Bei den Häufigkeitsangaben von Frakturen im Kindesalter (das Wort „kindlich“ sollte vermieden werden) greift man immer wieder auf Publikationen zurück, die meist sehr lokal gefärbt sind. Somit sind solche Zahlenangaben differenziert zu betrachten. Dies gilt noch viel mehr für die Schenkelhalsfrakturen (SH) beim Kind. Was sicher gesagt werden kann, ist, dass SH-Frakturen weltweit sehr selten sind. Dies deshalb, da aus anatomischen (steiler SH-Winkel) und morphologischen (dickes Periost, elastischer Knochen) Gründen diese Region beim Kind relativ gut vor Frakturen geschützt ist. Dennoch sehen wir auch hier sehr große Schwankungen in der Häufigkeit. Betrachtet man die Literatur, so wird meist „unisono“ betont, dass diese Frakturen im traumatologischen Alltag durchschnittlich lediglich 1‑ bis 2‑mal, höchstens 3‑mal pro Jahr gesehen werden. Demgegenüber können Kliniken, die im Einzugsgebiet von großen Sommer- und Wintersportregionen liegen, deutlich mehr solcher Frakturen sehen.

Somit ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Expertise der Behandlung solcher Frakturen nur an wenigen Zentren wirklich gegeben ist. Da jedoch auch allgemein bekannt sowie hinlänglich erwiesen ist, dass bei der Versorgung dieser Fakturen die Zeit ein wesentlicher Faktor hinsichtlich möglicher Femurkopfdurchblutungsstörungen darstellt, liegt es nahe, dass sich teilweise auch Chirurgen mit weniger Behandlungserfahrung an diese Frakturen heranwagen müssen.

Prinzipiell sehe ich folgende 3 Faktoren, welche die Behandlungsqualität wesentlich beeinflussen:

  1. 1.

    Chirurgische Skills:

    Auf der einen Seite haben wir den Erwachsenentraumatologen, der wohl in der Hüftchirurgie gut ausgebildet sein kann, jedoch nicht über die Erfahrung in der Behandlung des Kindes mit all seinen spezifischen Gegebenheiten vertraut ist. Häufig stehen keine kindgerechten Implantate zur Verfügung (vergl. www.ortho-online.de /10.2020; 28–29).

    Demgegenüber haben wir den Kinderchirurgen/Traumatologen, der wohl sehr gut über die kinderspezifischen Kenntnisse verfügt, auch meist die adäquaten Implantate zur Verfügung hat, jedoch oft nicht über die spezifische chirurgische Erfahrung,z. B. eines offenen Zugangs zur Hüfte verfügt.

  2. 2.

    Zusammenarbeit:

    Gerade weil diese Fraktur derart selten in der einzelnen Klinik zu behandeln ist, empfehlen wir, ein lokales Netzwerk aufzubauen, welches es ermöglicht, Kinder innerhalb sinnvoller Frist an ein Zentrum mit ausreichender Erfahrung in diesem Gebiet zuzuweisen. Falscher Stolz hat hier keinen Platz.

  3. 3.

    Das Wissen um die neueren Erkenntnisse der Hüftkopfdurchblutung und des sich daraus ergebenden differenten Zuganges zur Hüfte:

    Die moderne, hüfterhaltende Chirurgie der letzten 20 Jahre hat zumindest unsere Vorgehens- und Denkweise bei der Versorgung von Schenkelhalsfrakturen beim Kind wesentlich beinflusst. Besonders die vaskuläre Versorgung des Hüftkopfes sowie die differente Interpretation der Anatomie in diesem Bereich haben uns gelehrt, dass die avaskuläre Hüftkopfnekrose nicht einfach als schicksalsbedingt angenommen werden muss, sondern dass wir mit einem differenzierten Behandlungskonzept die Inzidenz der Hüftkopfdurchblutungsstörung vermindern können. Das heißt, der Chirurg ist ein wesentlicher Bestandteil des Erfolges der Therapie, dies bedeutet auch, dass er mit seiner Behandlungsstrategie wesentlich Einfluss nimmt auf das weitere Schicksal der Hüfte. Es ist mir bewusst, dass diese Sichtweise nicht von allen geteilt wird, da sich der Operateur nur ungern in der Rolle des Komplikationsverursachers sieht.

An unserer Klinik hat sich über die letzten 20 Jahre in Übereinstimmung mit der „Pediatric Expert Group“ der AO sowie der OTA (Orthopedic & Trauma Assoziation) ein klarer Behandlungstrend durchgesetzt. Dabei wird auch für nur leicht dislozierte und instabile, d. h. komplette SH-Frakturen ein offenes Vorgehen gewählt. Besonders unter Relaxation sollte jegliche unkontrollierte und zu aggressive Manipulation vermieden werden. Die Fixation erfolgt dann mit einem winkelstabilen Implantat, wie z. B. die pädiatrische 130°-Hüftplatte. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass diese Vorgehensweise nicht von allen geteilt wird, doch sprechen unsere guten Resultate (keine avaskulären Nekrosen, weitgehend wiederum normale Anatomie und Funktion) für die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens.

Wie eingangs bereits erwähnt, ist man in vielen Kliniken gezwungen, trotz mangelnder Übung diese Frakturen zu versorgen.

Mit den in diesem Heft als Schwerpunkte publizierten Artikeln „Zugangswege & Fixation von Schenkelhalsfrakturen im Kindesalter“ möchten wir den Kollegen mit geringerer praktischer Erfahrung in der Versorgung von SH-Frakturen bei Kindern die bestmöglichen Behandlungsoptionen vorstellen, um diese dann im Notfall auch mit ausreichender Sicherheit für den jungen Patienten einsetzen zu können.

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Dr. Theddy Slongo