Skip to main content

Advertisement

Log in

Früherkennungsuntersuchungen als Instrument im Kinderschutz

Erste Erfahrungen der Länder bei der Implementation appellativer Verfahren

Child health check-ups as an instrument in child welfare

First results of compulsory check-up systems in German federal states

  • Leitthema
  • Published:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz Aims and scope

Zusammenfassung

Die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder (Us) sind gesetzlich etabliert und dienen der frühen Identifizierung von Krankheiten und Auffälligkeiten der kindlichen Entwicklung. In den „Kinderrichtlinien“ des G-BA (Gemeinsamen Bundesausschusses) sind ihre Inhalte definiert und elf Untersuchungen festgelegt (von der U1 nach der Geburt bis zur J1 bei Jugendlichen). Allein acht Termine sind vom 1. bis zum 4. Lebensjahr vorgesehen. Fast alle Bundesländer haben als Reaktion auf die öffentlich gewordenen Fälle von Kindesmisshandlung, Verwahrlosung oder Missbrauch seit 2007 im Kontext ihrer Kinderschutzkonzepte verbindliche Einladungs- oder Meldeverfahren für die Us eingeführt. Erste Erfahrungen der Länder (an sechs Beispielen ausführlich dargestellt) verdeutlichen, dass dadurch die Quote der Inanspruchnahme insgesamt, vor allem aber ab dem 4. Lebensjahr steigt; dies vor allem in schwierig zu erreichenden Familien mit sozialen Belastungen (junge/alleinerziehende Eltern, Migranten, bildungsferne oder sozial benachteiligte Familien). Dadurch nehmen auch die primärpräventiven (kinder)ärztlichen Tätigkeiten wie Impfungen, der Schutz vor Infektionskrankheiten und der Umfang gesundheitsfördernder Beratung zu. Als alleiniges Instrument zur lückenlosen Identifizierung von Kindeswohlgefährdung sind verbindliche Einladungs- und Erinnerungssysteme dagegen nur äußerst bedingt geeignet.

Abstract

Routine well-child visits, implemented as a means of secondary prevention and covered by health insurance, lead to early identification of disorders and abnormalities in child development.“Guiding principles for children“ (by the G-BA) have determined the content of the eleven examinations, ranging from U1 immediately after birth to J1 in adolescence; eight of them take place within the first four years of age. Since cases of child maltreatment, neglect, or abuse became public in 2007, almost all German federal states have established mandatory examination and notification processes in the new child welfare surveillance programs. First results in the German federal states (six of which are exemplarily illustrated) point out that mandatory requirements have collectively increased the frequency of medical check-ups in children, especially starting from four years of age and most significantly in families with social disadvantages (young/single parents, immigrant background, uneducated or socially disadvantaged families), which have so far been difficult to reach. Subsequently, provision of primary prevention (vaccinations and health promotion advice) by pediatricians has also increased. As a sole instrument for the complete identification of threats for children’s welfare, however, systems inviting and reminding parents about check-ups are only of limited benefit.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this article

Price excludes VAT (USA)
Tax calculation will be finalised during checkout.

Instant access to the full article PDF.

Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3

Literatur

  1. UN (1990) Kinderrechtskonvention, Art. 3 Wohl des Kindes. http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/Themen/Menschenrechte/Download/UNkonvKinder1.pdf

  2. Landtag von Schleswig-Holstein (2010) Bericht zur Situation von Kindern und Jugendlichen bei Gefahren für ihr körperliches, geistiges oder seelisches Wohl. LT-Drucksache 17/382

  3. Bundesregierung (2006) Stellungnahme der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates für eine höhere Verbindlichkeit der Früherkennungsuntersuchungen im Sinne des Kindeswohls (BR-Drs.056/06 (B))

  4. Herrmann B, Dettmeyer R, Banaschak S, Thyen U (2008) Kindesmisshandlung. Medizinische Diagnostik, Intervention, Rechtliche Grundlagen. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, S 2

  5. BGBI. I, S 1770

  6. http://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/15/

  7. BAnz (2009) Nr. 132: S. 3–125 Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres („Kinder-Richtlinien“) in der Fassung vom 26.04.1976, zuletzt geändert am 18.06.2009

  8. BAnz (2008) Nr. 57, S 1344

  9. Abholz HH (1988) Was ist Früherkennung, was kann sie leisten? In: Abholz H-H (Hrsg) Grenzen der Prävention. Argument-Sonderband AS 178. Kritische Medizin im Argument. Argument-Verl., Hamburg, S 63–99

  10. Michaelis R (2004) Das Grenzsteinprinzip als Orientierungshilfe für die pädiatrische Entwicklungsbeurteilung. In: Schlack HG (Hrsg) Entwicklungspädiatrie. H. Marseille, München, S 123–129

  11. G-BA: http://www.g-ba.de/institution/themenschwerpunkte/frueherkennung/kinder/

  12. Hellbrügge Th, Pechstein J (1968) Die Soziale Pädiatrie als Träger der ärztlichen Vorsorge für das Kindesalter. Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Arbeitshygiene III. In: Hellbrügge T (Hrsg) (1981) Klinische Sozialpädiatrie – ein Lehrbuch der Entwicklungs-Rehabilitation im Kindesalter. Springer, Berlin, S 101–106

  13. Stellungnahme der Bundesärztekammer gem. § 91 Abs. 8a SGB V zur Änderung der „Kinder-Richtlinien“ des G-BA – Einrichtung einer Kinderuntersuchung „U7a“ vom 15.04.2008

  14. http://www.kindergesundheit-info.de und http://www.gesundes-kind.de/u-untersuchungen/vorsorgeuntersuchungen.jsp, Vorsorgeuntersuchungen für Kinder- und Jugendliche http://www.kinderaerzte-im-netz.de/bvkj/show.php

  15. Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen über die Früherkennungsuntersuchungen auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten (zahnärztliche Früherkennung gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB V) in der Fassung vom 4. Juni 2003, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2003; Nr. 226, S: 24 966, zuletzt geändert am 8. Dezember 2004, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2005; Nr. 54, S: 4 094, in Kraft getreten am 1.01.2005

  16. Kamtsiuris P, Bergmann E, Rattay P, Schlaud M (2007) Inanspruchnahme medizinischer Leistungen. Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 50:836–850

    Article  CAS  Google Scholar 

  17. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/MagazinSozialesFamilieBildung/070/sd-migranten-machen-mit.html

  18. Poethko-Müller C, Kuhnert R, Schlaud M (2007) Durchimpfung und Determinanten des Impfstatus in Deutschland. Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitsurveys (KIGGS) In: Bundesgesundheitsblatt 50:851–862 und „Ergebnisse der 1. Nationalen Impfkonferenz (2010) Good Practise Manual zur Maserneliminierung, RKI (im Druck)

  19. Zinke M, Koch H, Kerek-Bodden H et al (2001) Patientenklientel und Diagnosenspektrum in der ambulanten Kinder- und Jugendmedizin. Ausgewählte Ergebnisse des ADT-Panels des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung. Kinder Jugendarzt 32:712–718

    Google Scholar 

  20. BMFSFJ (2009) 13. Kinder- und Jugendbericht, Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Bundesanzeiger Verlag, Köln, S 59–73

  21. Thyen U, Kirchhofer F, Wattam C (2000) Gewalterfahrung in der Kindheit – Risiken und gesundheitliche Folgen. Gesundheitswesen 62:311–319

    Article  CAS  PubMed  Google Scholar 

  22. Nothhafft S (2008) Landesgesetzliche Regelungen im Bereich des Kinderschutzes bzw. der Gesundheitsvorsorge. Informationszentrum Kindesmisshandlung/Kindesvernachlässigung im Auftrag des BMFSFJ, DJI, München

  23. Modifiziert und aktualisiert nach „Kinderärzte im Netz“ und Senat der HH, pers. Mitteilung

  24. Gesetz zum Schutz von Kindern vor Vernachlässigung, Missbrauch und Misshandlung vom 07.02.2007. Amtsblatt des Saarlandes 14:742–744

  25. Verordnung über die Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen für Kinder vom 12.04.2007. Amtsblatt des Saarlandes 17:910–912

  26. Zentrum für Kindervorsorge. http://www.saarland.de/17125.htm

  27. Keiner fällt durchs Netz. http://www.saarland.de/32515.htm

  28. Landesgesetz zum Schutz von Kindeswohl und Kindergesundheit (LKindSchuG) vom 07.03.2008 (GVBl 2008, S. 52)

  29. http://www.masgff.rlp.de/fileadmin/masgff/familie/LKindSchuG.pdf

  30. Michel-Schilling A, Müller H, Lamberty J, Baas S (2010) Kinderschutz und Kindergesundheit. Ergebnisse zur Umsetzung des Landesgesetzes zum Schutz von Kindeswohl und Kindergesundheit, Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz. Eigenverlag, Mainz (im Druck)

  31. http://www.gesunde-kindheit.nrw.de

  32. http://www.openpr.de/news/240808/Software-staerkt-Chancen-der-Kinder.html

  33. Quelle: BVKJ-SH und Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (Mai 2010)

  34. Bericht unter http://www.schleswig-holstein.de/MASG/DE/Service/Broschueren/PDF/schuleinguntber2008.html

  35. http://www.schleswigholstein.de/LASD/DE/KinderUndEltern/Frueherkennung/russisch/Frueherkennung__node.html

  36. Thyen U (2006) Löcher im Kooperationssystem aus kinderärztlicher Sicht. Frühe Intervention und Hilfe. Vom Neben- zum Miteinander von Pädiatrie und Jugendhilfe. In: Verein für Kommunalwissenschaften e.V. (Hrsg) Aktuelle Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe 57:61–68

  37. Stellungnahmen der Bundesregierung vom 21. November 2006 (BR-Drucks. 864/06, S. 6) und vom 21.03.2007 (BR-Drucks. 240/07, S. 1 f.)

  38. Ravens-Sieberer U, Wille N, Bettge S, Erhart M (2007) Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 50:871–878

    Article  CAS  Google Scholar 

  39. Sick F, Neter E (1988) Ein Beitrag zur pädagogischen Aufgabe des Kinderarztes (1876–1966). Inauguraldissertation. Med. Fakultät Freiburg

  40. Strassburg H-M (2009) Herkömmliche und neue U-Untersuchungen beim Kleinkind. In: Bitzer EM, Walter U, Lingner H, Schwartz F-W (Hrsg) Kindergesundheit stärken. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, S 97

  41. Yarnall KS, Pollak KI, OstbyeT et al (2003) Primary care: Is there enough time for prevention? Am J Public Health 93:635–641

    Article  PubMed  Google Scholar 

  42. Block RW, Palusci VJ (2006) Child abuse pediatrics: a new pediatric subspecialty. J Pediatrics 148(6):711–712

    Article  Google Scholar 

  43. Dubowitz H, Bennett S (2007) Physical abuse and neglect of children. Lancet 369(9576):1891–1899

    Article  PubMed  Google Scholar 

  44. Bode H, Zoubek A (2008) Kinderschutz. Monatsschr Kinderheilkd 156:627–628

    Article  Google Scholar 

  45. Schilke R (2010) Karies als sicherer Indikator für Vernachlässigung? Vortrag beim 60. wissenschaftlichen Kongress des BVÖGD und BZÖGD, 29.04.–01.05.2010, Hamburg

  46. Paul M, Backes J (2008) Frühe Hilfen zur Prävention von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung. Monatsschr Kinderheilkd 156:662–668

    Article  Google Scholar 

  47. Kuo AA, Inkelas M, Maidenberg M et al (2009) Pediatricians‘ role in the provision of developmental services: an international study. J Dev Behav Pediatr 30:331–339

    Article  PubMed  Google Scholar 

  48. VGH B 45/08 Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz

  49. https://www.datenschutzzentrum.de/vortraege/20090401-koop-datenschutz-kinderschutz.html

  50. Palusci V, Hicks R, Vandervort FE (2001) You are hereby commanded to appear: pediatrician subpoena and court appearance in child maltreatment. Pediatrics 107:1427–1430

    Article  CAS  PubMed  Google Scholar 

Download references

Danksagung

Allen Kolleginnen und Kollegen in den Ländern, sowohl im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte wie in öffentlichen Institutionen, sei an dieser Stelle für den konstruktiven Erfahrungsaustausch über die Einladungs- und Meldeverfahren herzlich gedankt.

Interessenkonflikt

Die korrespondierende Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to H. Thaiss.

Rights and permissions

Reprints and permissions

About this article

Cite this article

Thaiss, H., Klein, R., Schumann, E. et al. Früherkennungsuntersuchungen als Instrument im Kinderschutz. Bundesgesundheitsbl. 53, 1029–1047 (2010). https://doi.org/10.1007/s00103-010-1134-8

Download citation

  • Published:

  • Issue Date:

  • DOI: https://doi.org/10.1007/s00103-010-1134-8

Schlüsselwörter

Keywords

Navigation