Neben fachlichen und materiellrechtlichen Problemen zeichnen sich Arzthaftungsprozesse immer mal wieder auch durch speziellere prozessrechtliche Fragestellungen aus. Über die Frage der örtlichen Zuständigkeit hatte das Oberlandesgericht Hamm zu entscheiden.

Eine Klägerin nahm als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns einen Urologen auf Schadensersatz wegen streitiger Befunderhebungsfehler in Anspruch. Nachdem bei ihm 2013 ein Harnblasentumor entfernt worden war, hatte schon eine Biopsie im November des Folgejahres aus Sicht der Klägerin einen unklaren Befund ergeben. Wieder ein Jahr später wurde der Patient erneut vorstellig und beklagte Schmerzen beim Wasserlassen und Blut im Urin, worauf er zystoskopiert wurde. Dabei wurden keine tumorsuspekten Areale gefunden, weshalb auf eine Biopsie verzichtet wurde.

Darauf vertrauend sah der Urologe keinen Anlass für ein CT/MRT. Er ging von einer Blasenentzündung aus und verschrieb ein Antibiotikum. Bei dieser Diagnose blieb er wohl noch, als es im April 2016 wieder zu massiven Blutungen im Urin kam. Der Patient suchte dann aber einen anderen Arzt auf. Eine Zystoskopie im Juli 2016 zeigte „schattenartige Veränderungen im Blasenbereich“, nach einer Biopsie wurde Harnblasenkrebs im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert.

So sah das Gericht den Fall

Mit der Klage wandte sich die Frau an das für den Urologen gemäß dessen allgemeinem Gerichtsstand zuständige Landgericht (LG) Hagen. Nachdem er sich verteidigte und der die Zystoskopie im Oktober 2015 durchführenden Klinik vorsorglich den Streit verkündet hatte, erging ein Beschluss gemäß § 358a ZPO, wonach ein Sachverständigengutachten eingeholt werden sollte. Nach Anforderung ergänzender Unterlagen, Einzahlung des Auslagenvorschusses und Anfrage bei der Ärztekammer bezüglich geeigneter Sachverständiger erweiterte die Klägerin ihre Klage noch gegen die Klinik, die ebenso hafte, da sie nach Meinung der Klägerin eine anlässlich der Auftragserteilung noch gebotene, interdisziplinäre Rücksprache unterlassen und infolgedessen behandlungsfehlerhaft auf eine Biopsie verzichtet habe. Das LG Hagen wies aber darauf hin, dass es für die Klinik örtlich nicht zuständig sei, deren allgemeiner Gerichtsstand (§§ 12, 17 Abs. 1 ZPO) sich im Bezirk des LG Dortmund befand und auch § 32 ZPO (Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung) nicht greife, da die fehlerhaft vorgeworfene Handlung respektive Unterlassung in Dortmund begangen worden sei. Dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm wurde darauf ein Antrag zur Gerichtsstandbestimmung (§ 36 Abs. 1 S. 3 ZPO) vorgelegt. Auch dieses bestimmte aber nicht das LG Hagen für zuständig, sondern wies den Antrag zurück, weil bereits mit der Beweisaufnahme begonnen und die Klage erst danach auf die weitere Beklagte erstreckt worden war (Beschl. v. 6.8.2019, Az. I-32 SA 42/19).

Was bedeutet der Beschluss für den klinischen und forensischen Alltag?

Der Beschluss zeigt anschaulich, welches Gericht für welchen Beklagten jeweils örtlich zuständig ist respektive werden kann. Dies richtet sich dem Grund nach erst einmal nach dem allgemeinen Gerichtsstand, wo der oder die Beklagte sitzt, oder wo etwa die streitige Fehlbehandlung begangen wurde. Ergibt sich insoweit bei mehreren Beklagten aber keine Schnittmenge, kann noch eine Zuständigkeitsbestimmung des im Rechtszug nächsthöheren Gerichts in Betracht kommen, weil es letztlich unter Zweckmäßigkeitserwägungen im Interesse aller liegt, eine Entscheidung durch (nur) ein Gericht herbeizuführen (BGH, Beschl. v. 7.10.1977, Az. I ARZ 513/77).

Dafür ist aber kein Raum mehr, wenn die Beweise bereits aufgenommen wurden oder dies unmittelbar bevorsteht. Denn dann greifen die Überlegungen zur Prozessökonomie nicht mehr; im Gegenteil könnte es dann gar zu Verzögerungen sowie (Folge-)Problemen kommen und es schiene mit der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nur schwer vereinbar, eine bisher unbeteiligte Partei noch gegen ihren Willen in eine bereits angelaufene Beweisaufnahme zu ziehen.

Auch wenn noch kein Sachverständiger vorliegend benannt war, sah das OLG Hamm schon allein mit dem ergangenen Beweisbeschluss diese Beweisaufnahme als begonnen. Das LG Hagen konnte deshalb nicht für (mit) „zuständig“ erklärt werden. Umgekehrt entzog der Beschluss der Klägerin aber natürlich nicht die Klagemöglichkeit; sie musste „nur“, wenn sie die Klage auch gegen die Klinik fortführen wollte, insofern einen Verweisungsantrag ans LG Dortmund stellen oder dort die Klage erneut erheben, sodass sich am Ende zwei Gerichte vorliegend mit dem Sachverhalt befassen mussten beziehungsweise müssten.