Die Patientensicherheit nimmt heute einen hohen Stellenwert in der Gesundheitsversorgung ein, und sog. Zwischenfälle, die vor Jahren häufig noch als unvermeidbar oder schicksalhaft galten, sind nicht mehr akzeptabel. Der innerklinische Notfall stellt eine Herausforderung für das Risikomanagement im Krankenhaus dar. Im Gegensatz zur prähospitalen Notfallmedizin existieren in Deutschland bis heute jedoch keine vergleichbaren fest etablierten Strukturen oder gesetzliche Vorgaben zu Aufbau- und Ablauforganisation sowie Personalqualifikation und Ausstattung der innerklinischen Notfallversorgung im Sinne eines „innerklinischen Notarztes“. Gerade im perioperativen Umfeld treten unerwartete Komplikationen im Bereich der Normalstation relativ häufig auf [1]. Oft sind bereits Stunden vor einem möglichen kritischen Ereignis Warnzeichen für die Verschlechterung des Patientenzustands zu erkennen. Diese werden jedoch zu häufig nicht bemerkt, oder es erfolgt keine adäquate Reaktion [2]. Da dies im schlimmsten Fall zum Herz-Kreislauf-Stillstand führen kann, ist es folgerichtig, dass sich der Europäische Rat für Wiederbelebung (European Resuscitation Council, ERC) seit 2005 in seiner Leitlinie zur Wiederbelebung in einem Kapitel mit der Vermeidung innerklinischer Reanimationen und unerwünschter Todesfälle beschäftigt [3].

Im internationalen Vergleich ist gut belegt, dass die Etablierung von entsprechenden Notfallstrukturen Patientenleben retten kann. Dies ist bedingt durch einen frühzeitigen präventiven Therapieansatz zur Verhinderung einer weiteren klinischen Verschlechterung [4].

Um den Risikopatienten zu identifizieren, bedarf es eines strukturierten Monitorings der Vitalparameter sowie einer gewissen Häufigkeit eines Patientenkontakts. Mit „Monitoring“ ist im engeren Sinn nicht allein ein technisches Monitoring durch Geräte gemeint, sondern die Patientenbeobachtung und die Erfassung von entsprechenden Vitalparametern. So haben sich weltweit seit Ende der 1990er-Jahre über 50 verschiedene „Track-and-Trigger“-Systeme etabliert [5]. Allen gemeinsam ist, dass ein standardisiertes System dabei helfen soll, Risikopatienten, deren klinischer Zustand sich zu verschlechtern droht, möglichst frühzeitig zu identifizieren. Praktisch gesehen, bestehen alle Systeme aus 2 Komponenten: die afferente (Patientenbeobachtung, einschließlich Erhebung von Vitalparametern) und die efferente (Reaktion). Etablierte Organisationsstrukturen werden heute auch unter dem Begriff „rapid-response systems“ zusammengefasst. Obwohl die Alarmierungskriterien unterschiedlich sind, führt die Alarmierung selbst immer zur Aktivierung eines entsprechenden Teams, das international als „medical emergency team“ bezeichnet wird. Im deutschsprachigen Raum hat sich der Begriff „medizinische Einsatzteams“ etabliert [6, 7].

Letztlich existiert bis heute jedoch kein System, das allein und generell empfohlen oder ubiquitär angewendet werden könnte. Zu unterschiedlich sind die Krankenhausorganisationsstrukturen in den einzelnen Ländern, aber auch z. B. die Verfügbarkeit von Intensivbetten oder die Ausstattung von Peripherstationen mit Überwachungsmonitoren [8].

In der vorliegenden Ausgabe von Der Anaesthesist stellen Preckel et al. [9] aktuelle Entwicklungen und Potenziale des „remote monitoring“ in der postoperativen Phase im Bereich der Normalstationen dar. Die Autoren erwähnen, ausgehend von der Arbeit um Ghaferi [10], dass die Letalität nach schwerwiegenden postoperativen Komplikationen nicht allein durch das eigentliche Detektieren einer Komplikation beeinflusst wird, sondern durch eine entsprechende qualitativ hochwertige Reaktion, um ein „failure to rescue“ zu vermeiden. Gerade im perioperativen Umfeld kommt dem Anästhesisten eine Schlüsselfunktion zu, da er naturgemäß in die präoperative Risikoevaluation eingebunden ist und so Risikopatienten bereits frühzeitig identifizieren kann. Hier mag zukünftig noch mehr Potenzial liegen, sich im Sinne eines MET als „innerklinischer Notarzt“ in die postoperative Betreuung von Risikopatienten einzubringen, zumal viele Komplikationen nicht vor oder während einer Operation, sondern erst einige Tage nach einem operativen Eingriff auftreten.

Preckel et al. zeigen auf, welche Chancen durch den Einsatz eines Remote monitoring bei der Überwachung postoperativer Patienten auf der Normalstation bestehen. So werden wichtige Aspekte adressiert und Ausblicke auf die weitere Verbesserung des Patientenmonitorings außerhalb der Intensivstationen durch neue, kabellose Monitoring-Systeme gegeben. Die Autoren gehen auch darauf ein, dass das Remote monitoring nicht per se die Ausweitung eines intensivmedizinischen Monitorings auf die Normalstation bedeutet, sondern es vielmehr darum geht, den letztlich bedrohten kritisch Kranken frühzeitiger zu identifizieren, umso eine adäquate Reaktion zu ermöglichen.

Auch wenn es in der Idealvorstellung wünschenswert wäre, die allumfassende Lösung gibt es auch bislang im Kontext eines kabellosen, kontinuierlichen Monitorings (noch) nicht. Die in der Arbeit von Preckel et al. vorgestellten Systeme sind verfügbar und können bereits heute eingesetzt werden.

Eine Anmerkung soll erlaubt sein: Auch in Zukunft wird sich jedes System einer gewissen Kosten-Nutzen-Analyse unterziehen müssen. Inwieweit hier ein „return on investment“ tatsächlich kalkuliert werden kann oder muss, vermag zum aktuellen Zeitpunkt niemand zu sagen, und die vorgestellte Arbeit kann auf diese Aspekte nicht weiter eingehen.

Nicht unerwähnt bleiben die Limitationen eines Remote monitoring: Einerseits fehlen bislang gute Algorithmen, die zur Aktivierung des Systems führen, andererseits ist nicht geklärt, an wen oder an welches Gerät Alarme gesendet werden. Ebenso besteht die Gefahr der Alarmmüdigkeit.

Wie von den Autoren aufgezeigt, wird es zukünftig sehr spannend, wenn es gelingt, das heutzutage noch häufig als Alarmierungskriterium verwendete Bauchgefühl (der Krankenschwestern und Ärzte) durch objektive Erkenntnisse und Daten aus dem „machine learning“ und der „artificial intelligence“ tatsächlich in Systeme zu integrieren, und Risikopatienten frühzeitig zu detektieren, noch bevor es zur Verschlechterung der Vitalparameter kommt. Ob und wie diese neuen Remote-monitoring-Systeme zu einer Verbesserung des Behandlungserfolges der Patienten führen und wie hierbei mit den Herausforderungen datenschutzrechtlicher Aspekte umgegangen wird, muss in einem weiteren Schritt in großen klinischen Studien erst noch gezeigt werden.

Wer die Entwicklungen des ersten Smartphone bis zur heute verfügbaren Technologie mit all den umfangreichen Computerfunktionalitäten und Konnektivitäten verfolgt hat, wird aber wissen, dass dieser Prozess nicht erst jetzt beginnt, sondern wir uns schon mitten in rasanten Entwicklungen, auch im Krankenhaus, befinden und diese heute aktiv in allen Belangen mitgestalten können.