Zusammenfassung
Hintergrund
Der Übergang von der Schule in das Berufsleben ist für Jugendliche und junge Erwachsene ein bedeutsames Ereignis. Nicht selten treten in diesem Übergangsgeschehen Ängste oder Überforderungen auf. Vor diesem Hintergrund betrachtet der vorliegende Beitrag das subjektive Stressempfinden von Auszubildenden unter besonderer Berücksichtigung des Geschlechts und unterschiedlicher Berufssettings.
Methoden
Befragt wurden 1209 Berufsschülerinnen und Berufsschüler an 7 bayerischen Berufsschulen. Erfragt wurden das Stresserleben, Copingstrategien, psychische und körperliche Beschwerden sowie berufliche Belastungen. Zusammenhänge zwischen demografischen Merkmalen, beruflichen Settings und dem Stresserleben wurden bi- und multivariat untersucht.
Ergebnisse
Weibliche Auszubildende berichten höhere Stresslevel und neigen eher zu emotionsregulierenden Stressbewältigungsstrategien. Männer versuchen häufiger, Stress durch Alkohol und Drogen zu kompensieren. Unterschiede in der Stressbelastung zwischen Berufsgruppen finden sich nur bei bivariater Betrachtung. In den multivariaten Auswertungen bleibt der Geschlechtseffekt hochsignifikant. Negative berufliche Anforderungen und maladaptive Copingstrategien fördern das Stresserleben signifikant.
Diskussion
Die Ergebnisse legen nahe, dass ein nicht unwesentlicher Anteil der Befragten die Ausbildungsbedingungen als belastend empfindet, gesundheitlichen Risiken ausgesetzt ist und inadäquat auf Stress regiert. Die Etablierung zusätzlicher Präventionsangebote sowohl im Ausbildungsbetrieb als auch in der Berufsschule wäre wünschenswert.
Abstract
Background
The transition from school to professional life is a significant event for adolescents and young adults. It is not uncommon for fears or feelings of being overwhelmed to arise during this transitional period. Against this backdrop, the article examines the subjective stress experiences of trainees, with special consideration given to gender and various occupational settings.
Methods
From seven Bavarian vocational schools, 1209 students were surveyed. Stress experiences, coping strategies, psychological and physical complaints, as well as occupational burdens were assessed. Relationships between demographic characteristics, professional settings, and stress experiences were investigated through bivariate and multivariate analyses.
Results
Female students report higher levels of stress and are more likely to use emotion-regulating stress coping strategies. Men more frequently attempt to compensate for stress through alcohol and drugs. Differences in stress burden between occupational groups are only evident in bivariate analysis. In multivariate analyses, the gender effect remains highly significant. Negative occupational demands and maladaptive coping strategies significantly promote the experience of stress.
Discussion
The results suggest that a significant proportion of respondents perceive the training conditions as burdensome, are exposed to health risks, and respond inadequately to stress. The establishment of additional prevention programs in both the training company and in vocational school would be desirable.
Notes
Weitere Informationen zur Präventionsinitiative unter https://www.stark-bayern.de, zugegriffen 17.10.2023.
Am 14.06.2017 wurde das Vorhaben unter dem Aktenzeichen X.7-BO9106/80/8 durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus unter Auflagen genehmigt.
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Förderung
Die Erhebung sowie die Entwicklung des Programms zur Stärkung der Resilienz und Stresskompetenz an Berufsschulen in Bayern wurde durch die Techniker Krankenkasse (Hamburg) finanziert.
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Wiegel, C. Berufsbelastung und Stressbewältigung von weiblichen und männlichen Auszubildenden. Bundesgesundheitsbl 67, 419–428 (2024). https://doi.org/10.1007/s00103-024-03857-x
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