Liebe Leserin, lieber Leser,

Der Begriff „Burn-out“ hat gerade in den letzten Monaten ein hohes öffentliches Interesse ausgelöst, das die Koordinatoren, als sie dieses Themenheft planten, noch nicht absehen konnten. Liest man die zahlreichen, vor allem populärwissenschaftlichen Beiträge, so gewinnt man den Eindruck, als seien inzwischen große Gruppen der Bevölkerung im Sinne einer Pandemie von Burn-out befallen.

Burn-out ist ein relativ neuer Fachbegriff der klinischen und der Organisationspsychologie, dessen inzwischen so häufige Verwendung im Kontext einer stark gestiegenen Bereitschaft der Bevölkerung zu sehen ist, gesundheitliche und soziale Probleme (zum Beispiel Erkrankungen oder Brüche in der beruflichen Entwicklung) durch psychische Faktoren zu erklären.

Der Terminus „Burn-out“ geht auf Herbert Freudenberger, einen amerikanischen Psychoanalytiker, und Sigmund G. Ginsburg, einen Verwaltungsexperten, zurück. Freudenberger [1] verstand Burn-out noch ausschließlich als Krise des sozial Engagierten, der nicht mehr in der Lage ist, sein vorheriges hohes Engagement weiter aufrechtzuerhalten. Heute wird das Syndrom im Kontext sehr unterschiedlicher Berufe und unabhängig von einem besonders hohen Engagement diskutiert.

Eine allgemein akzeptierte Definition gibt es bisher ebenso wenig wie einen Konsens über die Ursachen. Auch ist nicht zu erwarten, dass sich Burn-out in absehbarer Zeit als eine von der wissenschaftlichen Community akzeptierte Diagnose in den beiden international eingeführten Diagnose-Verzeichnissen (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders und International Classification of Diseases) etablieren kann. Insofern ist die Diagnose „Burn-out“ als Grund für eine Krankschreibung in Deutschland zurzeit auch nicht ohne Probleme in der Akzeptanz der Krankenkassen beziehungsweise auch kritisch als Grundlage von Erwerbs- und Berufsunfähigkeit zu sehen.

Ein weitgehender Konsens besteht über einzelne Kernsymptome von Burn-out. Zu nennen sind hier insbesondere emotionale Erschöpfung, verringerte Zufriedenheit mit der eigenen Leistung, ein beeinträchtigtes Verhältnis vor allem zur beruflichen Umgebung und Arbeitsüberdruss.

Die Öffentlichkeit ist mit Blick auf die Bewertung des Burn-out-Konzepts gegenwärtig tief gespalten. Das Spektrum reicht hier von nahezu begierigem Aufgreifen und expansiver Anwendung bis hin zu einer Fundamentalkritik („Phantomkrankheit“). Auf der wissenschaftlichen Ebene werden die Beliebigkeit der Verwendung der Diagnose, die als zu stark auf eine Dimension menschlichen Verhaltens reduzierte Betrachtung komplexen menschlichen Verhaltens und vor allem die schwierige Abgrenzbarkeit von anderen bereits bestehenden Syndromen psychischer Störungen kritisiert. So wird von fachlicher Seite gelegentlich vorgeschlagen, Burn-out unter die Depressionen oder Anpassungsstörungen zu subsumieren. Manche Autoren ziehen für Burn-out den Begriff „Erschöpfungsdepression“ vor. Unbestritten ist, dass das Endstadium eines stark ausgeprägten Verlaufes des Burn-out vom Vollbild einer Depression nicht mehr unterscheidbar ist. M. Burisch sieht aber für frühe bis mittlere Stadien des Burn-out eine Reihe von Differenzierungsmöglichkeiten zur Depression:

  • Depressive leiden am Unabänderlichen (irreversible Verluste oder Kränkungen), von Burn-out Betroffene kämpfen gegen prinzipiell lösbare Probleme,

  • diese Problemlagen mögen individuell sehr unterschiedlich sein, sind aber stets nachvollziehbar,

  • die vorherrschenden Affekte bei Burn-out sind Angst und Wut, bei Depression Trauer beziehungsweise Melancholie,

  • Burn-out-Betroffene neigen zur Überschätzung ihrer Kräfte, sie geben sich erst geschlagen, wenn die letzten Ressourcen erschöpft sind. Depressive unterschätzen sich eher, resignieren vor Anforderungen, die dem Außenstehenden ohne Weiteres zumutbar erscheinen (vgl. [2]).

In den letzten vier Jahrzehnten hat es vielfältige Bemühungen um die Erforschung des Burn-out gegeben. Dabei haben sich zwei amerikanische Messinstrumente durchgesetzt, die auch in deutscher Übersetzung vorliegen: Das Maslach Burnout Inventory (MBI) und das Tedium Measure. Mit der in der Regel unhinterfragten Verwendung dieser Instrumente versuchen einzelne Forscher, das nicht gelöste Definitionsproblem zu umgehen. Viele meist querschnittlich angelegte Untersuchungen haben sich dabei vor allem mit aversiv erlebten Aspekten des Arbeitslebens befasst. Dabei konnten überwiegend die Ausgangshypothesen bestätigt werden. Letzteres gilt allerdings nicht in gleichem Ausmaß für die aussagekräftigeren Längsschnittstudien. Insofern ist der Stand empirisch gesicherten Wissens zu Burn-out gegenwärtig noch als eher unübersichtlich und insgesamt unbefriedigend zu bezeichnen. Ob neue forschungsmethodische Ansätze, zum Beispiel eine Ergänzung quer- und längsschnittlicher quantitativer Studiendesigns durch qualitative Zugänge, ergiebiger sein werden, bleibt abzuwarten.

Den Koordinatoren des vorliegenden Heftes waren bei seiner Planung die zuvor angedeuteten definitorischen und methodischen Probleme des Burn-out-Konzepts durchaus bewusst. Nach ihrer Ansicht beinhaltet es aber eine Reihe von spezifischen, durch andere psychologische Konstrukte bisher nicht abgedeckte Aspekte. Insofern könnte es sich lohnen, weitere theoretische sowie empirische Analysen zu Burn-out-Konzepten vorzunehmen. Das hier vorgelegte Schwerpunktheft versteht sich als ein Beitrag in diesem Sinne. Es umfasst sieben Aufsätze zum Thema „Burn-out“, berücksichtigt verschiedene Reviews und fokussiert thematisch insbesondere präventive Interventionen auf individueller sowie betrieblicher Ebene.

D. Korczak und B. Huber setzen sich im ersten Beitrag mit der Frage der Messbarkeit des Burn-out auseinander. Grundlage ist dabei der auf einer breiten Studienbasis beruhende HTA-Bericht „Differentialdiagnostik des Burnout-Syndroms“. Dieser beschäftigt sich mit der Frage, wie Burn-out diagnostiziert und von anderen Störungen abgegrenzt werden kann. Die Analyse bestätigt, dass es bisher kein allgemeingültiges Vorgehen gibt, um Burn-out zu diagnostizieren. Weiterhin zeigt die Analyse das Fehlen eines einheitlichen Verständnisses des Konzeptes und die Notwendigkeit, Burn-out differenzialdiagnostisch vor allem von Depressionen, Alexithymie, Befindlichkeitsstörungen und chronischer Erschöpfung abzugrenzen.

U. Walter, C.S. Krugmann und M. Plaumann führen ein weiteres systematisches Review durch, das sich auf die Effektivität präventiver Ansätze des Burn-out bezieht. Grundlage sind 33 Studien aus dem Zeitraum von 1995 bis 2011. Es handelt sich bei den berichteten Interventionen überwiegend um individuumsbezogene Ansätze, bei dem kleineren Teil um Kombinationen von individuums- und arbeitsorganisationsbezogenen Strategien. Bei drei Viertel der Studien werden positive Effekte bei Burn-out oder Subkomponenten des Syndroms berichtet, die zum Teil auch noch im 12-Monate-Follow-up nachweisbar waren.

A. Günthner und A. Batra sehen das systematische Stressmanagement als eine wirksame Möglichkeit, um das Risiko der Entstehung eines Burn-out-Syndroms zu reduzieren. Die von ihnen durchgeführte Literaturrecherche bezieht sich auf Originalarbeiten zu Inhalten und zur Effektivität von Stressmanagementprogrammen zur Burn-out-Prophylaxe bei unterschiedlichen Zielgruppen. Die Analyse differenziert nach primär-, sekundär- und tertiärpräventiven Programmen. Die Autoren sehen vor allem die Wirksamkeit kognitiv-verhaltensorientierter Programme als gut belegt an und betonen den Nutzen der Kombination psychoedukativer Maßnahmen mit einer langfristigen Nachbetreuung.

A. Hillert sieht im fehlenden diagnostischen Konsens der Diagnose „Burn-out“ den Hauptgrund dafür, dass sich Inhalte und Methoden von Burn-out-Behandlungen durch eine hohe Beliebigkeit auszeichnen. Viele Angebote stellten, der Logik eines Wachstumsmarktes folgend, eher attraktive und kundenfreundliche Interventionen dar, die aber zu Unrecht als spezifische Burn-out-Behandlungen deklariert werden. In der Versorgungspraxis werden auf Entspannung und Symptombehandlung abzielende „integrative“ Ansätze, die eine verbesserte Stressbewältigungskompetenz herstellen sollen, angeboten. Ihre Wirksamkeit über die Patientenzufriedenheit hinaus, bleibe aber wegen Fehlens kontrollierter Studien offen. Im stationären psychotherapeutischen Setting ergänzend angebotene, intensive berufsbezogene Maßnahmen verbesserten dagegen die Prognose beruflich belasteter Patienten.

P. Rixgens und B. Badura sehen in einer Organisationsdiagnostik des psychischen Befindens eine wichtige Voraussetzung für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Ihre Analysen beziehen sich dabei auf die psychische Gesundheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in zehn verschiedenen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen. Die Autoren zeigen, dass Personen, die sich in einem temporären Stimmungstief befinden, nicht nur starke körperliche Begleitsymptome aufweisen, sondern auch die Rahmenbedingungen ihres Arbeitsplatzes eher negativ einschätzen. Sie leiten aus ihrer Studie ab, dass durch eine stärkere Beachtung des Einflusses sozialer Faktoren auf die psychische Gesundheit Belastungen frühzeitig wahrgenommen und ein erheblicher Anteil arbeitsbedingter Erkrankungen vermieden werden könnte.

Matyssek versteht Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe in der öffentlichen Verwaltung. Führungskräfte sollten lernen, die eigenen Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass eine Balance zwischen Arbeits- und Privatleben und ein sensibler Umgang mit den eigenen Grenzen erreicht werden. In dieser Rolle könnten sie dann ihrer Vorbildfunktion gegenüber den Mitarbeitern in der Verwaltung gerecht werden und diese gesund führen. Das angestrebte Führungsverhalten ist unter anderem gekennzeichnet durch das Einbeziehen von Mitarbeitern in Gespräche, durch die Herstellung von Transparenz, den Abbau von Belastungen und die Förderung von Ressourcen. Durch das Gewähren sozialer Unterstützung soll die Burn-out-Gefährdung der Mitarbeitenden reduziert werden. Im Beitrag wird ein entsprechendes Trainingsprogramm für Führungskräfte dargestellt.

Der abschließende Beitrag von A. Nienhaus, C. Westermann und S. Kuhnert untersucht – ebenfalls in einem Review – Burn-out bei Beschäftigten in der stationären Altenpflege. Datengrundlage sind 24 Studien seit dem Jahr 2000. Die Analysen erlauben zwar wegen der unterschiedlichen Definitionen von Burn-out keine klare Aussage zur Burn-out-Prävalenz in diesem Bereich, es finden sich aber signifikante Zusammenhänge zwischen Burn-out und der Pflegekraft-Patienten-Quote, der Arbeitslast, dem Handlungsspielraum der Beschäftigten und der Arbeitszufriedenheit. Nicht bestätigt werden dagegen Zusammenhänge zwischen Burn-out und Einkommen oder Schichtarbeit.

Wir wünschen den Lesern und Leserinnen eine interessante Auseinandersetzung mit dem Thema Burn-out.

Ihre

Uwe Koch

Karl Broich