In der Zeitschrift Der Anaesthesist werden jährlich zwischen 80 und 100 wissenschaftliche Beiträge publiziert. Ganz überwiegend handelt es sich hierbei um Originalarbeiten (ca. 35 %) und Übersichtsarbeiten (ca. 20–25 %). Die nächst häufigste Kategorie entfällt jedoch bereits auf Kasuistiken (ca. 15 %), gefolgt von Publikationen zu Leitlinien, medizinrechtlichen Fragen sowie der Vorstellung von lesenswerten internationalen Publikationen.

Die Darstellung individueller Patientenverläufe mit der Diskussion der jeweils zugrunde liegenden Pathophysiologie und der durchgeführten, aber möglicherweise optimierbaren Therapie hat daher einen sehr stabilen und relevanten Anteil in jeder Ausgabe von Der Anaesthesist.

Dies überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass das „fallbasierte Lernen“ (engl. „problem-based learning“, PBL) wegen seiner lehrdidaktischen Vorteile seit mehr als 20 Jahren auch in Deutschland zunehmend zu einem festen Bestandteil des Medizinstudiums geworden ist, interaktive Falldiskussionen seit vielen Jahren zu den beliebtesten Formaten auf unseren Kongressen zählen und Publikationen mit interessanten Fallvignetten aus den unterschiedlichen Säulen der Anästhesiologie mittlerweile für viele zu einem unverzichtbaren Vorbereitungstool für die Facharztprüfung geworden sind.

So werden auch die in Der Anaesthesist publizierten Kasuistiken gerne gelesen (allein bis zu 3000 Online-Zugriffe je Fall; hier sind Leser der Print-Ausgabe nicht berücksichtigt). Das übersichtliche Format (meist 3 bis 4 Druckseiten), das Gefühl, nach der Lektüre alles Relevante zu einem speziellen Thema erfahren zu haben (einschließlich der Fehler und Irrtümer im Behandlungsverlauf), sowie nicht selten ein sich einstellender „Aha-Effekt“ am Ende nach Auflösung der Diagnose sind sicher wesentliche Gründe für die Attraktivität.

Die publizierten Kasuistiken verzeichnen bis zu 3000 Online-Zugriffe je Fall

Hinzu kommt die hohe Qualität der Fallbeispiele. Ähnlich wie Originalarbeiten werden auch Kasuistiken ausnahmslos einem strengen Peer-Review-Verfahren unterzogen. Mindestens 2 Gutachter, denen wir an dieser Stelle ausdrücklich für ihren Einsatz danken möchten, beurteilen die Qualität jedes Manuskripts, und ca. 40 % aller eingereichten Arbeiten werden wegen fehlender Originalität oder methodischer Mängel abgelehnt. Dafür können Sie als Leserinnen und Leser sicher sein, mit jeder Ausgabe des Hefts geprüftes medizinisches Wissen in Händen zu halten.

Dies soll auch in Zukunft so bleiben, was jedoch keinesfalls selbstverständlich ist. Denn: Die Veröffentlichung von Kasuistiken ist vor dem Hintergrund der Entwicklung des „impact factor“, eines nicht unumstrittenen, aber gleichwohl in der Realität bedeutsamen Qualifizierungsmaßstabs für Wissenschaftszeitschriften, kontraproduktiv. Eine Auswertung der zurückliegenden 5 Jahre ergab, dass der Impact factor von Der Anaesthesist im Durchschnitt bei etwa 1 lag. Das bedeutet: Jede publizierte Arbeit wird im Durchschnitt im Betrachtungszeitraum von 2 Jahren einmal zitiert. Analysiert man die verschiedenen Arten von Artikeln, so ergibt sich, dass Kasuistiken hier vergleichsweise schlecht abschneiden. So liegt der – hypothetische – Impact factor einer Kasuistik bei lediglich 0,15 (d. h. von 6 Kasuistiken wird eine Arbeit in 2 Jahren einmal zitiert), während die Publikation von Leitlinien oder auch von Leitthemen mit einem Impact factor von 1,8 bis 2,6 deutlich besser abschneidet.

Ginge es also lediglich darum, den Impact Factor der Zeitschrift „Der Anaesthesist“ zu erhöhen, so müssten wir auf die Publikation von Fallberichten im gewohnten Format entweder ganz verzichten oder diese in ein gesondertes Heft (dann ohne Listung in den klassischen wissenschaftlichen Online-Datenbanken) auslagern.

Schriftleitung und Herausgeberkollegium haben sich bewusst gegen diesen Schritt entschieden. Der Anaesthesist ist eine Wissenschaftszeitschrift, die im deutschsprachigen Raum jedoch auch eine wichtige Rolle als Fortbildungsorgan für das Gesamtgebiet der Anästhesiologie einnimmt – und hierzu zählt die Publikation von lehrreichen Fallberichten. In der aktuellen Ausgabe 8/2021 von Der Anaesthesist haben wir diesem Format daher mit der Publikation von gleich 4 interessanten Arbeiten aus den Bereichen Intensivmedizin, Notfallmedizin und Regionalanästhesie einen ganz besonderen Stellenwert eingeräumt.

Gleichzeitig möchten wir auch alle potenziellen Autorinnen und Autoren ermuntern, uns neue, spannende, überraschende oder einfach lehrreiche Fälle zuzusenden. Das Intervall zwischen dem Hochladen in den elektronischen „Editorial Manager“ und der Rücksendung der Arbeit zusammen mit aussagekräftigen Gutachten beträgt durchschnittlich lediglich 5 Wochen. Eine rasche Bearbeitung (und in vielen Fällen damit auch eine rasche Publikation) ist damit garantiert!

Ihre

B. Zwissler, R. Rossaint