Die Zahl der Publikationen in Zusammenhang mit COVID-19 ist drei Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie schon fast unüberschaubar groß geworden. Höchste Zeit für eine Auswertung des derzeitigen Wissensstands im Hinblick auf Sexualität und Fertilität in der Pandemie.

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Welche Folgen Corona auf die Fruchtbarkeit hat, zeigt sich erst jetzt.

Man kann durchaus behaupten, dass die SARS-CoV-2-Pandemie in Westeuropa mehr soziale Veränderungen verursacht hat als irgendein anderes singuläres Ereignis der letzten 75 Jahre. Auf PubMed® finden sich mehr als 300.000 medizinische Fachartikel zu diesem Thema, flankiert und angereichert durch eine umfangreiche Berichterstattung in der Laienpresse und einem regelrechten Tsunami an Artikeln im Internet. Es überrascht deshalb nicht, dass man für jede noch so abwegige Meinung Forschungsergebnisse und echte oder gefälschte (Fake-)Nachrichten als Beleg finden kann.

Wenn man verstehen will, was in der Pandemie passiert ist, ist es unerlässlich, mindestens vier Faktoren zu bedenken:

  • direkte Auswirkungen der SARS-CoV-2-Infektion,

  • Auswirkungen in verschiedenen Ländern und Kulturen,

  • Auswirkungen von Entzündungen und anderen pathologischen Prozessen, die bei jeder Krankheit auftreten können,

  • Auswirkungen des Pandemiemanagements, insbesondere der Lockdowns.

Der Einfachheit halber geht es in diesem Artikel um die kombinierten Folgen der Corona-Pandemie.

Rezeptoren des SARS-CoV-2-Virus im Urogenitaltrakt

Das Corona-Virus heftet sich an Rezeptoren des Angiotensin-Converting-Enzyme-2 (ACE-2). Es benötigt die transmembrane Serinprotease-2 (TMPRSS-2), um in die Zelle einzudringen. Mit Ausnahme der Nebenhoden kommen beide Enzyme im gesamten männlichen Genitaltrakt vor, besonders ausgeprägt in den Sertoli-Zellen und den Spermienstammzelle. Bei unfruchtbaren Männern ist die Expression erhöht [1, 2, 3].

In einer chinesischen Studie mit Männern, die akut an Corona erkrankt waren oder sich in den ersten zwei bis drei Tagen der Genesung befanden, wiesen sechs von 38 Männern PCR-positive Spermien auf. Die Studiengruppe umfasste alle stationär behandelten Männer in einer Stadt über einen Zeitraum von drei Wochen. Kein Patient weigerte sich, eine Probe abzugeben, es sei denn, er war impotent oder bewusstlos [4].

Nur in einer von 28 Studien wurde das Virus im Ejakulat nachgewiesen [5]. Es ist allerdings unklar, ob hier lebensfähige Viren vorliegen können [6]. Virusfragmente wurden in zwei von neun Studien im Sperma von COVID-19-Patienten gefunden [7]. Bei den wenigen Männern, bei denen Prostatasekretexprimat gewonnen wurde, wurde kein Virus gefunden [5].

Bei Frauen ist die Situation weniger klar. Zwei jüngere Übersichtsarbeiten kommen zu dem Schluss, dass ACE-2 in den Eierstöcken, der Gebärmutter, der Dezidua und der Vagina exprimiert wird. Im ersten Trimester ist die Expression im Trophoblast erhöht, in der späteren Schwangerschaft in der gesamten Plazenta, im Chorion, im Amnion und in der Nabelschnur [8, 9]. In einer Studie aus dem Jahr 2020 konnte allerdings mit Einzelzellsequenzierung aus frischem Uterus, Myometrium, Eierstock, Eileiter und Brustepithel keine signifikante Expression nachgewiesen werden [10]. Es ist schwierig, diese Ergebnisse miteinander in Einklang zu bringen.

In der Vagina ist das SARS-CoV-2-Virus selten - in sechs von acht Studien über Frauen mit COVID-19 wurden keine Fälle gefunden. Rektale Abstriche in einer dieser Serie waren in 27 % der Fälle Virus-positiv, obwohl in allen Vaginalproben der Nachweis misslang [11]. In den beiden Studien mit positiven Vaginalabstrichen gab es vier positive Ergebnisse bei 98 Frauen, von denen 63 schwanger waren. Eine der schwangeren Frauen hatte Viren in der Plazenta, während der Vaginalabstrich negativ war [12, 13]. Bei Frauen über 60 Jahren wurde ein gleichsinniger Zusammenhang zwischen positiven rektalen und vaginalen Abstrichen festgestellt: Immerhin sechs von 30 Frauen (20 %) wiesen positive rektale und vaginale Abstriche auf. Bei 50 Frauen unter 60 Jahren waren vier Vaginalabstriche positiv, alle Rektalabstriche waren negativ [14]. Bei der Menstruation wurden Veränderungen beobachtet - hauptsächlich verlängerte Zyklen. Abweichungen der Geschlechtshormone wurden nicht festgestellt [15].

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Bindung des SARS-CoV-2-Virus an einen ACE2-Rezeptor auf einer menschlichen Zelle (nicht maßstabsgetreu, konzeptionelle Computerdarstellung)

Auswirkungen auf die Spermien

Die Expression von ACE-2-Rezeptoren in Spermastammzellen lässt vermuten, dass COVID-19 die Spermienproduktion schädigen könnte. Drei Monate nach einer Vasektomie stellt sich bei bis zu 98 % der Männer die Azoospermie ein [16]. Das heißt, dass die Spermienparameter im Ejakulat die Ereignisse in den Hoden bis zu drei Monate zuvor widerspiegeln sollten. Werden Anomalien der Spermien während der Corona-Infektion oder der frühen Genesung entdeckt, handelt es sich wahrscheinlich um einen Schaden, der während des Transports oder der Lagerung entstanden ist. Dies wäre mit der hohen Expression von TMPRSS-2- und ACE-2-Rezeptoren in der Prostata vereinbar [17, 18]. Später festgestellte Anomalien im Sperma könnten auf eine Hodenschädigung zurückzuführen sein.

Auch in der Abwesenheit von Viren sind die Spermaparameter bei vielen Männern abnormal. Leider gibt es in vielen Studien weder eine gute Definition des Schweregrads der COVID-19-Erkrankung, noch Angaben über die Dauer der Rekonvaleszenz. Die Spermaqualität vor der Erkrankung ist in der Regel nicht bekannt.

In einer Metaanalyse von Männern mit leichtem oder asymptomatischem Infektionsverlauf war die Spermienkonzentration in 46 % der Fälle, die Gesamtmotilität in 50 % der Fälle und die progressive Motilität in 76 % der Fälle reduziert. Höheres und länger andauerndes Fieber war der einzige Parameter, der sich negativ auswirkte, während sich die Spermaqualität nach der Genesung mit der Zeit erholte [19]. Es überrascht nicht, dass die Schädigung der Samenflüssigkeit mit der Schwere des Krankheitsverlaufs, gemessen an Fieber und Entzündungsmarkern, zunahm. Diese Beobachtungen sind jedoch nicht spezifisch für COVID-19-Infektionen. Ähnliche Zusammenhänge finden sich auch bei so unterschiedlichen Erkrankungen wie chronischer Niereninsuffizienz und HIV-Infektionen [20, 21].

Die wahrscheinlich längste Kohortenbeobachtung umfasst 84 stationär behandelte COVID-19-Patienten aus Iran mit mittelschweren bis sehr schwere Erkrankungsverläufen. 108 fruchtbare Männer dienten als Kontrollgruppe. Das Sperma wurde bis zu zwei Monate lang in Abständen von zehn Tagen analysiert. Bei infizierten Männern fand man eine Abnahme auf die Hälfte des normalen Spermavolumens und eine mittlere Spermienkonzentration von 15 × 106, eine Beeinträchtigung von progressiver Motilität und Morphologie. Es wurden signifikant höhere Werte für die enzymatische Aktivität von ACE-2 im Sperma, pro- und antiinflammatorische Zytokine und apoptotische Variablen festgestellt, die mit einer COVID-19-Erkrankung in Verbindung gebracht werden. Mit der Zeit kam es zu statistisch signifikanten Verbesserungen der Spermienkonzentration und -motilität, die aber bis zu 60 Tage lang klinisch unbedeutend zu sein scheinen [22].

Eine Proteomanalyse des Ejakulats von Männern, die sich von COVID-19 erholt haben, hat gezeigt, dass mehrere wichtige Signalwege der Reproduktionsfunktion herunterreguliert sind: die Spermien-Oozyten-Erkennung, die Testosteronreaktion, die Regulierung der Zellmotilität, die Regulierung der Adhäsion, die extrazelluläre Matrixadhäsion und die Endopeptidaseaktivität [23].

In einer Obduktionsserie wiesen die Hoden von Männern mit COVID-19 in 75 % der Fälle histologisch eine gestörte Spermatogenese auf. Assoziiert war dies mit einer Hochregulierung des miR-371a-3p-Gens, einem guten Marker für Unfruchtbarkeit, in Serum und Hodengewebe [24].

Es scheint klar zu sein, dass eine klinisch signifikante COVID-19-Infektion zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Spermaqualität führt, die sich nur langsam erholt. Während das Virus eine direkte Auswirkung auf die Sexualität des Menschen hat, gibt es gegenwärtig keine Hinweise auf eine direkte sexuelle Übertragung [25]. Allerdings können bei einer Atemwegsinfektion auch nicht penetrative sexuelle Aktivitäten zu einer Übertragung des Virus führen.

Sexualgewohnheiten

Bei den Abermillionen sexueller Handlungen, die täglich auf der ganzen Welt vorgenommen werden, ist es naturgemäß sehr schwierig, herauszufinden, welche Veränderungen ursächlich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind. In der medizinische Literatur finden sich nur kleine Serien mit sehr kurzer Nachbeobachtungszeit. Wenige davon sind prospektiv angelegt, der Status vor der Erkrankung ist nicht immer bekannt. Außerdem war es selbst in der schlimmsten Zeit der Pandemie besser, Sex zu haben, als abstinent zu leben: In einer Kohorte von 7.000 Personen war das Drittel, das regelmäßig Sex hatte, glücklicher als die abstinenten zwei Drittel. Nach den üblichen Maßstäben für sexuelle und psychische Gesundheit ging es denjenigen, die Sex hatten, deutlich besser als den Zölibatären [26].

Sexuelle Gewohnheiten sind eng mit der psychischen Gesundheit verknüpft, die durch die Pandemie erheblich gelitten hat. Sie scheinen in den verschiedenen Ländern unterschiedlich zu sein. Die großen Anstrengungen, die unternommen wurden, um Veränderungen in der Sexualität zu definieren, haben einige allgemeine Trends erkennen lassen. Ob sie von Dauer sind oder vergänglich, bleibt abzuwarten. Einige Autoren haben bereits belegt, dass der Sex nach der Genesung von der Krankheit in der gewohnten und bewährten Weise weitergeht [27, 28].

Generell hat sich die Pandemie negativ auf alle Aspekte des Geschlechtsverkehrs ausgewirkt, mit Ausnahme von "Solo-Aktivitäten" [29]. In festen Beziehungen verschlechterten sich messbare Merkmale der Sexualität wie Vorspiel, Häufigkeit, Dauer und Potenz. In einer britischen Studie ging die Häufigkeit sexueller Aktivitäten um 40 % zurück [30]. Auch subjektive Aspekte wie Libido, Lubrikation und Lustempfinden haben wahrscheinlich abgenommen.

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Wer Sex hatte, war auch in der Pandemie glücklicher.

Besonders betroffen von sexuellen Funktionsstörungen scheinen Beschäftigte im Gesundheitswesen zu sein; in einer Metaanalyse beklagten 64 % der in einem "Covid-Umfeld" Beschäftigten über einschlägige Symptome, verglichen mit 32 % derer, die in einem "Nicht-Covid-Umfeld" arbeiteten [31]. Länger andauernde Impotenz wurde als wichtiger Marker für die Entwicklung von Long Covid erkannt [32].

Eine Umfrage unter Frauen in der Türkei ergab dagegen zwar eine erhöhte Frequenz, aber eine geringere Zufriedenheit mit dem Geschlechtsverkehr [33]. In einer Studie aus China wurde eine Zunahme des Geschlechtsverkehrs bei Männern, aber nicht bei Frauen festgestellt, was wiederum Fragen zum Sexualverhalten der Probanden aufwirft. Überraschenderweise verbesserte sich während der Pandemie das Sexualverhalten derjenigen, die vor der Pandemie über eine geringe sexuelle Zufriedenheit berichtet hatten [34].

Die Nutzung von Pornografie im Internet hat während der Pandemie zugenommen. "Pornhub", einer der größere Anbieter der Branche, meldete für die Zeit zwischen Februar und März 2020, als in vielen Ländern der erste Lockdown verhängt wurde, einen Anstieg des Datenverkehrs um 11 %. Als das Angebot der Seite für die Nutzer kostenlos wurde, gab es einen weiteren Anstieg um bis zu 24 % [35].

Mehrere Länder haben einen Rückgang von riskantem Sexualverhalten festgestellt, insbesondere bei homosexuellen Männern. Dies spiegelt sich im Rückgang sexuell übertragbarer Krankheiten wider, insbesondere der Urethritiden [36]. Online-Sex hat indes zugenommen, sowohl mit festen Kontakten als auch mit Sexarbeitern [37, 38].

Insbesondere während der Lockdowns hat aggressives und kriminelles Sexualverhalten zugenommen. Vieles davon geschah innerhalb der häuslichen Umgebung und ist deshalb nur schwer zu dokumentieren, aber auch Stalking wurde häufiger beobachtet. Es scheint sich hierbei um universelle Probleme zu handeln, die zwar in reichen und armen Ländern auftreten, aber in benachteiligte Regionen und bei Jugendlichen häufiger vorkommen [39, 40, 41]. Ein besorgniserregender Bericht aus Israel beschreibt eine Zunahme des sexuellen Missbrauchs unter Geschwistern, insbesondere in dysfunktionalen Familien [42]. Dies wurde zwar von nirgendwo anders berichtet, doch dürfte Israel in dieser Hinsicht kein Einzelfall sein.

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Die Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln hat sich während der Pandemie nicht nennenswert verändert.

Fruchtbarkeit

Die Pandemie setzte plötzlich ein und hatte damit direkte Auswirkungen auf viele Menschen mit fester Familienplanung - einige wollten schwanger werden, andere befanden sich in einer Fruchtbarkeitsbehandlung und wieder andere Frauen waren bereits schwanger. Es ist allerdings noch nicht genug Zeit vergangen, um sich ein genaues Bild von den Auswirkungen des Virus oder seiner sozialen Folgen auf die Geburtenrate zu machen. Im Vereinigten Königreich etwa berichtete die Zeitung Times im März 2022, dass das Corona-Virus "mit der niedrigsten Geburtenrate seit 1938 in Verbindung gebracht wird" [43]. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels stammten die letzten für Großbritannien verfügbaren Zahlen zur Geburtenrate aus dem ersten Quartal 2021, als die meisten der geborenen Babys noch vor Beginn der Pandemie gezeugt oder geplant worden waren. Die Geburtenrate im Vereinigten Königreich ist seit 2012 kontinuierlich um etwa 4 % pro Jahr gesunken, die aktuellen Zahlen folgen diesem Trend.

In einer prospektiven Studie wurden 2.126 nordamerikanische Frauen, die schwanger werden wollten, ein Jahr lang alle acht Wochen beobachtet. Es gab keinen signifikanten Unterschied bei den Empfängnisraten pro Zyklus zwischen den Frauen mit und ohne COVID-19 oder in Abhängigkeit von ihrem Impfstatus. Es gab eine vorübergehende Beeinträchtigung, wenn die Männer COVID-19 hatten [44].

Aus der wenigen vorhandenen Literatur geht hervor, dass die meisten der Frauen, die schwanger werden wollten, dieses Ziel auch weiterverfolgten - es sei denn, sie oder ihr Partner waren zu krank, um Geschlechtsverkehr zu haben.

Auch andere Faktoren, die unter dem Einfluss der Pandemie stehen, können Auswirkungen auf die Geburtenrate haben. So hat sich die Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln in dieser Zeit nicht nennenswert verändert. Arme und junge Menschen waren am meisten von der Unterstützung im Bereich sexueller Gesundheit abgeschnitten [40]. Nur in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen ging die Versorgung mit Verhütungsmitteln in unterschiedlichem Ausmaß zurück. Schwerwiegende Engpässe waren nicht die Norm und von kurzer Dauer [45]. Es liegen keine Daten über die Art der ergriffenen Verhütungsmaßnahmen vor. Daraus ließe sich schließen, dass in ärmeren Ländern die kostenlosen Angebote begrenzt sind. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass chemische Verhütungsmittel das Infektionsrisiko erhöhen. Östrogene können möglicherweise sogar eine schützende Wirkung entfalten. Eine COVID-19-Erkrankung kann durch Thromboembolien kompliziert werden. Die Verwendung eines kombinierten hormonellen Kontrazeptivums erhöht dieses Risiko allerdings nicht [46].

Die Möglichkeit eines legalen Schwangerschaftsabbruchs ist in vielen Ländern eine politische Frage. In den Ländern, in denen ein Schwangerschaftsabbruch per se eingeschränkt ist, wurde die Pandemie zum Anlass genommen, diese Option noch weiter einzuschränken oder ganz zu verbieten. Von den 46 europäischen Ländern waren Abtreibungen in sechs Ländern verboten, in zwölf Ländern war der Zugang zu dieser Dienstleistung eingeschränkt oder "nicht verfügbar". In acht Ländern (einschließlich des Vereinigten Königreichs) war dagegen ein medizinischer Schwangerschaftsabbruch zu Hause mit Misoprostol und Mifipriston möglich [47].

In Lateinamerika verschärfte die Pandemie bereits bestehende Probleme und schränkte den Zugang zu jeglicher Form sexueller Gesundheitsfürsorge weiter ein. Es kam zu einer Zunahme illegaler Abtreibungen [48]. In den südlichen Bundesstaaten und im mittleren Westen der USA litten Abtreibungskliniken unter plötzlichen Schließungen, einem Mangel an Ärzten, die bereit waren, in diesem Bereich zu arbeiten, einer Beschränkung der Teleberatung zum Thema, verstärkten Aktionen von politischen Aktivisten und einer nicht medizinische Regulierung der Dienste. Dies wird in der Studie auf die "Politik des Abtreibungsexzeptionalismus" zurückgeführt [49].

Man könnte annehmen, dass die Nachfrage nach Schwangerschaftsabbrüchen aufgrund der durch die Pandemie ausgelösten Ängste zunehmen und dadurch die Geburtenrate sinken würde. Es ist beruhigend, festzustellen, dass etwa in Sardinien die Zahl der Lebendgeburten zwar um 30 % zurückging, die Zahl der Abtreibungen jedoch im gleichen Maße sank [50]. Natürlich handelt es sich hierbei um ein Einzelbeispiel, die Ergebnisse aus anderen Ländern stehen noch aus.

Die Angst vor Unfruchtbarkeit ist nach wie vor ein wichtiger Grund für das Zögern bei der Bereitschaft, sich impfen zu lassen. Die Zahl der Internetrecherchen zu diesem Thema ist um das 30-fache gestiegen, als Ende 2020 die ersten Impfstoffe zugelassen wurden. Von den Impfgegnern in den USA glaubten oder befürchteten 46 %, dass ihre Fruchtbarkeit durch die Impfung leiden könne. Bedauerlicherweise sind diese Ansichten in wohlhabenden und gebildeten Bevölkerungsschichten häufiger anzutreffen [51, 52]. In einer prospektiven Studie mit geimpften Samenspendern wurde eine Verringerung der Spermiengesamtzahl um durchschnittlich 15 % und eine Verringerung der Motilität um 22 % festgestellt. Obwohl diese Veränderungen statistisch signifikant waren, blieben die Analysen deutlich innerhalb der WHO-Normen. Nach drei Monaten war eine vollständige Erholung zu verzeichnen [53]. Insgesamt gibt es keine Hinweise darauf, dass die Impfung die Fruchtbarkeit von Menschen oder Ratten beeinträchtigt [44, 54].

Schwangerschaft

In einer aktuellen populationsbasierten Metaanalyse wurden beim Vergleich von mehr als zwei Millionen Schwangerschaften während der Pandemie mit mehr als 28 Millionen vor der Pandemie kaum Unterschiede bei den Ergebnissen gefunden. Es gab einen geringfügigen Anstieg der Müttersterblichkeit (vornehmlich aufgrund einer hohen Zahl in Mexiko) und keinen Unterschied bei den Totgeburten [55].

Anders sieht es jedoch aus, wenn die Schwangere an COVID-19 erkrankt ist. Das SARS-CoV-2-Virus schädigt die Plazenta und der Fötus wird durch eine Plazentainsuffizienz bedroht. Bis zu 77 % der Plazenta zeigen eine weitgehende strukturelle Zerstörung mit drei charakteristischen Befunden: vermehrte Fibrinablagerungen, villöse Trophoblastennekrosen und eine histiozytäre Intervillositis. Autopsien betroffener Föten zeigen eine intrauterine Hypoxie und Asphyxie [56]. Selbst bei einer asymptomatischen Corona-Infektion zeigen sich geringfügige Veränderungen in der Plazenta wie etwa eine Wandhypertrophie [57].

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Impfen während der Schwangerschaft ist nicht mit negativen Folgen für die Mutter oder das ungeborene Kind verbunden.

Schwangere Frauen haben schwerere Corona-Infektionen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie intensivmedizinisch betreut, beatmet oder lebenserhaltend versorgt werden müssen oder gar sterben, ist höher als bei nicht infizierten Frauen [58]. Auch wenn sich die Patientin erholt, bleibt die Plazentainsuffizienz bestehen. Daher kommt es häufiger zu Präeklampsie, Früh- und Totgeburten [59]. In einer Metaanalyse von Studien über Schwangerschaften bei Frauen mit COVID-19 wurden 1,8 % von 18.237 Babys positiv auf das Corona-Virus getestet [60]. Die Wahl der Entbindungsart kann auf Basis der üblichen geburtshilflichen Kriterien getroffen werden, zu denen auch eine drastische Verschlechterung der COVID-19-Erkankung der Mutter zählen kann [61].

Idealerweise sollten Frauen die erste und zweite Impfung vor der Schwangerschaft erhalten. Die Rate der Totgeburten wird dadurch um 15 % gesenkt [62]. Eine Bevölkerungsstudie auf der Basis skandinavischer Gesundheitsdatenbanken hat jedoch gezeigt, dass die Impfung während der Schwangerschaft nicht mit negativen Folgen für Mutter oder Kind verbunden ist [63]. Zahlen aus derselben Datenbank legen nahe, dass die Impfung der Mutter während der Schwangerschaft dem Fötus eine gewisse passive Immunität verleiht. Bei der Delta-Variante reduziert die Impfung die Inzidenz positiver COVID-19-Tests beim Baby bis zu vier Monate lang um mehr als die Hälfte, bei der Omikron-Variante um ein Drittel [64].

Die Datenlage zu Totgeburten bei Nichtgeimpften ist uneinheitlich. Eine kanadische Studie zeigte, dass es keinen Unterschied zwischen ungeimpften und während der Schwangerschaft geimpften Frauen gab [65].