Das ist der Grund, weshalb der transvaginale Zugang für die Entfernung der Gallenblase derzeit bevorzugt wird. Bis heute konnte weltweit bei ca. 400 Patientinnen die Gallenblase transvaginal erfolgreich entfernt werden.