Eine Verschiebung der Tumorrisiken hat Folgen für die Risikoabschätzung für ein biochemisches Rezidiv von Prostatakrebs nach radikaler Prostatektomie.

Das Risiko, binnen zehn Jahren nach einer kurativ intendierten radikalen Prostatektomie (RPE) wegen eines Prostatakarzinoms (PCA) ein biochemisches Rezidiv (BCR) zu erleiden, wird auf etwa 30 % taxiert. Diese Zahl geht auf Daten von vor dem Jahr 2005 behandelten Patienten zurück. Seitdem hat sich aber viel verändert: Es werden deutlich weniger Männer mit Niedrigrisiko(LR)-PCA radikal operiert, stattdessen werden sie oft konservativ behandelt oder erhalten Active Surveillance (AS). So steigt der Anteil der Hochrisikopatienten unter denjenigen, die doch eine RPE benötigen. Hinzu kommt die genauere Risikoklassifikation durch mittels Magnetresonanztomografie (MRT) gesteuerte Biopsien, sodass mehr riskante PCA als solche identifiziert werden.

All das beeinflusst das errechnete Risiko eines BCR nach RPE. Bestätigt hat das eine Studie mit rund 6.700 Patienten mit RPE, von denen rund die Hälfte vor und die andere Hälfte nach 2010 operiert wurde. Es zeigte sich eine BCR-Inzidenz in den acht Jahren nach der OP von 40 % bei den nach und 36 % bei den vor 2010 operierten Männern. Nach dem Abgleich gegen diverse Einflussfaktoren ergab sich ein nach 2010 um 15 % erhöhtes Risiko für BCR. Wurden indessen im Abgleich auch Risikomerkmale der PCA berücksichtigt, verschwand die Risikosteigerung nach 2010. Den Studienautor*innen zufolge belegt das, dass die zuvor errechnete Differenz einem veränderten Risikoprofil der operierten PCA vor und nach 2010 zuzuschreiben ist.

Eine verbesserte Prognose bezüglich BCR war nach 2010 in der Gruppe mit günstigem intermediärem Risikoprofil festzustellen, also bei PCA, die nur eines der Merkmale PSA-Spiegel 10-20 ng/ml, Gradgruppe 2 oder klinisches Stadium T2b aufwiesen; das Rezidivrisiko lag hier um signifikante 24 % niedriger als in der Zeit vor 2010. Für Patienten mit ungünstigem intermediär riskantem PCA (≥ 2 der genannten Merkmale, ≥ 50 % positiven Stanzen oder Gradgruppe 3) war eine Rezidivreduktion um 22 % festzustellen. Zur Risikominderung bei intermediär riskanten PCA kam es wohl teils aufgrund genauerer Klassifikation und selteneren Upgradings nach der OP. Daten zur MRT-Nutzung lagen nicht vor. Männer mit Hochrisiko(HR)-PCA hatten nach 2010 ein um 22 % höheres Risiko für BCR als vor 2010, womöglich infolge genauerer Diagnostik, aber auch von Veränderungen im Grading. Für LR-PCA war kein Unterschied auszumachen.

In den acht Jahren nach der OP erreichten die Rezidivquoten für nach 2010 operierte Patienten 21 % bei günstigen intermediären, 41 % bei ungünstigen intermediären und 60 % bei HR-PCA. Insgesamt hat sich das Risiko für BCR nach RPE in der AS-Ära erhöht, auf 40 % in acht verglichen mit ehemals kommunizierten 33 % in zehn Jahren. Zurückzuführen ist das auf den veränderten Fallmix: Männer, die radikal operiert werden, haben inzwischen riskantere PCA als vor dem Einzug der AS. Speziell das Rezidivrisiko von Patienten mit HR-PCA hat sich erhöht: Bei 60 % der Männer mit HR-PCA tritt binnen acht Jahren nach dem Eingriff ein BCR auf.

Fazit: Insgesamt ist das Rezidivrisiko für BCR nach RPE inzwischen höher als vor der breiten Anwendung der AS, weil radikal operierte Patienten seither eher HR-PCA haben. Patienten müssen über die gegenwärtigen Risiken für Rezidive ins Bild gesetzt werden, damit sie informiert über ihre Therapieoptionen mitentscheiden können. Die Ergebnisse spiegeln womöglich nicht das Risiko für BCR nach anderen Therapiearten wie der Radiatio; es lagen keine Daten zur MRT-Nutzung vor, deren Effekt auf die Rezidivraten ließ sich daher nicht überprüfen.

Das S et al. Contemporary risk of biochemical recurrence after radical prostatectomy in the active surveillance era. Urol Oncol 2024; https://doi.org/10.1016/j.urolonc.2024.02.010