In vielen Praxen und Kliniken gehören Ärzte, die eigentlich bereits in Rente sein könnten, zum betrieblichen Alltag. Allein unter Hausärzten verdreifachte sich der Anteil der über 65-Jährigen von rund 5 % im Jahr 2008 auf über 15 % zehn Jahre später. In der Altersgruppe 60–65 Jahre stieg der Anteil im selben Zeitraum von 16 % auf 20 %. Das Durchschnittsalter der Hausärzte in Deutschland ist damit von 52,2 Jahre (2008) auf 55,3 Jahre (2018) gestiegen. Das geht aus den Gesundheitsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hervor.

Der Bundesverband Deutscher Chirurgen (BDC) und der Konvent der Leitenden Krankenhauschirurgen haben die nach eigenen Angaben erste Umfrage mit deutschen Ärzten über drei Generationen zum Thema „Arbeiten im Ruhestand“ durchgeführt. An der Umfrage nahmen insgesamt 1.420 Ärzte aus den Generationen Baby-Boomer (Geburtsjahrgänge 1946–1964), Generation X (1965–1979) und Generation Y (ab 1980) teil — darunter auch Niedergelassene (ca. 10 %) und in MVZ tätige Chirurgen (ca. 3 %).

Für den Selbstwert, nicht das Geld

Knapp 77 % der Befragten gaben in der Umfrage an, nach der Rente weiterarbeiten zu wollen, um ihren Selbstwert zu erhalten. Nur unwesentlich weniger (ca. 74 %) suchen in einer Weiterbeschäftigung Wertschätzung oder genießen das Gefühl, gebraucht zu werden (ca. 62 %). Bevorzugt werden flexible Beschäftigungsformen und Einsatzmöglichkeiten. Die Studienteilnehmer können sich für die Zeit nach dem Renteneintritt vor allem eine Tätigkeit als Lehrkraft (71 %), als Arzt in Teilzeit (70 %) oder im Mentoring (68 %) vorstellen. Die ärztliche Tätigkeit in Teilzeit könnte für Praxisinhaber Potenzial bieten. Nämlich dann, wenn sie Entlastung im stressigen Berufsalltag oder eine Urlaubsvertretung suchen. Die 20-Stunden-Woche oder einen Arbeitstag pro Woche können sich jeweils über 50 % der Befragten als Arbeitszeitmodelle vorstellen. Umsonst soll die Arbeit aber nicht sein: 84 % der Befragten wünschen eine Bezahlung mit Tagessatz.

Die Medaille hat zwei Seiten

Die Vorteile, mit erfahrenen Kollegen zu arbeiten, sind bekannt: Altersgemischte Teams sind erfolgreicher als andere Teamkonstellationen. Über alle befragten Generationen hinweg waren immerhin rund zwei Drittel der Befragten dieser Meinung. „Die Stärken der Ärzte im Rentenalter werden maßgeblich an ihrem hohen Erfahrungswissen, ihrer selbstständigen Arbeitsweise und ihrem hohen Qualitätsbewusstsein gesehen“, heißt es in einer Mitteilung des BDC.

Auch anderweitig können die Jungen von den Alten profitieren — etwa wenn es darum geht, sich in für Neuzulassungen gesperrten Planungsbereichen niederzulassen. Jobsharing heißt hier ein Zauberwort: Zwei Ärzte — beispielsweise ein alter und ein junger — teilen sich einen Arztsitz. Nach einer Übergangsphase erhält der Nachwuchsmediziner dann meist den gewünschten Kassensitz.

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Viele Ärzte bleiben bis in den eigentlichen Ruhestand hinein aktiv. Für jüngere Kollegen bringt das Vor-, aber auch Nachteile mit sich.

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Doch die steigende Zahl betagter Ärzte führt auch zu Generationenkonflikten: Immerhin rund 38 % der Generation Y und 36 % der Generation X glauben etwa, dass ältere Ärzte ihren beruflichen Aufstieg verhindern.

Fähig zur Selbsteinschätzung?

Noch im hohen Alter zu praktizieren bedeutet für die Ärzte jedoch auch, sich medizinischen und technischen Weiterentwicklungen einerseits und Selbsteinschätzungen andererseits zu stellen. Allerdings hielt es nur eine knappe Mehrheit der Befragten (55 %) für notwendig, sich ab dem 60. Lebensjahr einem Test zum „Self Assessment“ zu unterziehen, um die eigene operative Leistungsfähigkeit zu überprüfen.