Zusammenfassung
Succinylbischolin und Mivacurium führen bei Patienten mit quantitativ oder qualitativ verminderter Plasmacholinesteraseaktivität durch verzögerten Abbau dieser Muskelrelaxanzien zu prolongierter neuromuskulärer Blockade mit protrahierter postoperativer Apnoe. Eine präoperative rein quantitative laborchemische Bestimmung der Plasmacholinesteraseaktivität schützt nicht sicher vor dem unerwarteten Auftreten solcher prolongierter neuromuskulärer Blockaden nach Muskelrelaxation mit Succinylbischolin oder Mivacurium, da aufgrund genetisch bedingter Plasmacholinesterasevarianten auch qualitativ verminderte Enzymaktivitäten mit verminderter Fähigkeit zur Hydrolyse und Deaktivierung von Succinylbischolin und Mivacurium möglich sind. Eine routinemäßige präoperative rein quantitative Enzymaktivitätsbestimmung der Plasmacholinesterase erscheint daher wenig sinnvoll. Eine zusätzliche, kostenintensive Zusatzbestimmung der Dibucain- und/oder Fluoridzahl zur Erkennung genetisch bedingter qualitativ aktivitätsgeminderter Plasmacholinesterasevarianten kann vor dem Einsatz von Succinylbischolin oder Mivacurium bei stationären und/oder ambulanten Allgemeinanästhesieverfahren als Routinevorgehen aber ebenfalls nicht allgemein verbindlich gefordert werden. Unverzichtbar erscheint hingegen der Einsatz eines suffizienten intra- und perioperativen neuromuskulären Monitorings zur Steuerung der Relaxanswirkung und zur frühzeitigen Erkennung eines potentiellen Relaxansüberhangs sowie die Kenntnis, wie bei unerwartet auftretender prolongierter neuromuskulärer Blockade mit konsekutiv protrahierter postoperativer Apnoe gerade nach ambulanten operativen Eingriffen therapeutisch vorzugehen ist. Sowohl für Succinylbischolin wie auch für Mivacurium wird bei Auftreten prolongierter neuromuskulärer Blockaden mit protrahierter postoperativer Apnoe die kontrollierte bzw. assistierte Nachbeatmung unter ausreichender Analgosedierung und neuromuskulärem Monitoring bis zum Wiedereintritt einer suffizienten Spontanatmung als Methode der Wahl empfohlen. Pharmakologische Antagonisierungsversuche sowie theoretisch denkbare Substitutionsbehandlungen mit Blutbestandteilen wie fresh-frozen-plasma (FFP) oder Plasmacholinesterasepräparationen werden bei prolongierter neuromuskulärer Blockade mit protrahierter postoperativer Apnoe nach Relaxation mit Succinylbischolin wie auch Mivacurium allgemein nicht empfohlen.
Abstract
Succinylcholine and mivacurium are degraded more slowly in patients with a qualitatively or quantitatively reduced plasma cholinesterase and are therefore known for inducing a prolonged postoperative apnea. Perioperative laboratory screening even including plasma cholinesterase activity testing will not prevent this due to a possible aberration only in the qualitative cholinesterase activity. This is illustrated by introducing two cases reports of prolonged apnea after administration of mivacurium or succinylcholine. The pathophysiology of plasma cholinesterase is reviewed including genetically determined variants and the degradation pathways of mivacurium and succinylcholine. Only extensive laboratory chemical tests are sufficient to prevent this possible complication. Due to the rare incidence there is no evidence for recommending these laboratory investigations in all patients. Once prolonged apnea occurs following the administration of mivacurium or succinylcholine the best choice is ongoing ventilation combined with a sufficient sedation.
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Lang, C., Lukasewitz, P., Wulf, H. et al. Plasmacholinesterasevarianten als Ursache prolongierter neuromuskulärer Blockaden Übersicht und Problemdarstellung anhand zweier Fallberichte prolongierter neuromuskulärer Blockaden nach Muskelrelaxation mit Succinylbischolin bzw. Mivacurium. Anaesthesist 51, 134–141 (2002). https://doi.org/10.1007/s00101-001-0276-3
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00101-001-0276-3