Nosokomiale Infektionen gehören in Deutschland zu den am häufigsten beobachteten Infektionen. Postoperative Wundinfektionen machen davon etwa ein Viertel der erfassten Infektionen aus [1]. Dabei ist das Infektionsrisiko bei den ca. 16 Mio. im Jahr stationär durchgeführten Operationen [2] je nach Art der Operation und Vorerkrankung des jeweiligen Patienten unterschiedlich – ein Risiko, das je nach den konkreten Umständen mehr oder weniger gut beherrschbar ist.

Der § 23 des Infektionsschutzgesetzes weist der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim RKI die Aufgabe zu, Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen sowie zu betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Maßnahmen der Hygiene in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen zu erstellen. Die Empfehlungen der Kommission sollen unter Berücksichtigung aktueller infektionsepidemiologischer Auswertungen stetig weiterentwickelt werden.

In diesem Sinne legt die KRINKO in diesem Heft die Aktualisierung einer Empfehlung aus dem Jahre 2007 vor und führt dabei, ganz zum Zwecke der Übersichtlichkeit für den Anwender, drei weitere, das Thema behandelnde frühere Empfehlungen in einer Veröffentlichung zusammen.

Ziel war es, eine aktuelle und praktischen Bedürfnissen entsprechende Handreichung zur Vermeidung von Infektionen im Operationsgebiet zu verfassen. Hierzu wurden, dem Vorgehen in der Kommission entsprechend, die aktuelle Literatur gesichtet, Bewertungen vorgenommen und ein Anhörungsverfahren durchgeführt. Berücksichtigt wurden auch die von der WHO im Jahre 2016 veröffentlichten globalen Empfehlungen zu diesem Thema [3]. Ein Novum ist die konsequente Verwendung des Begriffes „Operation“ zur weitgehenden Vermeidung des sehr uneinheitlich verwendeten Begriffes „Eingriff“. Letztere können nun als „Operationen mit geringem Infektionsrisiko“ begriffen werden. Eine Unterscheidung je nach Ort der Durchführung der Maßnahme (ambulant oder stationär) findet nicht statt.

Nosokomiale Infektionen sind definitionsgemäß solche, die im zeitlichen Zusammenhang mit medizinischen Maßnahmen auftreten (§ 2 IfSG). In Bezug auf die möglichen Ursachen können postoperative Wundinfektionen sowohl die Folge von Organisationsmängeln im klinischen Handeln als auch einer Summierung unterschiedlicher infektionsbegünstigender Faktoren sein. Es ist mithin nicht verwunderlich, dass nosokomiale Infektionen in der allgemeinen Öffentlichkeit oft als Ausdruck von Organisationsversagen oder Pflichtverletzung empfunden werden. Ganz besonders gilt dies für postoperative Infektionen im Wundgebiet („surgical site infections“, SSI): Sie sind nicht nur für medizinische Laien besonders augenfällig; auch Fachleuten ist bewusst, dass einer postoperativen Infektion im Wundgebiet durchaus eine Kombination aus Hygienemängeln, suboptimaler Operationstechnik und gegebenenfalls unzureichender klinischer Operationsvorbereitung vorausgehen kann.

Gerade weil bis zum Auftreten einer Infektion meist mehrere Faktoren bzw. Versäumnisse zusammenkommen, taugt eine Empfehlung zur Vermeidung dieser Infektionen in besonderer Weise dazu, Verständnis für die Grundlagen der Beherrschbarkeit von Risiken zu schaffen und den „Werkzeugkasten“ der Infektionsprävention transparent und plausibel zu machen. Das Wissen um die Interaktion verschiedener Ursachen von SSI spielt im Krankenhaus nicht nur in der nachträglichen Bewertung von Infektionen eine Rolle, sondern vor allem in der Organisation des klinischen Alltags zum Zwecke der Infektionsprävention. Auch auf der organisatorischen Makro-Ebene eines Krankenhauses, d. h. in grundsätzlichen Fragen der Gestaltung der Patientenumgebung und der Strukturierung von Arbeitsabläufen, ist es für die Leiter der Einrichtungen hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, dass geeignete baulich-funktionelle Voraussetzungen, aber auch das Betriebsklima, die fortlaufende sachgerechte Umsetzung von Hygienemaßnahmen (Compliance) unterstützen können.

Zwar weiß man um die Nützlichkeit von sogenannten Bündelstrategien zur Verbesserung der Effektivität und Zuverlässigkeit hygienegerechten Verhaltens aller in den Behandlungsprozess eingebundenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bekannt ist jedoch auch, dass Einflussnahmen auf die Verhaltensoptimierung (z. B. Belobigungs- bzw. Sanktionsmechanismen) nur eingeschränkt möglich sind und dass die wiederholte Vermittlung hygienischen Basiswissens nicht immer auf ungeteiltes Interesse stößt. In diesem Spannungsfeld sind die Verantwortlichen in Leitungspositionen im Krankenhaus für das hygienegerechte Verhalten Hunderter von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verantwortlich. Speziell die Führungskräfte werden sich deshalb mit großem Gewinn auch diejenigen Präventionsmaßnahmen zunutze machen, die nicht ausschließlich vom tagesaktuellen Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abhängig sind, sondern die z. B. durch eine geeignete technische und bauliche Ausstattung und eine gute Organisation von Standardabläufen infektionspräventives Handeln des Einzelnen nachhaltig unterstützen.

Die vorliegende Empfehlung zur Prävention von postoperativen Wundinfektionen möchte den Blick für Infektionsrisiken schärfen und Wege zu deren Beherrschung aufzeigen. Sie sieht die verschiedenen präventiven Handlungsfelder dabei nicht unverbunden nebeneinander stehend, sondern sich ausdrücklich einander wechselseitig verstärkend.

Die wichtigsten Prinzipien sind:

  • Vermeidung der Kontamination der Wunde (Asepsis und Antiseptik): Ohne Eintrag potenzieller Krankheitserreger keine Wundinfektion. Die Wundinfektion durch Staphylokokken bei sonst optimalen Verhältnissen (Operationen in nicht kontaminierter Region) nach einer Aufeinanderfolge von fehlerhafter Haarentfernung, unzureichender Händedesinfektion, mangelhafter Hautantiseptik und Tragen defekter Handschuhe kann wohl mit großer Wahrscheinlichkeit als Folge dieser Summation von Hygienemängeln angesehen werden. Weit weniger beherrschbar ist der Eintrag von Krankheitserregern bei Operationen in physiologisch kontaminierten Regionen. Hier können Hygienemaßnahmen allenfalls zu einer quantitativen Reduktion des Risikos beitragen oder dazu, postoperative Komplikationen (z. B. durch Nahtinsuffizienzen) zu vermeiden.

  • Gute Operationstechnik: Die Vorstellung, eine z. B. durch häufige Übung optimierte Operationstechnik trage zur Vermeidung von SSI bei, existiert als solche seit Langem. Den relativen Anteil der Operationstechnik an der Prävention postoperativer Wundinfektionen messbar zu machen, ist bislang jedoch nur unbefriedigend gelungen. Insbesondere die operationstechnischen Neuentwicklungen der letzten 20 Jahre (z. B. minimal-invasive Operationen) unterstreichen jedoch den Stellenwert einer schonenden Operationstechnik in der Infektionsprävention.

  • Berücksichtigung von disponierenden Faktoren und Begleiterkrankungen beim Patienten: Vorbestehende Grunderkrankungen, bestehende Infektionen oder eine Kolonisation mit S. aureus können zur Manifestation einer SSI beitragen. Nicht immer sind diese infektionsbegünstigenden Faktoren im Vorfeld einer Operation durch den Operateur beherrschbar. Es ist daher für die Praxis eine Herausforderung, die Grund- und Begleiterkrankungen sowie die infektionsbegünstigenden Faktoren frühzeitig zu erfassen und im Rahmen der im Einzelfall gebotenen Sorgfalt sowie der Möglichkeiten der Beherrschbarkeit prä- oder perioperativ zu beeinflussen.

  • Gute organisatorische und bauliche Bedingungen: Entsprechend ihrem Auftrag gibt die KRINKO Empfehlungen zur hygienegerechten Ausstattung von Operationsbereichen. In aller Regel können diese Empfehlungen nicht auf randomisierte, kontrollierte Studien zur Effektivität und Effizienz der Maßnahmen zurückgreifen. Die Empfehlungen folgen daher in diesem Punkt der plausiblen und in der täglichen Praxis bewährten Erkenntnis, dass geeignete räumliche Bedingungen der Umsetzung infektionspräventiver Maßnahmen förderlich sind. Die Kommission ist davon überzeugt, dass gute räumliche und organisatorische Umfeldbedingungen nicht nur durch Beherrschung eines direkten oder indirekten Keimeintrags zur Infektionsprävention beitragen, sondern dass sich ein durchdacht gestaltetes räumliches Umfeld auch auf die Optimierung von Arbeitsabläufen insgesamt auswirkt und somit auch der Vermeidung von Hygienefehlern sowie für eine gute Operationstechnik und ein gutes Arbeitsklima nützlich ist.

Es ist also festzustellen, dass einerseits das Zusammentreffen von hygienischen und operationstechnischen Mängeln, ggf. gefördert durch Unzulänglichkeiten der allgemeinen Patientenbetreuung und organisatorischen Mängeln im Umfeld der Operation, zur Manifestation einer postoperativen Wundinfektion führen kann; dass andererseits jedoch das kluge Zusammenfügen geeigneter Präventionsmaßnahmen Infektionen vermeiden und ein solches Vorgehen durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen die Abhängigkeit von den Auswirkungen tagesaktueller Herausforderungen in der Praxis des Arbeitsalltages ein Stück weit mindern kann. Jede operativ tätige Einrichtung wird bewerten müssen, wie hoch beim gegebenen Operationsspektrum die Infektionsrisiken sind und wie diesen optimal begegnet werden kann. Die an diesem Prozess beteiligten Personen bei dieser verantwortungsvollen Tätigkeit zu unterstützen, war das Anliegen der KRINKO bei der Erstellung der Empfehlung.

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Prof. Dr. med. Martin Mielke

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Prof. Dr. med. Martin Hansis