Klinische Prüfungen sind die elementare Voraussetzung für die Zulassung von Arzneimitteln. In diesen Studien an Menschen werden nicht nur neue, noch nicht zugelassene Arzneimittel auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüft, sondern auch bekannte Arzneimittel untersucht, z. B. in neuen Anwendungsgebieten oder speziellen Kombinationen. So werden qualitativ hochwertige Informationen über Arzneimittel generiert.

Anfang der 2000er-Jahre begann die EU-Kommission die rechtlichen Voraussetzungen für klinische Prüfungen von Arzneimitteln in den verschiedenen Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen (zu harmonisieren). Mit der Umsetzung der Richtlinie 2001/20/EG im Jahr 2004 wurde der erste Schritt in Richtung einer Harmonisierung vollzogen. Seit dieser Zeit wurden in Deutschland mehr als 14.500 Anträge auf Genehmigung einer klinischen Prüfung unter den geänderten rechtlichen Bedingungen gestellt, die insgesamt mehr als 900.000 Prüfungsteilnehmer umfassten. Trotz einer ersten Vereinheitlichung der europäischen Verfahren zeigte sich bald, dass durch den Umsetzungs- und Interpretationsspielraum bei der Implementierung der Vorschriften in das nationale Recht der einzelnen Mitgliedstaaten weiterhin noch deutliche Unterschiede in den Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten bestehen.

Im Rahmen eines mehrjährigen Gesetzgebungsverfahren zwischen der EU-Kommission, den Mitgliedstaaten und dem Europäischem Parlament wurde schließlich im Mai 2014 die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht. Obwohl bereits formal in Kraft gesetzt, wird die neue EU-Verordnung noch nicht angewendet, da eine wesentliche Voraussetzung noch nicht zur Verfügung steht, nämlich ein von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) betriebenes Internet-Portal (EU-Portal und Datenbank) zur Antragstellung und Antragskommunikation. Mit der Anwendbarkeit der neuen EU-Verordnung ist nach jetzigem Kenntnisstand daher nicht vor Ende 2018 zu rechnen.

Während sich bereits ein früheres Heft des Bundesgesundheitsblattes mit dem Thema Klinische Forschung beschäftigte, stellt dieses Schwerpunktheft gezielt Klinische Prüfungen von Arzneimitteln unter den Aspekten der neuen EU-Verordnung in den Fokus. Im ersten Beitrag beschreiben Mende und Kolleginnen die Grundzüge der EU-Verordnung und beleuchten dabei im Wesentlichen das neue Genehmigungsverfahren, das bei multinationalen klinischen Prüfungen zukünftig gemeinsam von den betroffenen Mitgliedstaaten unter der Federführung eines berichterstattenden Mitgliedstaates durchgeführt wird. Obwohl Verordnungen des Europäischen Parlaments und Rates unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten sind, macht auch diese EU-Verordnung Anpassungen an den nationalen Rechtsnormen erforderlich, wobei diese EU-Verordnung bestimmte nationale Ausnahmeregelungen zulässt. Nickel et al. analysieren die bereits erfolgten und zukünftig anstehenden Änderungen des nationalen Arzneimittelrechts. Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen dem derzeitigem und dem zukünftigen Autorisierungsprozess klinischer Prüfungen ist die Zusammenführung der bisher streng getrennten Verfahren bei der zuständigen Ethikkommission und der zuständigen Bundesoberbehörde zu einem nationalen Genehmigungsverfahren unter Federführung der jeweils zuständigen Bundesoberbehörde. Diese Folge der EU-Verordnung auf die Aufgaben und Arbeitsweisen der Ethikkommissionen in Deutschland wird von Hasford in seinem Beitrag analysiert und bewertet. Das seit 2004 etablierte Verfahren der zustimmenden Bewertung der zuständigen Ethikkommission im Benehmen mit den beteiligten Ethikkommissionen, die die Eignung von Prüfern und Prüfzentren bewerten, wird zukünftig durch die Bewertung jeweils einer (zufällig) ausgewählten Ethikkommission ersetzt. Der bisher bestehende Regionalbezug wird zukünftig aufgegeben und durch die Bewertung einer Ethikkommission ersetzt, die aufgrund eines vorgefertigten Geschäftsverteilungsplans bestimmt wird.

Zur Vorbereitung der neuen Verfahren und insbesondere der zukünftigen gemeinsamen Bewertung durch Ethikkommissionen und Bundesoberbehörden haben diese verschiedene Projekte initiiert. Im Verfahren der Freiwilligen Harmonisierung (VHP und VHP Plus) wurden von 2009 bis heute erste Erfahrungen bei der gemeinsamen Bewertung multinationaler klinischer Prüfungen gemacht. In einem weiteren nationalen Pilotprojekt wurden eingereichte Genehmigungsanträge gemeinsam durch die jeweils zuständige Ethikkommission und Bundesoberbehörde in Anlehnung an die Verfahren und Fristen der EU-Verordnung bewertet. Damit besteht sowohl für die Antragsteller als auch für die Behörden die Möglichkeit, sich auf die kommenden Verfahren vorzubereiten, ihre Prozesse an die anspruchsvollen Fristen anzupassen und die Verfahren zu trainieren. Sudhop und Kollegen berichten über die ersten Erfahrungen mit diesem Pilotprojekt und zeigen, welche möglichen Problemstellungen sich nach dem Wirksamwerden der EU-Verordnung ergeben könnten. Fundamental für die zukünftige Antragsstellung und Kommunikation im Antragsverfahren ist das EU-Portal, das von Aschen und Krafft in ihrem Beitrag skizzieren. Nach Wirksamwerden der EU-Verordnung werden alle Unterlagen vollständig elektronisch über das von der Europäischen Arzneimittelagentur betriebene Portal eingereicht. Auch die komplette Kommunikation erfolgt über diese Plattform, ein Schrift- oder E‑Mail-Verkehr ist nicht vorgesehen.

Die Besonderheiten des Genehmigungsverfahrens von biologischen Arzneimitteln und von Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMP) beleuchten Gross und Hartmann in ihrem Artikel. Diese teilweise sehr speziellen Arzneimittel, wie z. B. Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika, Tumorimpfstoffe oder biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte weisen teilweise besondere regulatorische Anforderungen auf, die in diesem Artikel beleuchtet werden.

Obwohl die EU-Verordnung bereits im Mai 2014 im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht wurde, ist der Vorbereitungsstand in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Stahl beschreibt in ihrem Artikel die Aktivitäten und den Vorbereitungsstand in den Mitgliedstaaten und rundet damit dieses Schwerpunktheft inhaltlich ab.

Als Editoren dieses Themenheftes freuen wir uns, die Leser über viele relevante Aspekte und Konsequenzen der neuen EU-Verordnung zu klinischen Prüfungen zu informieren. Wir wünschen Ihnen eine interessante und anregende Lektüre.

Ihre

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Thomas Sudhop

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Hartmut Krafft