Relaxiert wach und trotzdem „relaxed“

Zusammenfassung

Wir berichten über eine 23-jährige Patientin, die sich nach kieferchirurgischer monomaxillärer Umstellungsosteotomie nun der Metallentfernung unterzog. Am Ende des operativen Eingriffs wurde die Anästhetikazufuhr beendet. Über einen Zeitraum von 30 min wurden mehrere erfolglose Aufwachversuche unternommen. Während der gesamten Zeit waren keine Veränderungen der Herzfrequenz oder des Blutdrucks, keine Rückkehr von Schutzreflexen (Husten, Schlucken, Pressen) sowie keine motorischen oder stressbedingten Reaktionen (Schwitzen, Tränenfluss, Mydriasis) festzustellen. Erst 30 min nach Operationsende wurde bei der Patientin ein Überhang von Mivacurium mit der Relaxometrie diagnostiziert. Es wurde eine intensivmedizinische Nachbeatmung für 9 h unter Sedierung durchgeführt. Als Ursache der verlängerten Relaxanzienwirkung wurde das Vorliegen einer atypischen Cholinesterase festgestellt. Die Patientin konnte sich nachträglich detailliert an die Ereignisse erinnern. Sie gab an, keine Angst oder Hilflosigkeit verspürt zu haben, da sie die Stimme der Anästhesistin die ganze Zeit über beruhigt habe. Die Anästhesistin war seit vielen Jahren eine enge Freundin der Familie der Patientin. In einem Gespräch einige Monate nach dem Ereignis gab die Patientin weder eine verstärkte Angst gegenüber operativen Eingriffen noch andere negative psychische Folgen auf ihr Leben an. Der beruhigende Einfluss der Anästhesistin hat verhindert, dass die Ereignisse für die Patientin zu einem traumatischen Erlebnis mit möglichen anhaltenden psychischen Folgen wurde.

Abstract

We report on a 23-year-old female patient who underwent removal of the implants after maxillary surgery. At the end of surgery the administration of anaesthetic agents was discontinued. During the following 30 min several attempts were made to wake the patient, but she did not respond to verbal or pain stimuli. No changes in heart rate, blood pressure vegetative reactions such as sweating, lacrimation, or mydriasis were noted. Protective reflexes like coughing could not be elicited. After 30 min neuromuscular monitoring was applied and indicated residual muscle paralysis after the use of mivacurium. The patient was again sedated and transferred to the ICU, where she was mechanically ventilated for an additional 9 h. An atypical cholinesterase was determined as the underlying reason for the prolonged action of mivacurium. Retrospectively, the patient remembered the attempted wake-up period in detail. However, she reported no feelings of fear or helplessness because she had faith in the anaesthesiologist, a close friend of the patient’s family for many years, who kept her calm and comfortable by talking to her during the entire period. Several months after the incident, the patient reported having neither increased fear of surgery nor any negative psychological effects on her life following this incident of awareness.