Zusammenfassung
Hintergrund
Todesbescheinigungen sind Grundlage der Todesursachenstatistik in Deutschland. Dies gilt auch für die Erfassung von Suizidereignissen.
Ziel der Arbeit
Untersuchung von Todesbescheinigungen im Rahmen von Suizidereignissen in Hinblick auf die Qualität der ärztlichen Eintragungen. Wie eindeutig sind die Hinweise auf ein Suizidgeschehen? In welcher Form erfolgen die Angaben zur Kausalitätskette und welche „begleitenden wesentlichen Krankheiten“ (Grundleiden) werden genannt?
Material und Methoden
Auswertung von N = 626 polizeilichen Ermittlungsakten zu Suiziden im bayerischen Allgäu in den Jahren 2001 bis 2009 und den darin enthaltenen Todesbescheinigungen.
Ergebnisse
Todesbescheinigungen im Rahmen von Suizidereignissen werden sehr uneinheitlich ausgefüllt. Direkte Verweise auf ein Suizidgeschehen erfolgen nicht regelhaft und Grundleiden werden ebenfalls nicht regelhaft angegeben. Die Häufigkeitsunterschiede zwischen den im Rahmen polizeilicher Ermittlungen erfassten Suiziden und der offiziellen Suizidstatistik vonseiten der Landesämter für Statistik sind dennoch gering.
Diskussion
Um die Qualität der Todesbescheinigungen nach einem Suizid zu verbessern, sollten die leichenschauenden Ärzte Suizidereignisse klarer als solche benennen und einen stärkeren Fokus auf ein logisches Ausfüllen der Kausalkette legen. Um den Stellenwert psychischer Erkrankungen hinsichtlich ihrer Mortalität nicht zu unterschätzen, sollten Möglichkeiten der Dokumentation von psychischen Grundleiden bei nichtnatürlichen Todesfällen diskutiert werden.
Abstract
Background
Death certificates are the basis for German mortality statistics, including suicide statistics.
Objectives
To examine death certificates that are issued in the context of suicide with special focus on the quality of doctors’ entries, especially indications of suicide and the stated association between underlying illness and cause of death.
Materials and methods
Data from the Allgäu Suicide Study were used. Police records (N = 626) containing the results of suicide investigations as well as death certificates were analysed.
Results
There is great heterogeneity as to how physicians issue death certificates in the context of suicide. Clear indications of suicide are often missing and underlying illnesses are seldom mentioned. Nevertheless, there are only minor differences between the number of suicides recorded by the police compared to official statistics.
Conclusions
To improve the quality of death certificates in the context of suicide, physicians should give clearer indications of suicide and put more focus on logically explaining the causes of death. The mortality of mental illnesses might be underestimated when mental illnesses are not regularly mentioned as a potential cause for suicide.
Literatur
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Danksagung
Die Autoren danken Frau Agneta Grunwald-Mühlberger (Bayerisches Landesamt für Statistik Kompetenzzentrum Demographie, SG 41 – Todesursachen) für ihre Beratung.
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Interessenkonflikt
J. Hamann, B. Kaps und P. Brieger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Akteneinsicht in die Ermittlungsakten der Kriminalpolizei Kempten wurde vom Leitenden Oberstaatsanwalt für wissenschaftliche Zwecke gemäß § 476 StPO genehmigt. Die Ethikkommission der Universität Ulm bewilligte die retrospektive Auswertung und Analyse der Suizidfälle aus den Ermittlungsakten der Polizei (Aktenzeichen 281/09-UBB/bal).
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Hamann, J., Kaps, B. & Brieger, P. Todesbescheinigungen zu Suiziden: Qualitätsuntersuchung auf Grundlage von Polizeiakten. Bundesgesundheitsbl 62, 1422–1426 (2019). https://doi.org/10.1007/s00103-019-03039-0
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00103-019-03039-0