Einleitung

Eine sich verändernde Krankheitslast, demografischer Wandel und soziale Ungleichheit in der Gesundheit sind in Deutschland und weltweit zentrale Herausforderungen für Public Health, die Gesundheitssysteme und die Gesellschaft. Valide Gesundheitsinformationen spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Strategien und Konzepten, um auf diese Herausforderungen zu reagieren und die Gesundheit jeder Alters- und Bevölkerungsgruppe zu verbessern. Gesundheitsberichterstattung (GBE) als Element von Public Health ist dabei das zentrale Instrument für die Bereitstellung von gesundheitsrelevanten Informationen. Sie ist als flexibles System angelegt, das sich kontinuierlich weiterentwickelt und auf neue Entwicklungen reagiert.

Gesundheitsberichterstattung findet auf den Ebenen der Kommunen, der Länder und des Bundes statt, die eng miteinander zusammenarbeiten (siehe auch Beitrag von Rosenkötter et al. in diesem Themenheft). Der vorliegende Artikel hat das Ziel, wichtige derzeitige und künftige Aktivitäten im Bereich der Gesundheitsberichterstattung des Bundes zu beschreiben. Nach einer kurzen Darstellung zu Definition und Aufgaben der Bundes-GBE, gemeinsam durchgeführt vom Robert Koch-Institut und dem Statistischen Bundesamt (Destatis), werden ausgewählte wichtige Komponenten der Gesundheitsberichterstattung dargestellt. Im dritten Abschnitt skizzieren wir die Planungen, wie wir diese Komponenten weiterentwickeln wollen. Die Weiterentwicklung der Gesundheitsberichterstattung ist eine kontinuierliche Aufgabe und wird in enger Zusammenarbeit mit den Akteurinnen und Akteuren in Public Health, der Gesundheitspolitik und anderen Gesellschaftsbereichen realisiert.

Was macht die Gesundheitsberichterstattung?

Definition von Gesundheitsberichterstattung und Konzept

Gesundheitsberichterstattung ist ein elementarer Bestandteil von Public Health. Der aktuellen Definition der „Guten Praxis Gesundheitsberichterstattung“ zufolge bietet sie „eine interpretierende Beschreibung der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung, analysiert Problemlagen und weist auf eventuelle Handlungsbedarfe hin“ [1]. Datengrundlage sind verfügbare wissenschaftliche Informationen, häufig epidemiologisch relevante Studien und Statistiken [2]. Neben der Epidemiologie als wichtigster methodisch-wissenschaftlicher Grundlage sind weitere Fachdisziplinen wie Sozialwissenschaften, Medizin, Sozialmedizin und medizinische Soziologie, Gesundheitsökonomie sowie Versorgungsforschung für die Gesundheitsberichterstattung relevant [1].

Die jüngere Geschichte der Gesundheitsberichterstattung auf Bundesebene (zur weiter zurückliegenden Vergangenheit siehe z. B. [3]) beginnt im Jahr 1971 mit einem Gesundheitsbericht, unter der sozialliberalen Koalition [4]; dieser blieb jedoch ein Einzelwerk. In der DDR wurde 1980 ein Forschungsprojekt zur „Beurteilung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung“ ins Leben gerufen, daneben gab es weitere Projekte zu speziellen Gesundheitsproblemen [5]. 1987 stellte der „Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen“ in seinem Jahresgutachten einen Mangel an Gesundheitsdaten, Analysen und Bewertungen fest und forderte den Aufbau einer Gesundheitsberichterstattung [6]. Unter Federführung des Statistischen Bundesamtes erschien 1998 ein Gesundheitsbericht für Deutschland als eine zentrale Veröffentlichung einer kontinuierlichen Gesundheitsberichterstattung auf Bundesebene [7]. Mit dem Übergang in die Routine übernahm das Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt die Durchführung der Gesundheitsberichterstattung des Bundes [8].

Gesundheitsberichterstattung erfüllt vielfältige Aufgaben: Unter anderem hat sie eine Informations‑, Orientierungs‑, Kontroll- und Evaluationsfunktion. Diese Funktionen lassen sich 2 von Kuhn [9] postulierten Basiskonzepten zuordnen, welche gemeinsam die Grundlage der Gesundheitsberichterstattung bilden. Das erste Konzept begreift Gesundheitsberichterstattung primär als datenbasierte Beschreibung (Monitoring) der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung und als Grundlage einer evidenzbasierten Gesundheitsplanung. Im zweiten Konzept wird Gesundheitsberichterstattung in den Kontext zivilgesellschaftlicher Ziele wie Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung gestellt und damit der Aspekt des Berichtens (Reporting) hervorgehoben. Durch Information der Bürgerinnen und Bürger unterstützt sie den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung und erleichtert die Möglichkeit der politischen Mitgestaltung. Sie ermutigt Menschen, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern, ist also eine Form von Empowerment [9]. Gesundheitsberichterstattung ist damit in doppeltem Sinne handlungsorientiert: als Voraussetzung für eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik („Daten für Taten“) und als Initiation und Gegenstand öffentlicher Diskurse (gewissermaßen „Daten als Taten“).

Die Handlungsorientierung der Gesundheitsberichterstattung kann auch anhand des Public Health Action Cycle veranschaulicht werden: Mithilfe der Gesundheitsberichterstattung können Handlungsbedarfe identifiziert und konkretisiert, Handlungsoptionen und deren Effekte abgeschätzt, die Implementierung von Maßnahmen unterstützt und Evaluationen durchgeführt werden [3]. Die Vorstellung, Gesundheitsberichte könnten direkt politische Steuerungswirkung entfalten, erscheint allerdings zu einfach [9, 10]. Auch wenn man davon absieht, dass die direkte Ableitung von Handlungsempfehlungen aus Daten häufig nicht möglich ist (sogenannter Sein-Sollens-Fehlschluss): Politische Entscheidungen werden nicht allein nach Datenlage gefällt, sondern stellen immer auch einen Ausgleich zwischen Interessen dar, bei dem Aspekte anderer Politikfelder berücksichtigt werden müssen. Neuere Untersuchungen fragen nach den Bedingungen, unter denen ein erfolgreicher Wissenstransfer in die Politik gelingen kann, und verstehen den Weg von Wissen in die Politik nicht als linearen Prozess, sondern als wechselseitige Aushandlung zwischen Wissenschaft, Gesundheitssystem, Politik und Zivilgesellschaft [11]. Gesundheitsinformationen werden in diesem Sinne praxisrelevant, indem sie eine Informationsgrundlage in diesem Austausch darstellen und mögliche Handlungsoptionen aufzeigen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Politik nicht nur Adressatin, sondern häufig auch Auftraggeberin der Gesundheitsberichterstattung ist. Dies impliziert, dass Gesundheitsberichterstattung als Vertreterin staatlicher Institutionen Rechenschaft über staatliches Handeln ablegt, indem sie Daten und Informationen, die in staatlichem Auftrag zusammengetragen wurden, der Öffentlichkeit verfügbar macht [9].

Wo stehen wir?

Themen der Gesundheitsberichterstattung

Die public-health-relevanten Indikatoren, die in den Publikationen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes und insbesondere in den Beiträgen im Journal of Health Monitoring, dem zentralen Publikationsformat, berichtet werden, spiegeln die Themen des Modells von Lalonde [12] zu den Einflussfaktoren von Gesundheit wider (Abb. 1). Die Auswahl der Berichtsthemen erfolgt nach Public-Health-Relevanz, Aktualität und Relevanz für die Politik. Das Themenspektrum der Gesundheitsberichterstattung ist vielfältig und reicht von Krankheiten, Beschwerden und Risikofaktoren über die subjektive Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität bis hin zur Inanspruchnahme von Präventions- und Versorgungsangeboten sowie zu den Strukturen und Kosten des Gesundheitswesens [2].

Abb. 1
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Gesundheit und ihre Einflussfaktoren. (Modifiziert nach Lalonde [12])

Die Themenbereiche des Lalonde-Modells wurden für die Themenplanung der Gesundheitsberichterstattung mit Blick auf die Public-Health-Themen, zu denen das Robert Koch-Institut laut seinem gesetzlichen Auftrag arbeitet, weiter ausdifferenziert. Anhand des Themas Gesundheitsverhalten lässt sich das verdeutlichen: Der große Bereich Gesundheitsverhalten kann zunächst unterteilt werden in gesundheitsrelevante Verhaltensweisen (z. B. Rauchverhalten), krankheitsnahe Risikofaktoren (z. B. Bluthochdruck) und Schutzfaktoren (z. B. Selbstwirksamkeit, die Überzeugung, Anforderungen selbst gut bewältigen zu können).

Datenquellen der Gesundheitsberichterstattung

An die Datengrundlagen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes werden hohe Anforderungen gestellt. Sie sollten bevölkerungsrepräsentativ, müssen gültig und verlässlich sein und kontinuierlich erhoben werden, um zeitliche Entwicklungen und Trends abzubilden [2]. Sie sollten Betrachtungen nach gesellschaftlichen Gruppen ermöglichen, um spezifische Problemlagen mit besonderen gesundheitlichen Bedarfen aufzeigen zu können. In den letzten 30 Jahren hat sich die Datenlage für die Gesundheitsberichterstattung des Bundes erheblich verbessert, wenngleich zu einzelnen Themenbereichen immer noch Defizite bestehen. Es fehlen nach wie vor Daten für differenzierte Analysen – zum Beispiel zum Einfluss migrationsspezifischer Faktoren. Aus der Vielzahl der Datenquellen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes werden im Folgenden die wichtigsten und häufig genutzten kurz aufgeführt.

Eine zentrale Datengrundlage der Gesundheitsberichterstattung sind die Daten des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut [13]. Die Monitoringstudien KiGGS (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland), DEGS (Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland)/gern (Gesundheits- und Ernährungsstudie in Deutschland) und GEDA (Gesundheit in Deutschland aktuell) werden in regelmäßigen Abständen durchgeführt und decken ein großes Themenspektrum ab. Neben Prävalenzschätzungen sind auch Analysen zu Zusammenhängen zwischen Gesundheitsoutcomes und zahlreichen Einflussfaktoren möglich. Viele Teilnehmende werden mehrmals befragt. Zum Beispiel aus der KiGGS-Kohorte lassen sich so wertvolle Informationen über Entwicklungen der Gesundheit im Lebensverlauf ableiten. In den letzten Jahren wurde verstärkt daran gearbeitet, die Diversität der Gesellschaft auch im Gesundheitsmonitoring besser abzubilden. So gibt es bei der zur Zeit vorbereiteten deutschlandweiten Gesundheits- und Ernährungsstudie in Deutschland (gern-Studie; [14]) ergänzende Studien zur Einbindung von älteren und hochaltrigen Menschen [15] sowie von Menschen mit Migrationshintergrund [16].

Weitere wesentliche Grundlagen der Gesundheitsberichterstattung sind amtliche Statistiken, wie beispielsweise der Mikrozensus, die Krankenhausstatistik und die Todesursachenstatistik. Daten aus sozialwissenschaftlichen Erhebungen wie dem Sozio-oekonomischen Panel oder dem Deutschen Alterssurvey werden ebenfalls genutzt. Auch epidemiologische Studien spielen eine Rolle, z. B. der Epidemiologische Suchtsurvey oder die Nationale Verzehrsstudie. Registerdaten werden verwendet, um beispielsweise die Verbreitung von Krebserkrankungen zu beschreiben. Die in den Bundesländern in den epidemiologischen Krebsregistern erhobenen Daten werden im Zentrum für Krebsregisterdaten am Robert Koch-Institut zusammengeführt und ausgewertet. Ebenfalls werden Meldedaten nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) und Daten aus Sentinel-Erhebungen oder dem freiwilligen Aidsfallregister gesammelt. Daten, die routinemäßig, etwa zu Abrechnungszwecken z. B. von der gesetzlichen Krankenversicherung, erhoben werden, sind ebenfalls häufig genutzte Datenquellen [17]. Daten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, z. B. der Schuleingangsuntersuchungen, sowie regelmäßig auf europäischer Ebene erhobene Daten sind weitere wichtige Quellen (Abb. 2).

Abb. 2
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Datenquellen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes

Das Statistische Bundesamt stellt mit dem „Informationssystem der Gesundheitsberichterstattung des Bundes“ die zentrale Onlinedatenbank (IS-GBE, www.gbe-bund.de) mit Informationen aus über 100 Datenquellen zur Verfügung. Viele Tabellen sind entsprechend der eigenen Fragestellung modifizierbar, auch Grafiken können erstellt werden. Das Angebot wird fortlaufend ergänzt und aktualisiert, worüber ein Newsletter informiert, den interessierte Nutzerinnen und Nutzer über das Statistische Bundesamt beziehen können.

Nutzerinnen und Nutzer der Gesundheitsberichterstattung

Die Gesundheitsberichterstattung des Bundes stellt ihre Informationen für ein breites Spektrum von Nutzerinnen und Nutzern bereit (Abb. 3). Ein zentraler Adressat ist die Gesundheitspolitik. Die Gesundheitsberichterstattung ist an der Vorbereitung und Planung von Handlungsstrategien, Maßnahmen und Programmen beteiligt, wodurch sie zu einer evidenzbasierten Politikausrichtung beiträgt. Neben der Nutzung von Veröffentlichungen der Gesundheitsberichterstattung stellen die Bundesregierung, Ministerien und andere politische Entscheidungsträger Anfragen an die Gesundheitsberichterstattung, um gezielt Informationen für bestimmte Entscheidungen und Prozesse einzuholen [2, 3].

Abb. 3
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Nutzerinnen und Nutzer der Gesundheitsberichterstattung (GBE)

Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bietet die Gesundheitsberichterstattung Basisinformationen und Referenzen für die epidemiologische und die Public-Health-Forschung. Eine große Nutzergruppe sind Studierende und Lehrende in vielen Fachrichtungen mit Bezug zu Public Health. Angesprochen wird außerdem die Fachöffentlichkeit im weiteren Sinne, wie Akteure im Gesundheitswesen: Ärztinnen und Ärzte, Angehörige anderer Gesundheitsberufe, Gesundheitsämter, Krankenkassen, Wohlfahrtsverbände, Selbsthilfeorganisationen und andere gesellschaftliche Gruppen, die für ihre Arbeit aktuelle Daten und Informationen zur Gesundheit benötigen. Journalistinnen und Journalisten, die sich für Beiträge zu gesundheitsbezogenen Themen auf wissenschaftliche Fakten stützen möchten, sind eine weitere Zielgruppe. Nicht zuletzt wird durch die Gesundheitsberichterstattung den Bürgerinnen und Bürgern ein einfacher und direkter Zugang zu wissenschaftlich fundierten Gesundheitsinformationen eröffnet [2, 3].

Publikationsformate der Gesundheitsberichterstattung

Die bestehenden Informationsbedarfe kann die Gesundheitsberichterstattung nur dann gut erfüllen, wenn sie ihre Kommunikationsformen kontinuierlich überprüft und an neue Rahmenbedingungen anpasst. Seit dem Erscheinen des ersten Gesundheitsberichts für Deutschland [7] im Jahr 1998 haben sich die Kommunikationsformen stetig weiterentwickelt. Die traditionellen Printformate waren lange Zeit Themenhefte, GBE-Beiträge, Schwerpunktberichte, GBE kompakt und Faktenblätter [2, 18]. In den letzten Jahren wurde ein deutlicher Anstieg der Nachfrage bei den elektronischen Formaten und Rückgang bei den Printprodukten beobachtet und eine nur geringe internationale Sichtbarkeit der Gesundheitsberichterstattung festgestellt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Gesundheitsberichterstattung des Bundes Ende 2016 mit der Fachzeitschrift Journal of Health Monitoring (JoHM) neu aufgestellt [18].

Das Konzept für das Journal of Health Monitoring wurde nach internationalen Vorbildern entwickelt, u. a. nach den Health Reports der Health Analysis Division von Statistics Canada. Das GBE-Journal wird frei zugänglich (Open Access) und ausschließlich online angeboten. Alle Beiträge erscheinen gleichzeitig auf Deutsch und Englisch. Für alle Beiträge gibt es ein externes Peer-Review und die Zeitschrift besitzt eine Publikationsethik. Das Layout des Journals wurde für die Lesbarkeit auf mobilen Endgeräten optimiert und alle Artikel werden barrierearm angeboten. Zum Publikationsspektrum der Gesundheitsberichterstattung zählen weiterhin die in größeren zeitlichen Abständen publizierten Berichte, wie Gesundheit in Deutschland [7, 19, 20], und umfangreiche Berichte zu spezifischen Themen, wie zur Gesundheit von Frauen [21].

Im Bereich Social Media nutzt die Gesundheitsberichterstattung seit 2013 den Twitter-Account des Robert Koch-Instituts mit über 220.000 Followern (Stand April 2020). Getwittert werden neben vielen anderen Inhalten die aktuellen Ausgaben des Journal of Health Monitoring. Im Durchschnitt greifen ca. 5000 Nutzerinnen und Nutzer auf die einzelnen Ausgaben des Journal of Health Monitoring zurück, bei ausgewählten Themen werden bis zu 18.000 Zugriffe pro Ausgabe gezählt. Die Zugriffe stehen auch im Zusammenhang mit dem Medienecho der Artikel. Aus diesem Grund wird jede Ausgabe des Journal of Health Monitoring von intensiver Öffentlichkeitsarbeit begleitet. Ein gelungenes Pilotprojekt der Gesundheitsberichterstattung für eine verstärkt digitale Präsentation ist die Berichterstattung zum Thema Diabetes (siehe Beitrag von Reitzle et al. in diesem Themenheft).

Wirkungen der Gesundheitsberichterstattung

Die zentralen Aufgaben der Gesundheitsberichterstattung im Public Health Action Cycle sind die Formulierung von Handlungsbedarfen und die Evaluation von Public-Health-Maßnahmen. Wirkungen der Gesundheitsberichterstattung zeigen sich, wenn aufgrund von Daten oder Berichten Maßnahmen initiiert oder weiterentwickelt werden.

Eine wichtige Verknüpfung besteht zwischen der Gesundheitsberichterstattung und dem Kooperationsverbund „gesundheitsziele.de“, der die nationalen Gesundheitsziele als Empfehlung an die Politik und andere Akteure entwickelt [22]. Die Expertise der Gesundheitsberichterstattung wird sowohl bei der Beschlussfassung über die Initiierung neuer Gesundheitsziele als auch im Erarbeitungsprozess der Ziele (z. B. Gesundheitsziele „Gesund älter werden“ und „Gesundheit rund um die Geburt“ [23]) herangezogen. Die Daten können darüber hinaus zum Monitoring der Zielerreichung genutzt werden, z. B. bei den Gesundheitszielen „Gesund aufwachsen“ [24] und „Depressive Erkrankungen: verhindern, früh erkennen, nachhaltig behandeln“. Am Beispiel des Gesundheitsziels „Tabakkonsum reduzieren“ lässt sich zeigen, dass die Wirkung der dort empfohlenen Maßnahmen wie Tabaksteuererhöhung und Schutz vor Passivrauchen auch mit Daten der Gesundheitsberichterstattung nachgezeichnet werden kann [20, 25, 26].

Auch außerhalb der Gesundheitsziele leistet die Gesundheitsberichterstattung einen wichtigen Beitrag zur Konzeptentwicklung und Wirkungsanalyse von Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung. So stützt sich der Nationale Aktionsplan „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ auf die im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung veröffentlichten Erkenntnisse aus den Monitoringstudien KiGGS und DEGS [27] und der erste Präventionsbericht der Nationalen Präventionskonferenz enthält einen Teil zur Gesundheitsberichterstattung, in dem die Präventionsbedarfe und -potenziale mit Daten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes beschrieben werden. Nicht zuletzt kann auch die Initiierung der Diabetes-Surveillance (siehe Beitrag von Reitzle et al. in diesem Themenheft) als Beispiel für die Wirkung der Gesundheitsberichterstattung angeführt werden: Zu den als besonders wichtig wahrgenommenen Ergebnissen des Berichts „Gesundheit in Deutschland“ gehörte die angestiegene Zahl der Diabeteserkrankungen, die es erforderlich machte, das Krankheitsgeschehen genauer zu überwachen und daraus Ansatzpunkte für die Versorgungsgestaltung zu entwickeln [28].

Wo wollen wir hin?

Themen der Gesundheitsberichterstattung

Die Themenplanung soll stärker als bisher auf Input der Nutzerinnen und Nutzer der Gesundheitsberichterstattung ausgerichtet werden. Ein wichtiger Impulsgeber ist dabei naturgemäß die Gesundheitspolitik, die spezifische Informationsbedarfe hat und diese an die Gesundheitsberichterstattung formuliert. Weiterer Input zur Themenplanung kommt aus der Zufriedenheitsbefragung (siehe Abschnitt „Nutzerinnen und Nutzer der Gesundheitsberichterstattung“) und nicht zuletzt vom Editorial Board. Das beratende Gremium des Journal of Health Monitoring hat hier eine „Themen-Scouting-Funktion“, und neue Impulse aus den Arbeits- und Forschungsfeldern der Mitglieder werden in die Themenplanung integriert. Auch das Gesundheitsmonitoring setzt mit seinen Befragungs- und Untersuchungssurveys Themen für die Gesundheitsberichterstattung, die z. B. zu Leitthemen der Journalausgaben werden. Anders herum befruchtet die Gesundheitsberichterstattung das Monitoring thematisch, beispielsweise wenn aus einem Projekt zur Weiterentwicklung der geschlechtersensiblen Berichterstattung neue Impulse für eine geschlechtersensible Datenerhebung erwachsen [29]. Zusätzlich wird aktuell die stärkere Einbindung von Akteuren der Zivilgesellschaft in die Gesundheitsberichterstattung erprobt. Sie können wertvolle Informationen darüber liefern, welche Gesundheitsthemen für bestimmte Bevölkerungsgruppen relevant sind. Als Beispiel dafür, dass Themenplanung und Themensetzung ein bidirektionaler Prozess sind, wird dies derzeit in einem Projekt zum Thema Geschlecht und Gesundheit erprobt (siehe auch „Abschnitt Nutzerinnen und Nutzer der Gesundheitsberichterstattung“).

Datenquellen der Gesundheitsberichterstattung

In den vergangenen Jahren haben sich die Nutzungsmöglichkeiten gesundheitsbezogener Daten für die Gesundheitsberichterstattung stark erweitert. Dabei ist zuerst die bessere Verfügbarkeit von Abrechnungsdaten des Gesundheitswesens für die wissenschaftliche Forschung zu nennen. Seit 2014 können nutzungsberechtigte Institutionen die Daten des Risikostrukturausgleichs (§§ 266–268 SGB V) auf Basis der Datentransparenzverordnung (§§ 303 a–f SGB V) nutzen. Ein erstes Beispiel sind die Auswertungen im Rahmen der Diabetes-Surveillance am Robert Koch-Institut [30]. Auf Basis dieser Daten ist es nun möglich, Krankheitshäufigkeiten wie Prävalenz und Inzidenz, aber auch Indikatoren wie Mortalität oder Krankheitsfolgen (Komplikationen) für alle gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland abzubilden. Die Datentransparenzverordnung erfährt durch die Neuordnung im Rahmen des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) nochmals eine deutliche Erweiterung. Diese Nutzungsmöglichkeiten spiegeln sich bereits heute in zentralen Projekten unter Beteiligung der Gesundheitsberichterstattung wider. Die Diabetes-Surveillance oder auch das Projekt „BURDEN 2020 – Die Krankheitslast in Deutschland und seinen Regionen“ [31] haben gemeinsam, dass sie eine integrierte Nutzung bislang fragmentierter Primär- und Sekundärdatenquellen anstreben. Die resultierenden Indikatorensysteme bedürfen dabei einer angemessenen Visualisierung, um die komplexen und umfassenden Ergebnisse einem breiten Spektrum an Nutzerinnen und Nutzern verfügbar zu machen. Darüber hinaus eröffnen sich weitere Auswertungsmöglichkeiten. Große und verknüpfte Datenkörper sind anschlussfähig für Simulationen, zum Beispiel im Bereich des Health Impact Assessment (Gesundheitsfolgenabschätzung), da mit ihnen bspw. abgeschätzt werden kann, wie sich im Falle von Präventionserfolgen (z. B. Reduktion des Tabakkonsums) die Krankheitslast in der Bevölkerung verändern würde. Damit sind auch Studien vorstellbar, die unter Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen Handlungsansätze identifizieren, die in die Politikgestaltung einbezogen werden können.

Zudem sind Erweiterungen der Informationsgrundlagen der Gesundheitsberichterstattung durch Verknüpfung verschiedener Datenquellen auf Ebene von Individualdaten unter Wahrung des Datenschutzes vorstellbar. Im Rahmen der in Vorbereitung befindlichen Gesundheits- und Ernährungsstudie in Deutschland (gern-Studie) sollen bevölkerungsrepräsentative Befragungsdaten mit Abrechnungsdaten der Versicherten auf freiwilliger Basis verknüpft werden. Damit können in Befragungen gewonnene Informationen zur Morbidität der Versicherten validiert und durch eine Vielzahl weitere Informationen ergänzt werden. Ähnliche Entwicklungen finden auch auf europäischer Ebene statt. Die Nutzung von Abrechnungsdaten für europäisch vergleichende Statistiken wird vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) derzeit vorangetrieben [32]. Damit ergeben sich auch international Herausforderungen, Indikatorensysteme und Darstellungsformen im Sinne einer integrierten Nutzung großer heterogener Datenmengen anzupassen. Der Transfer solcher Wissensbestände über geeignete Visualisierungen und Infrastrukturen (Health Information Systems) stellt damit eine gemeinsame Aufgabe von nationaler und europäischer Gesundheitsberichterstattung dar. Auf europäischer Ebene bestehen derzeit vielfach Unterschiede in Bezug auf die Qualität und Vergleichbarkeit der Gesundheitsinformationen zwischen und innerhalb der Mitgliedsstaaten. Das Projekt InfAct – Joint Action on Health Information – soll unter Beteiligung des RKI dazu beitragen, Gesundheitsinformationssysteme auf europäischer und nationaler Ebene zu stärken und Ungleichheiten bei Gesundheitsinformationen zu verringern (https://www.inf-act.eu/; [33]).

Auch wenn aktuell viele Datenquellen besser erschlossen werden bzw. neu entstehen, bleiben für einige Bevölkerungsgruppen wie Menschen ohne Papiere oder Wohnungslose noch Datenlücken bestehen. Hier bedarf es weiter Anstrengungen und innovativer Zugangsmöglichkeiten, um auch für die Bevölkerungsgruppen, die schwer zu erreichen sind, relevante Gesundheitsinformationen für die Gesundheitsberichterstattung zu gewinnen.

Nutzerinnen und Nutzer der Gesundheitsberichterstattung

Die Weiterentwicklung der Gesundheitsberichterstattung kann nur im Dialog mit den Nutzerinnen und Nutzern gelingen. Dazu wurden in den letzten Jahren mehrmals Zufriedenheitsbefragungen durchgeführt. Anhand dieser können Informationsbedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer ermittelt werden, um die Inhalte, Formate und Kommunikationswege anzupassen. Allerdings erreichen solche Befragungen immer nur einen Teil der relevanten Adressatinnen und Adressaten und die Informationsbedürfnisse derer, die Gesundheitsberichterstattung bisher nur wenig oder noch gar nicht nutzen (bzw. sich nicht an Befragungen beteiligen), sind schwer zu ermitteln. Von September 2018 bis Juni 2019 wurde die erste Befragung nach Gründung des Journal of Health Monitoring durchgeführt [34]. Die Abonnentinnen und Abonnenten des GBE-Newsletters erhielten eine Einladung zur online durchgeführten Zufriedenheitsbefragung. Neben Fragen nach Zufriedenheit, Nützlichkeit und Nutzung der Inhalte war auch das technische Nutzungsverhalten von Interesse, z. B. hinsichtlich Mobile Usability und interaktiver Funktionen. Weitere Fragen betrafen die Barrierefreiheit und mögliche Verbesserungspotenziale.

Über 80 % der Befragten bewerten das neue Journal der Gesundheitsberichterstattung im neuen Onlineformat als sehr gut oder gut [34]. Gelesen wird das Journal überwiegend aus beruflichen Gründen. Der Großteil der Befragten gibt an, das Journal zu lesen, um fachlich auf dem neusten Stand zu sein. Daneben werden die Beiträge des Journals als Zitationsmöglichkeit oder zur Identifikation von Public-Health-Problemfeldern herangezogen. 18,1 % der Befragten sind im öffentlichen Gesundheitsdienst tätig. Damit stellen sie die größte Berufsgruppe unter den Lesenden dar. Aus der Zufriedenheitsbefragung werden Ansätze für eine Weiterentwicklung des Journalformats und neuer Angebote der Gesundheitsberichterstattung abgeleitet.

Partizipative Ansätze gehen über den einseitigen Kommunikationsweg der Befragung hinaus. Sie reichen von Information und Anhörung von Zielgruppen (einschließlich Gruppen, über die berichtet wird) bis hin zu Mitbestimmung und Entscheidungsmacht. Im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsprojekts AdvanceGender (2017–2021), das Empfehlungen für geschlechterbezogene und intersektionale Ansätze für bevölkerungsbasierte Studien und Gesundheitsberichte entwickelt [29], wurden im Teilprojekt AdvanceHealthReport auch Möglichkeiten der Partizipation ausgelotet. Akteurinnen und Akteure der Zivilgesellschaft zu den Themen Migration und Gesundheit, geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, Männergesundheit und Frauengesundheit diskutierten in 4 Fokusgruppen über Beteiligungsansätze in der Gesundheitsberichterstattung [35]. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Perspektiven der Akteurinnen und Akteure für den gesamten Prozess der Berichterstattung wichtige Impulse geben können, beginnend bei der Themenauswahl bis hin zur Ableitung von Empfehlungen.

Publikationsformate

Nicht nur im Journalismus, auch in der Gesundheitsberichterstattung verschiebt sich das Nutzungsverhalten hin zu digitalen Formaten. Gemäß dem repräsentativen Survey „Eurobarometer“ suchten im Jahr 2014 bereits 59 % der Europäerinnen und Europäer im Internet nach Gesundheitsinformationen [36]. Die Verschiebung hin zu digitalen Formaten bietet für die Gesundheitsberichterstattung vielfältige neue Möglichkeiten, Informationen zur Gesundheit in Deutschland bereitzustellen.

Im Besonderen kann der Einsatz von neuen Technologien im Bereich der Visualisierung die Aufbereitung von komplexen Ergebnissen zum Thema Gesundheit erleichtern [37]. Sowohl internationale Organisationen als auch viele nationale Public-Health-Institute bieten Visualisierungstools zur Ergebnisdarstellung an. Die Visualisierung ermöglicht es, viele Informationen gleichzeitig zu verarbeiten und Unterschiede zu erkennen. Insbesondere regionale Darstellungen mit Bezug auf die Gebietskörperschaften sind relevant, da diese der verfassungsgemäßen Teilung der politischen Verantwortung entsprechen und so eine Priorisierung von Gesundheitsthemen auf unterschiedlichen Ebenen ermöglichen.

Die anwachsende Menge an Ergebnissen kann nur schwer in einem Bericht oder Tabellenband zusammengestellt werden. Interaktive Datenbanken ermöglichen eine einfache Bereitstellung von großen Ergebnismengen und werden bereits von vielen internationalen und europäischen statistischen Instituten und Public-Health-Instituten, wie beispielsweise Eurostat oder Destatis, eingesetzt. Auch die erwähnte Onlinedatenbank IS-GBE (www.gbe-bund.de) stellt aggregierte Ergebnisse für die Fachöffentlichkeit bereit und ermöglicht verschiedene Modifikationen, wie beispielsweise die Standardisierung auf unterschiedliche Referenzpopulationen. Public Health England bietet darüber hinaus eine Schnittstelle zu Statistik- oder Programmiersoftware (R [R Foundation for Statistical Computing, Wien, Österreich] bzw. Python [Python Software Foundation, Delaware, USA]) an, welche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern direkten Zugriff auf die Daten und somit automatisierte Auswertungen ermöglicht (https://fingertips.phe.org.uk/).

Darüber hinaus bietet die Digitalisierung mittels sozialer Medien wie Twitter, Instagram oder Youtube auch die Möglichkeit, in den direkten Austausch mit Nutzerinnen und Nutzern zu treten. Soziale Medien ermöglichen die einfache und zielgerichtete Kommunikation von Gesundheitsinformationen im Rahmen präventiver Maßnahmen, können aber auch für die Steigerung der Aufmerksamkeit bezüglich spezifischer Gesundheitsthemen genutzt werden [38].

Die Digitalisierung bietet insgesamt vielfältige Möglichkeiten für die Gesundheitsberichterstattung, welche die Kommunikation von komplexen Sachverhalten unterstützen können und dabei das sich verändernde Nutzungsverhalten der Zielgruppen berücksichtigen.

Wirkung der Gesundheitsberichterstattung messen und verbessern

Zur Messung der Wirkung der Gesundheitsberichterstattung, aber auch von Public-Health-Forschung im weiteren Sinne existieren verschiedene Konzepte, die unterschiedliche Politikbereiche, Settings und Zeithorizonte berücksichtigen [39, 40]. Allerdings gibt es bisher keine konsentierten Empfehlungen oder Leitlinien, wie diese Messung erfolgen sollte [40, 41].

Langfristig steht die Verbesserung der Gesundheit in der Bevölkerung im Zentrum, wie beispielsweise eine Reduktion der Krankheitslast, eine Stärkung der Gesundheitskompetenz oder eine Verbesserung des Gesundheitsverhaltens, welche allerdings erst Jahre nach der initialen Forschungserkenntnis bzw. Kommunikation durch die GBE sichtbar werden [40]. Daneben gibt es auch kurz- und mittelfristige Indikatoren, die eine zeitnahe Bewertung der Wirkung der Gesundheitsberichterstattung ermöglichen.

Unmittelbar nach der Publikation kann eine Wirkung über die automatisierte Erfassung der Downloadzahlen, Zitationen und Zugriffe im Internet bei elektronisch publizierten Formaten gemessen werden. Darüber hinaus lässt sich das mediale Echo sowohl in klassischen Medien wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen als auch in sozialen Medien verfolgen [39]. Neu entwickelte bibliometrische Kennzahlen wie Altmetrics (www.altmetric.com) oder PlumX (www.plumanalytics.com) ermöglichen die automatisierte Erfassung von Verweisen in sozialen Medien (u. a. Twitter und Facebook), Blogs, elektronischen Zeitungsartikeln, Wikipedia-Beiträgen und Dokumenten der Politik. Während diese Scores die Verbreitung und Dissemination online auch über die Wissenschaft hinaus abbilden können, besteht derzeit nur wenig Erfahrung hinsichtlich der Erfassung der Wirkung auf die Gesundheitspolitik oder die Public-Health-Praxis [42].

Mittelfristig steht die Wirkung der Gesundheitsberichterstattung auf die gesundheitliche Versorgung, das Gesundheitssystem und die Gesundheitspolitik im Mittelpunkt [40]. Die Berücksichtigung von Publikationen der Gesundheitsberichterstattung in systematischen Reviews, Metaanalysen und Leitlinien kann erste Anhaltspunkte auf die Anwendung neuer Erkenntnisse in der Versorgung geben [39]. Allerdings ist die Wirkung der Gesundheitsberichterstattung nicht allein quantitativ zu erfassen und im Rahmen des Austauschs auf Workshops, Fachtagungen und Weiterbildungen kann die Bedeutung qualitativ bewertet werden. Insbesondere der strukturierte und kontinuierliche Dialog mit gesundheitspolitischen Akteurinnen und Akteuren hinsichtlich deren Informationsbedarfen kann die Wirkung im Sinne einer gesundheitspolitischen Umsetzung der Gesundheitsberichterstattung stärken [43]. Der kontinuierliche Dialog zu Informationsangeboten und -bedarfen kann mittel- und langfristig die Relevanz und Verwendung der Ergebnisse der Gesundheitsberichterstattung fördern [40, 43, 44]. Dabei stellen die Entwicklung und Überprüfung von gemeinsam festgelegten Zielen, wie beispielsweise den Nationalen Gesundheitszielen (siehe Abschnitt „Wirkungen der Gesundheitsberichterstattung“), eine wichtige Möglichkeit der Erfassung der Wirkung von Gesundheitsberichterstattung dar.

Ausblick und Fazit

Gesundheitsberichterstattung hat das Ziel, eine verlässliche Informationsgrundlage für Entscheidungsprozesse und Maßnahmen der Akteure in Gesundheitspolitik und Public Health zu schaffen, um so einen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung und einzelnen Bevölkerungsgruppen zu leisten. Dabei unterliegen zum einen die Datengrundlagen einem kontinuierlichen Wandel, auf den die Gesundheitsberichterstattung als flexibles System reagiert. Neben den oben genannten Entwicklungen im Bereich der GKV-Daten werden auch Big Data und die Nutzung von künstlicher Intelligenz in der Gesundheitsberichterstattung eine wichtige Rolle spielen. Die Nutzung dieser Datenquellen erfordert dabei viele Ressourcen und muss im Einklang mit den umfangreichen Datenschutzrichtlinien erfolgen. Zum anderen entwickeln sich auch die Kommunikationsformen stetig weiter: Der Ausbau von interaktiven Daten- und Visualisierungsmöglichkeiten stellt eine wichtige Herausforderung für die GBE dar.

Die kontinuierliche Weiterentwicklung ist eine wichtige Aufgabe der Akteure der Gesundheitsberichterstattung und setzt eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit voraus: So müssen aktuelle Forschungsergebnisse, beispielsweise der Kommunikationswissenschaften, der Data Sciences und der Public-Health-Community, in die Prozesse der Gesundheitsberichterstattung integriert werden. Zudem sollte das Thema der Gesundheitsberichterstattung in Forschung und Lehre der Gesundheitswissenschaften weiter ausgebaut und im Rahmen der Forschungsförderung stärker berücksichtigt werden. Hierzu zählt auch der Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Hochschulen und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), für den es bereits Initiativen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) gibt [45]. Neben der Weiterentwicklung der Gesundheitsberichterstattung auf der wissenschaftlichen Ebene stellt auch der Ausbau von partizipativen Elementen in der Gesundheitsberichterstattung eine wichtige künftige Aufgabe dar.

Ein weiteres wichtiges Potenzial der Gesundheitsberichterstattung liegt in der Stärkung der internationalen Betrachtung von Gesundheitsdaten. Der Ausbau der Gesundheitsdaten und ihrer Auswertungsmöglichkeiten findet in vielen Nachbarländern gleichzeitig statt. Für grenzüberschreitende Auswertungen und Analysen wäre es daher wichtig, im EU-Raum, aber auch darüber hinaus eine stabile Struktur der europäischen Zusammenarbeit im Bereich Surveillance and Reporting zu schaffen. Hierbei könnte beispielsweise auf die Erfahrungen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) im Bereich der Infektionskrankheiten zurückgegriffen werden.

Die Weiterentwicklung der Gesundheitsberichterstattung als innovative Antwort auf diese neuen Möglichkeiten und Anforderungen ist eine Zukunftsaufgabe, die nicht mit den bestehenden Kapazitäten der Gesundheitsberichterstattung realisiert werden kann. Um auch weiterhin bestmögliche Informationen zur Gesundheit für unterschiedliche Zielgruppen bereitstellen zu können, sind zusätzliche Ressourcen und ein Ausbau der Gesundheitsberichterstattung erforderlich. Ein starkes Public-Health-System und Gesundheitsberichterstattung als dessen integraler Bestandteil sind notwendig, um die Gesundheit aller Bevölkerungsgruppen zu schützen und zu verbessern. Dies macht nicht zuletzt der weltweite Coronaausbruch deutlich.