Motorische Ersatzoperationen hatten vor allem im Zusammenhang mit den Folgen der Poliomyelitis, aber auch von Schussverletzungen (Weltkriege) bis in die 1950er Jahre des vergangenen Jahrhunderts einen hohen Stellenwert in der Chirurgie des Bewegungsapparats. Heute scheinen sie vielerorts in Vergessenheit geraten. Doch auch wenn die Indikation für motorische Ersatzoperationen aufgrund der Fortschritte bei der Wiederherstellung der Nervenkontinuität abgenommen hat, haben sie ihre praktische Bedeutung sowohl an der oberen als auch an der unteren Extremität keineswegs verloren.

Was die Wiederherstellung der Daumenendgelenksbeugung durch Transposition der oberflächlichen Beugesehne des Ringfingers angeht, beobachten wir in den letzten Jahren einen Anstieg der Operationszahlen. Ursache sind Rupturen der langen Daumenbeugesehne bei Radiusfrakturen bedingt durch sehr weit distal platzierte Platten beugeseits am distalen Radius sowie hervorstehende Schraubenköpfe. Solange der Muskelbauch des Flexor pollicis longus (FPL) nicht kontrakt ist, wird man die Sehne des FPL mittels eines Sehneninterponats rekonstruieren. Ist der FPL jedoch kontrakt, bedarf es des motorischen Ersatzes, wozu sich der benachbarte oberflächliche Beuger des Ringfingers bestens eignet.

Die Krallenstellung der Finger mit Überstreckung in Grund- und Beugestellung in den Mittelgelenken beeinträchtigt erheblich das Ergreifen von größeren Gegenständen. Durch die von Zancolli beschriebene Lassoplastik in der Modifikation von Anderson und Omer wird die Überstreckung in den Grundgelenken beseitig, zugleich kommt es zur Streckung der Mittelgelenke, was das Ergreifen z. B. eines Wasserglases deutlich erleichtert.

Bei der peripheren Radialisparese ist die Streckung der Finger in den Grundgelenken und des Daumens nicht mehr möglich. Der hiermit einhergehende Funktionsverlust der Hand ist beträchtlich. Von den zur Wiederherstellung der Finger- und Daumenstreckung beschriebenen, verschiedenen motorischen Ersatzplastiken hat die Transposition des oberflächlichen Mittelfingerbeugers (FDS III) auf den langen Daumenstrecker (EPL) und den Extensor indicis in Kombination mit der Transposition des oberflächlichen Ringfingerbeugers (FDS IV) auf die Extensores digitorum II–V (ED II–V) einige Vorteile aufzuweisen. Die Gleitamplitude und Kraftentwicklung des FDS III und IV entspricht weitgehend der des ED und EPL; die Zugrichtung des transponierten FDS III und IV kommt annähernd der des EPL und ED gleich; der Verlust der isolierten Beugung in den Fingermittelgelenks des Mittel- und Ringfingers ist funktionell als unbedeutend anzusehen.

Die Einschränkung der aktiven Unterarmdrehung, sei es für die Supination oder die Pronation, wie man sie gerade bei geburtstraumatischen Läsionen des Plexus brachialis öfters sieht, limitiert eine ansonsten ungestörte Handfunktion. Die Umlenkung des Brachioradialis (BR) zur Verbesserung der Unterarmdrehung hat den Charme, dass man sie einerseits sowohl zur Verbesserung der Pro- als auch der Supination einsetzen kann und andererseits kein Verlust der eigentlichen Funktion des BR, nämlich der Ellenbogenbeugung, resultiert.

Motorische Ersatzoperationen bedürfen einer sorgfältigen Planung. Es sind präparatorisch oft aufwendige, letztlich jedoch recht einfache Operationen, mit einem meist erstaunlichen Nutzen für die Patienten. Als Unfallchirurg und Orthopäde, ob in der Klinik tätig oder niedergelassen, sollte man zumindest um diese Möglichkeiten wissen, als Handchirurg sollte man sie beherrschen. Wenn die Beschreibung der vier von uns ausgewählten motorischen Ersatzoperationen hierzu beiträgt, wäre das Ziel des Schwerpunkts dieses Hefts erreicht.

K.-J. Prommersberger und J. van Schoonhoven