Die Notwendigkeit, biologische Arzneimittel experimentell zu prüfen, wurde schon vor über 100 Jahren erkannt, als starke Schwankungen in der Qualität und der Wirksamkeit des von Emil von Behring entwickelten Diphtherieheilserums auffielen. Paul Ehrlich, der Namensgeber des heutigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) erhielt den Auftrag, die Grundprinzipien staatlicher Kontrolle biologischer Arzneimittel zu entwickeln und umzusetzen. Hierzu wurde als Vorläufer des PEI am 01.06.1896 das Institut für Serumforschung und Serumprüfung in Steglitz bei Berlin als Prüfungs- und Forschungsstätte gegründet, dessen erster Direktor Paul Ehrlich war.

Seit dieser Zeit haben sich sowohl das Spektrum biomedizinischer Arzneimittel als auch die regulatorischen Rahmenbedingungen und die Rolle der beteiligten Behörden enorm weiterentwickelt. Bei den klassischen biologischen Arzneimitteln wie Sera und Impfstoffen ist seit langer Zeit die staatliche Chargenprüfung etabliert. In den letzten Jahrzehnten sind die Produkte der Biotechnologie hinzugekommen, z. B. in Zellkulturen exprimierte rekombinante Proteine, für deren Kontrolle Prüfmethoden und geeignete Referenzpräparate erarbeitet werden mussten. Ein neues, häufig noch an der Schnittstelle zwischen experimenteller Entwicklung und klinischer Anwendung befindliches Feld sind die Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMP), für die neue wissenschaftliche und regulatorische Konzepte entwickelt werden mussten und noch müssen. In besonderer Weise trifft dies auch auf viele Ansätze der personalisierten Medizin zu, wenn neue Therapieansätze auf ATMPs beruhen, die individuell für einzelne Patienten hergestellt werden.

In dem vorliegenden Themenheft wird zunächst der gesetzliche Rahmen der Produktprüfung dargestellt. Der erste Beitrag von S. Vieths und R. Seitz beschreibt den fachlichen Hintergrund und die Bedeutung der experimentellen Produktprüfung für die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von biomedizinischen Arzneimitteln und die regulatorischen Rahmenbedingungen. Die Kontrolle dieser Arzneimittel, insbesondere staatliche Chargenprüfung findet inzwischen im europäischen Rahmen statt. Hierzu hat sich ein vom European Directorate for the Quality of Medicines and Health Care (EDQM, Straßburg) koordiniertes Netzwerk von staatlichen Laboratorien gebildet. Dieses Official Medicines Control Laboratory (OMCL) Network wird von K.-H. Buchheit und R. Wanko vorgestellt.

Entsprechend dem weiten Spektrum an biomedizinischen Arzneimitteln ist die Etablierung und ständige Weiterentwicklung von Verfahren und Methoden der Produktprüfung erforderlich. Während bei Arzneimitteln mit rein chemisch definierten Substanzen gewöhnlich eine exakte absolute Messung des Gehaltes in SI-Einheiten möglich ist, ist bei biologischen Wirkstoffen immer eine Messung über den Vergleich mit einer Referenz mit bekannter Aktivität erforderlich. Hierzu werden, wie in dem Beitrag von P. Minor dargelegt, internationale Referenzpräparate etabliert, die in aufwendigen kollaborativen Studien unter Beteiligung zahlreicher Laboratorien charakterisiert und mit den verfügbaren und geeigneten Methoden quantitativ bestimmt werden. Hieraus wird dann ein Wert gewonnen, der von dem Expert Committee on Biological Standardisation der WHO als biologische Aktivität in Internationalen Einheiten festgelegt wird. Diese internationalen Standards werden auch in den Prüfvorschriften der beim EDQM angesiedelten European Pharmacopoeia (Europäisches Arzneibuch) zugrunde gelegt, die nach dem Arzneimittelgesetz für die in Deutschland zugelassenen Arzneimittel einzuhalten sind. An den internationalen Referenzpräparaten mit von der WHO festgelegter Aktivität werden dann sog. Sekundärstandards kalibriert, mit deren Hilfe die Messungen in den Prüflabors erfolgen können. Die Etablierung solcher Sekundärstandards, der Europäischen Biological Reference Preparations (BRP), und die Weiterentwicklung der Methoden ist die Aufgabe des Biological Standardisation Program (BSP) der EDQM, das von K.-H. Buchheit und R. Seitz vorgestellt wird. Einen Überblick über die biologischen und chemischen Methoden des Europäischen Arzneibuchs gibt J. Norwig. Neben der für eine ganze Reihe von biomedizinischen Arzneimitteln vorgeschriebenen staatlichen Chargenprüfung ist die experimentelle Prüfung von aus dem Markt beschafften zufälligen Stichproben von zentral zugelassenen Arzneimitteln ein wichtiges Instrument der Überwachung. Dieses in dem Beitrag von S. Giess beschriebene Programm, das Centrally Authorised Products (CAP) Testing, das vom EDQM koordiniert wird, schließt Produkte wie rekombinante Proteine mit ein, die der Freigabetestung des Herstellers, aber nicht der staatlichen Chargenprüfung unterliegen. Ein sehr wichtiges und inzwischen auch durch eine Europäische Richtlinie verfolgtes Ziel ist die Reduktion von Tierversuchen in der experimentellen Arzneimittelprüfung. Diese international als 3R’s principle (Replacement, Reduction, and Refinement) bezeichnete Strategie wird von H. Behrensdorf-Nicol und B. Krämer vorgestellt.

Schließlich folgen einige kürzere Beiträge, in denen die experimentelle Prüfung an Beispielen spezifischer Produkte dargestellt wird. Unter dem Eindruck der Übertragung von Viren wie dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) durch Arzneimittel wie Gerinnungsfaktoren wurde Mitte der 1990er-Jahre die staatliche Chargenprüfung von aus gepooltem humanem Plasma hergestellten Arzneimitteln eingeführt. Die im Beitrag von U. Unkelbach, A. Hunfeld, S. Breitner-Ruddock beschriebene Prüfung schließt neben der Messung von Wirkstoffgehalt und möglichen Verunreinigungen zur Überprüfung der erforderlichen Infektionssicherheit auch die Prüfung der Herstellungsunterlagen und von Markern für Virusinfektionen mit ein. Die Prüfung von monoklonalen Antikörpern und Immunglobulinen stellt S. Groß dar. Seit Langem etabliert und bewährt ist die experimentelle Prüfung von humanen Impfstoffen. Der Beitrag von A. Merkle, H. Lechner, V. Öppling, H. Meyer stellt die Herausforderungen bei der staatlichen Chargenprüfung von Impfstoffen am Beispiel zweier hochkomplexer Kombinationsimpfstoffe dar. C. Jungbäck und A. Motitschke beschreiben als Gegenstück hierzu die Prüfung von Impfstoffen für Tiere. Ein grundlegendes Thema von gleichbleibend hoher Bedeutung sind die von A. Stühler und J. Blümel dargestellten regulatorischen und experimentellen Konzepte zur Virussicherheit von biomedizinischen Arzneimitteln. In diesem Zusammenhang spielen diagnostische Tests zur möglichst sensitiven und spezifischen Erkennung von Virusinfektionen von Plasmaspendern oder viralen Kontaminationen in biologischen Materialien eine zentrale Rolle; die Prüfung solcher Testsysteme wird von C.M. Nübling und S. Nick dargestellt.

Die Beiträge in diesem Themenheft belegen die vielfältigen Facetten der experimentellen Prüfung von biomedizinischen Arzneimitteln und den hohen Aufwand, der hierfür von Herstellern, regulatorischen Behörden und offiziellen Prüflabors betrieben wird. Hierbei gibt es immer wieder neue komplexe Herausforderungen, die kontinuierliche Anstrengungen in experimenteller Forschung, Weiterentwicklung von Prüfmethoden und Etablierung der erforderlichen Referenzpräparate notwendig machen. Die Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit belegen, dass dieser große Aufwand nicht nur gerechtfertigt, sondern im Interesse der mit biomedizinischen Arzneimitteln behandelten Patienten absolut notwendig ist.

Ihr

Stefan Vieths

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Ihr

Rainer Seitz

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