Liebe Leserinnen und Leser,

genau vor 6 Jahren erschienen im Mai/Juni-Heft des Bundesgesundheitsblattes 2007 die Ergebnisse der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (KiGGS). Mit KiGGS hatten wir damals in vielerlei Beziehung Neuland beschritten. Nicht nur, dass erstmalig für die in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen ein umfassendes und repräsentatives Abbild von Gesundheitszustand und -verhalten gegeben wurde. Neu war auch, dass wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI), die Feldarbeit einer bundesweiten Gesundheitsstudie selbst durchgeführt und die Öffentlichkeitsarbeit, die interne Qualitätskontrolle, das Datenmanagement und die Auswertungsstrategie in eigene Regie genommen hatten. Das war harte Arbeit und brachte uns nicht selten an die Grenzen unserer Belastbarkeit. Aber auch wenn wir diese komplexe Aufgabe ursprünglich hauptsächlich aus Gründen der Mittelersparnis und um den Preis, dass es KiGGS sonst nicht gäbe, übernommen hatten, so erwies sich diese Entscheidung später als weichenstellend. Wir sammelten dabei so viele neuartige Erkenntnisse, fanden immer wieder Möglichkeiten der Qualitätsverbesserung und gewannen einen so hohen Identifizierungsgrad mit unserer Studie, dass wir diesen Weg weiter beschritten haben. (Unsere dabei gesammelten Erfahrungen wurden und werden vielfach nachgefragt und genutzt, insbesondere bei der Konzipierung und Durchführung der Nationalen Kohorte [1], wo sie Eingang fanden in das Qualitätsmanagementkonzept.)

In DEGS, der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland, wurde nach gleichen Prinzipien wie bei KiGGS die Gesundheit der Erwachsenen, in Deutschland lebenden Bevölkerung untersucht, wiederum von Mitarbeitern des RKI und nun schon weitaus routinierter. Dabei war KiGGS in vielerlei Hinsicht der Impulsgeber für eine Entwicklung weg von sporadischen Gesundheitserhebungen, hin zu einem planbaren Gesundheitsmonitoring. War KiGGS noch eine mühsam eingeworbene drittmittelfinanzierte Studie (BMG, BMBF, BMU, BMI), so konnte der neue Erwachsenengesundheitssurvey DEGS in den Jahren 2008–2011 bereits aus dem seit 2007 vom BMG geschaffenen RKI-Titel „Gesundheitsmonitoring“ finanziert werden. Diese jährlich zur Verfügung stehenden Mittel ermöglichen eine sehr viel bessere Planung, Organisation und Verwertung so großer Gesundheitsstudien. Das RKI-Gesundheitsmonitoring [2] ist dabei inhaltlich und konzeptionell auf die Aufgaben des Robert Koch-Instituts und dessen Verantwortung für die Gesundheitsberichterstattung abgestimmt. Dies allein hätte aber noch nicht ausgereicht, wäre da nicht noch das Programm „RKI 2010“ [3] gewesen, im Rahmen dessen das Robert Koch-Institut als nationales Public-Health-Institut neu formiert und auch mit zusätzlichen Stellen ausgestattet wurde. Ein Schwerpunkt dieses Programms war dabei auch das Gesundheitsmonitoring. So konnten unsere Visionen einer routinierten Feldarbeit, eines professionellen Datenmanagements, eines eigenen epidemiologischen Zentrallabors, eines etablierten Qualitätsmanagementsystems, eigenverantwortlicher Mittelplanung und arbeitsteiliger Zuständigkeiten Wirklichkeit werden. Vor diesem Hintergrund war DEGS die Probe aufs Exempel, inwieweit sich eigene Untersuchungssurveys mit hohen Qualitätsstandards in den wissenschaftlichen Alltag des RKI integrieren lassen, ohne alle anderen Aktivitäten lahmzulegen, ohne Abstriche am wissenschaftlichen Anspruch und an eigenen Forschungsaktivitäten machen zu müssen. Inwieweit uns das gelungen ist, wird sicher von außen, unter anderem von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, zu beurteilen sein. Wir haben uns jedenfalls um eine adressatengerechte Aufbereitung und Nutzung unserer Ergebnisse bemüht:

Das Studienprotokoll von DEGS wurde bereits vorab international publiziert [4]. Die sog. „Teilnehmerbroschüre“ [5], mit der wir unseren Studienteilnehmern auf allgemein verständliche Weise erste Ergebnisse mitteilen und ihnen auf diese Weise Dank sagen, wurde bereits zum Jahresende 2012 an alle verschickt. Mitte des vergangenen Jahres veranstalteten wir ein öffentliches Symposium zu ersten Ergebnissen von DEGS. Die dort bekannt gegebenen Zahlen zur Prävalenz von Adipositas, zum Anstieg der Diabeteshäufigkeit und zur psychischen Gesundheit (ebenfalls im Bundesgesundheitsblatt veröffentlicht [6]) wurden seitdem so häufig von den Medien, aber auch von der Gesundheitspolitik und der wissenschaftlichen Fachöffentlichkeit zitiert, dass sie schon fast Allgemeingut sind. Dies spricht für das Interesse an unseren Ergebnissen, aber auch für deren Brisanz. Die detaillierten Auswertungen hierzu und zum gesamten Themenspektrum von DEGS finden Sie nunmehr in diesem Heft.

Ein zusätzlicher Aspekt, der diese Resultate spannend macht, ist die Vergleichbarkeit von DEGS als repräsentativer Querschnittstudie mit dem Bundes-Gesundheitssurvey 1998 (BGS98). Die Frage, wohin die gesundheitliche Entwicklung in Deutschland geht, ist insbesondere im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel von großer Bedeutung. Unsere Ergebnisse zur Entwicklung von Risikofaktoren wie Übergewicht, Adipositas, Rauchen, Alkoholkonsum und körperliche Aktivität setzen sowohl positive Signale als auch Warnzeichen und können die Basis für evidenzbasierte Präventionsstrategien sein.

Ausgeschöpft sind die Möglichkeiten der DEGS-Datenauswertung mit diesem Doppelheft bei Weitem noch nicht. Da es uns gelungen ist, mehr als die Hälfte der Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 für eine erneute Untersuchung bzw. Befragung zu gewinnen, stehen die Auswertungen von individuellen Langzeitentwicklungen noch an. Auch die Bereitstellung der DEGS-Daten als Public Use File wird dazu beitragen, diesen umfassenden Datenschatz so auszuwerten, dass sich die dafür aufgewendeten Mittel in jeder Beziehung auszahlen.

Es gibt zumindest noch einen Punkt, den wir annähernd so gut erreichen wollen wie bei KiGGS: Die Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys waren von so großem Interesse, dass sich der Impact Factor des Bundesgesundheitsblattes zwischenzeitlich erhöhte. Wir hoffen, dass selbiges auch diesmal wieder stattfinden kann, seitens der Redaktion des Bundesgesundheitsblattes und des Verlages hatten wir jede Unterstützung.

Da wir die Adressaten unserer Ergebnisse bei den Akteuren auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik, von Public Health, Gesundheitsvorsorge, Prävention und Gesundheitsförderung sowie Gesundheitszielen sehen, ist das Bundesgesundheitsblatt das geeignete Medium, um diese Adressaten zu erreichen. Unsere Ergebnisse sind zugleich aber auch von internationalem wissenschaftlichem Interesse. Darum sind wir für die vom Verlag eingeräumte Möglichkeit dankbar, gleichzeitig mit dieser deutschsprachigen Veröffentlichung die Ergebnisse auch englischsprachig zu publizieren (Sie finden diese unter www.bundesgesundheitsblatt.de).

Und für diejenigen unter Ihnen, die außerdem an KiGGS und dessen Fortführung interessiert sind: Im vorigen Jahr wurde eine Wiederholungsbefragung unserer KiGGS-Teilnehmer abgeschlossen. Eine Neuauflage von KiGGS als Untersuchungssurvey befindet sich gerade in der Vortestung und wird noch Ende dieses Jahres vom RKI gestartet. Und selbstverständlich werden auch diese Ergebnisse zeitnah und adressatengerecht publiziert werden. Dem RKI-Gesundheitsmonitoring und all seinen Unterstützern sei Dank.

Ihre

Bärbel-Maria Kurth