Einleitung

Sauerstoff (O2) wird in den Körperzellen benötigt, um aus den Nährstoffen Energie zu gewinnen. Im Blut wird O2 überwiegend an Hämoglobin (Hb) des Erythrozyten gebunden. Die Menge von O2 im Blut kann als Messung der Sauerstoffsättigung des Hämoglobins oder durch Messung des O2-Partialdrucks (paO2) ausgedrückt werden.

Die Sauerstoffsättigung als zentraler Zielparameter hat den Vorteil eines gemeinsamen Zielparameters in Pulsoxymetrie (SpO2) und Blutgasanalysen (SaO2). In einer großen britischen Studie an 37.000 Patienten lag die pulsoxymetrisch gemessene O2-Sättigung (SpO2) im Median bei 98 % für Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahre, für Ältere bei 96 % [1].

Die Pulsoxymetrie hat eine hohe Sensitivität, aber nur eine geringe Spezifität zur Erfassung von Hypoxämien. Bei kritisch kranken Patienten liegt das 95 %-Konfidenzintervall der Abweichung von pulsoxymetrischer zu arterieller Sättigung bei ±4 % [2].

Bei einer Hypoxämie ist der Sauerstoffpartialdruck oder der Sauerstoffgehalt im arteriellen Blut erniedrigt. Eine Hypoxie bezeichnet dagegen die Unterversorgung von Organen und Gewebe mit Sauerstoff.

Eine hypoxämische Hypoxie liegt vor, wenn der Sauerstoffpartialdruck im Blut vermindert ist.

Es gibt derzeit keine genaue wissenschaftliche Evidenz, wann und wie viel Sauerstoff in der Behandlung der Hypoxämie notwendig ist. An großen Kollektiven von Krankenhauspatienten und Patienten im Rettungseinsatz wurde die Assoziation einer Hypoxämie mit erhöhter Sterblichkeit beschrieben [3, 4].

Permissive Hypoxämie setzt ausreichende Hämoglobinwerte (üblicherweise >10 g/dl) und einen supranormalen Herzindex (größer 4,5 l/min/m2) voraus, um eine adäquate Sauerstoffversorgung (DO2) aufrechtzuerhalten. Permissive Hypoxämie wurde bisher nicht in randomisierten Studien bei Erwachsenen gegenüber Normoxämie untersucht.

Es gibt Patienten mit chronischer Hypoxämie (z. B. der Fetus, Patienten mit Mischzyanose, Bevölkerungsgruppen, die in großer Höhe leben, oder solche mit chronischer Hypoventilation), die trotz Hypoxämie nicht akut gefährdet sind. Aus historischen Veröffentlichungen der Höhenmedizin und Flugmedizin [5] ist bekannt, dass Sättigungswerte von unter 70 % innerhalb kurzer Zeit zu Bewusstseinsverlust führen. Selbst gesunde Probanden haben bei Hypoxämien unter 80 % kognitive Einschränkungen [6].

Es ist unklar, welchen Einfluss die Sauerstofftherapie auf das Überleben und andere patientenrelevante Endpunkte hat.

Es gibt zahlreiche Argumente gegen Hyperoxie und Hyperoxämie als Therapieziel: Bei Hyperoxämie unter O2 sind eine Reihe von Nebenwirkungen beschrieben [7]. Eine Metaanalyse von 25 randomisierten, kontrollierten Studien an 16.037 Patienten mit verschiedenen akuten Erkrankungen wie Sepsis, Schlaganfall, Trauma, Herzinfarkt und Herzstillstand zeigte mit hoher Evidenz ein erhöhtes relatives Risiko der Sterblichkeit im Krankenhaus unter Hyperoxämie [8]. Hohe O2-Konzentrationen verursachen bei Gesunden direkte Lungentoxizität und Resorptionsatelektasen [9, 10]. Hyperoxämie kann zu fälschlich beruhigenden SpO2-Werten führen und die Erkennung der Verschlechterung von Patienten mit Hypoxämie verzögern [11, 12]. Bei COPD-Patienten war eine prästationäre Hyperoxämie mit erhöhter Krankenhaussterblichkeit verbunden [13]. In 21 Studien an 7597 Patienten verbesserte Hyperoxie intra- und postoperativ die Wundheilung nicht [14].

Methoden

Federführende Fachgesellschaft ist die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Die Leitlinie wurde von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) im Rahmen des Leitlinienprogramms gefördert.

Bei der Anmeldung der Leitlinie war die Beteiligung folgender Fachgesellschaften vorgesehen: Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), Deutsche Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin (DGNI), Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaften (DGP), Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Aufgrund mangelnder Ressourcen hat die DEGAM keinen Mandatsträger entsandt, alle anderen Fachgesellschaften waren durch Mandatsträger vertreten. Beratend war der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst (DBRD) e. V. eingebunden und als Patientenvertreter Wolfgang Veit vom Bundesverband der Organtransplantierten (BDO e. V.) beteiligt. Patientenvertreter und ein Vertreter des DBRD nahmen an den Konsensuskonferenzen teil.

Die Leitlinienentwicklung wurde methodisch begleitet von Monika Nothacker, MPH (AWMF), Berlin, die Evidenzaufarbeitung erfolgte durch Susanne Unverzagt, Abteilung Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Leipzig.

Die Leitlinie soll für die Behandlung von Sauerstoff akut kranker Erwachsener im stationären und präklinischen Bereich gelten. Diese Leitlinie soll auch Empfehlungen für kritisch kranke Patienten (z. B. solche auf Intensivstationen inklusive Patienten an invasiver Beatmung und extrakorporalen Verfahren) einschließen. Ebenso sollen Empfehlungen zur Sauerstoffbehandlung bei Eingriffen mit dem Ziel der erhaltenen Spontanatmung z. B. in der Endoskopie enthalten sein. Ausgeschlossen im Geltungsbereich dieser Leitlinie sind die Anwendung von Sauerstoff in der Tauch- und Höhenmedizin, die Langzeit-Sauerstofftherapie im häuslichen Bereich und die Gabe von Sauerstoff im Rahmen der Allgemeinanästhesie und in der Veterinärmedizin.

Die Leitliniengruppe legte bei ihrer konstitutionellen Sitzung 10 Schlüsselfragen für die Literaturrecherche fest.

Im vorliegenden Dokument handelt es sich um die Kurzversion der Leitlinie mit den wichtigsten 28 Empfehlungen. Eine ausführliche Langversion ist veröffentlicht [15, 51]. Unter http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-021.html sind Interessenkonflikte, Evidenzberichte und Leitlinienberichte abrufbar.

Das methodische Vorgehen richtete sich nach dem AWMF-Regelwerk (http://www.awmf-leitlinien.de). Das Schema der Evidenzgraduierung erfolgte nach dem System des Oxford Centre for Evidence-Based Medicine (CEBM) in der Version von 2011. Die Formulierung von Empfehlungen erfolgte in 3 Graden: Empfehlung Grad A (starke Empfehlung) soll/soll nicht, Empfehlung Grad B (Empfehlung) sollte/sollte nicht, Empfehlung Grad 0 (offene Empfehlung) kann/kann verzichtet werden.

Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation (GRADE) wurde verwendet, um die Qualität der Evidenz in Leitlinien einzuschätzen Sterblichkeit und Lebensqualität wurden a priori als kritische Endpunkte von der Leitliniengruppe konsentiert.

Empfehlungen wurden im Expertenkonsens formuliert, wenn die systematische Recherche keine geeigneten Studien erbrachte. Bei der Bewertung der Interessenkonflikte wurden bei keinem Leitliniengruppenmitglied geringe, bei dreien moderate und kein hoher Interessenkonflikt festgestellt. Moderate Interessenkonflikte hatten eine Enthaltung bei der Abstimmung themenbezogener Empfehlungen zur Folge.

Empfehlungen

Diagnostik

Empfehlung 1.1

Die zugrunde liegenden Ursachen einer Hypoxämie sollen festgestellt und behandelt werden. Sauerstoff soll verabreicht werden, um eine Hypoxämie und nicht um Atemnot zu behandeln.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Evidenzqualität: Lebensqualität: hoch ⊕⊕⊕⊕

Literatur: Uronis 2007 [16], Uronis 2011 [17], Cranston 2008 [18]

Empfehlung 2.2

Bei der Einschätzung von Patienten mit Atemnot sollen neben der Sauerstoffsättigung auch Atemfrequenz, Pulsfrequenz, Blutdruck, Temperatur und Bewusstseinslage bestimmt werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Expertenmeinung

Empfehlung 2.1

Die Pulsoxymetrie soll in allen klinischen Situationen verfügbar sein, in denen Sauerstoff medizinisch verwendet wird, und zur Überwachung der Sauerstofftherapie regelmäßig eingesetzt werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Evidenzqualität: Sterblichkeit: niedrig ⊕⊕⊝⊝, Hypoxämien: moderat ⊕⊕⊕⊝, kardiovaskuläre Ereignisse: moderat ⊕⊕⊕⊝

Literatur: Pedersen 2014 [19]

Empfehlung 6.2

Blutgasanalysen zur Überwachung einer Sauerstofftherapie sollten unter stationären Bedingungen bei den folgenden Patientengruppen durchgeführt werden:

  • Kritisch kranke Patienten, z. B. im Schock oder mit metabolischen Störungen

  • Beatmete Patienten

  • Patienten mit schwerer Hypoxämie (über 6 l O2/min, bzw. FiO2 über 0,4)

  • Patienten mit Hyperkapnierisiko (z. B. COPD, schweres Asthma, Adipositas mit BMI >40 kg/m2)

  • Patienten ohne zuverlässiges Pulsoxymetriesignal

Für stabile Patienten außerhalb der genannten Indikationen sollte keine routinemäßige Bestimmung der Blutgase erfolgen.

Zustimmung: 92 %

Empfehlungsgrad: B

Expertenmeinung

Empfehlung 2.3

Blutgasanalysen aus arterialisiertem Kapillarblut am Ohrläppchen können im stationären Bereich zur Patienteneinschätzung außerhalb der Intensivstationen eingesetzt werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: 0

Evidenzqualität: Hypoxämie: niedrig ⊕⊕⊝⊝, Lebensqualität: sehr niedrig ⊕⊝⊝⊝

Literatur: Zavorsky 2007 [20], Magnet 2017 [21], Ekkernkamp 2015 [22]

Empfehlung 2.4

Venöse Blutgasanalysen sollen für die Überwachung der Sauerstofftherapie nicht verwendet werden. Venöse Blutgasanalysen können lediglich bei einem pvCO2 <45 mm Hg eine Hyperkapnie ausschließen.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Evidenzqualität: Hypoxämie: moderat ⊕⊕⊕⊝

Literatur: Lim 2010 [23], Byrne 2014 [24], Bingheng 2019 [25], Bloom 2014 [26]

Sauerstoffsysteme und Verordnung

Sauerstoffzufuhrsysteme bestehen aus zwei Komponenten, zum einen die O2-Quelle zur Bereitstellung von Sauerstoff (z. B. Flaschen) und zum zweiten das Hilfsmittel zur Abgabe an den Patienten (z. B. Brille oder Maske, s. Tab. 1). Die Auswahl beider Komponenten richtet sich nach den klinischen Gegebenheiten und den Bedürfnissen des Patienten.

Tab. 1 Vor- und Nachteile verschiedenerSauerstoffapplikationssysteme

Empfehlung 3.2

Sauerstoff soll nicht oder nur kurzzeitig (Richtwert unter 10 min, wenn keine Druckluft vorhanden ist) für eine Vernebelung z. B. von Medikamenten bei Patienten mit Hyperkapnierisiko verwendet werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Expertenmeinung

Empfehlung 3.3

Sauerstoff soll von geschultem Personal auf dem Gebiet der Sauerstofftherapie angewendet, überwacht und gesteuert werden. Patienten sollen über die Sauerstofftherapie informiert werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Expertenmeinung

Empfehlung 3.1

Nasenbrillen sollten bei niedrigen O2-Flussraten (d. h. <6 l/min) primär verwendet werden, alternativ Venturi-Masken mit niedriger Sauerstoffabgabe.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: B

Evidenzqualität: Lebensqualität/unerwünschte Arzneimittelwirkungen: moderat ⊕⊕⊕⊝

Literatur: Costello RW 1995 [27]; Nolan KM 1993 [28], Eastwood GM 2008 [29], Stausholm 1995 [30], Ayhan 2009 [31]

Empfehlung 3.4

Sauerstoff soll für jeden stationären Patienten unter Angabe eines Zielbereichs der Sauerstoffsättigung ärztlich verordnet werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Expertenmeinung

Ein Vorschlag der Leitliniengruppe zur Verordnung findet sich in Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Musterverordnung für Sauerstoff

Anwendung von Sauerstoff und Zielbereiche der O2-Sättigung

Zur Festlegung von Zielbereichen ist von Bedeutung, wann Hypoxämie und Hyperoxämie für akut Erkrankte wahrscheinlich gefährdend sind und in welchem Bereich die Sauerstofftherapie nicht schädlich und damit sicher ist. Dabei spielt eine Rolle, ob der Patient beatmet ist und ob er ein Hyperkapnierisiko hat oder nicht. Für diese 3 Patientengruppen sollen die in Abb. 2 genannten Zielbereiche der Sauerstofftherapie gelten. Ausnahmen einer Sauerstofftherapie ohne Zielbereich der Sauerstoffsättigung sind Clusterkopfschmerz, Kohlenmonoxidintoxikation sowie kritisch kranke Patienten, bei denen keine Pulsoxymetrie abgeleitet werden kann.

Abb. 2
figure 2

Zielbereiche der Sauerstofftherapie der verschiedenen Patientengruppen. (Aus: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/020-021.html [51]. BMI Body-Mass-Index, SpO2 pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung, SaO2 arterielle Sauerstoffsättigung)

Empfehlung 4.1

Der Zielbereich der akuten Sauerstofftherapie für nicht beatmete Patienten ohne Hyperkapnierisiko soll bei einer pulsoxymetrischen Sättigung zwischen 92 und 96 % liegen.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Evidenzqualität: Sterblichkeit: moderat ⊕⊕⊕⊝, funktionelles Ergebnis: moderat ⊕⊕⊕⊝

Literatur: Siemieniuk 2018 [32], Chu 2018 [8, 14], Wetterslev 2015 [14]

Empfehlung 4.3

Eine Sauerstofftherapie für akut kranke, nicht beatmete Patienten mit Hyperkapnierisiko (z. B. COPD) soll mit einer pulsoxymetrischen Zielsättigung von 88 bis 92 % erfolgen. Eine Sauerstofftherapie soll in dieser Situation bei einer Sättigung von über 92 % nicht durchgeführt bzw. reduziert werden und erst bei unter 88 % begonnen werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Evidenzqualität: Sterblichkeit: moderat ⊕⊕⊕⊝, Intubation: niedrig ⊕⊕⊝⊝

Literatur: Austin 2010 [13], Kopsaftis 2020 [33]

Empfehlung 4.2

Bei beatmeten Patienten soll eine arterielle Sauerstoffsättigung von 92 bis 96 % angestrebt werden. Neben arteriellen Blutgasmessungen soll bei akzeptabler Übereinstimmung (Abweichung bis 2 %) und im präklinischen Bereich die pulsoxymetrische Messung der Sauerstoffsättigung zur Steuerung der Sauerstoffzufuhr verwendet werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Evidenzqualität: Sterblichkeit: moderat ⊕⊕⊕⊝, unerwünschte Ereignisse: niedrig ⊕⊕⊝⊝

Literatur: Girardis 2016 [34]; Panwar 2016 [35], Asfar 2016 [36], Barrot 2020 [37], Barbateskovic 2019, ICU-ROX [38]

In den 6 randomisierten Studien (s. Tab. 2) wurde für überwiegend invasiv beatmete Patienten auf Intensivstationen die liberale gegen eine konservative Sauerstofftherapie verglichen. Die Zielbereiche der Sauerstoffsättigung waren in den Studien nicht einheitlich und die eingeschlossenen Patientenkollektive waren heterogen.

Tab. 2 Randomisiert kontrollierte Studien verschiedener Sauerstoffzielbereiche bei Intensivpatienten

Empfehlung 4.7

Patienten, die trotz Flussraten von mehr als 6 Litern Sauerstoff/min eine SpO2 von 92 % nicht erreichen, sollen unverzüglich durch einen erfahrenen Arzt in der Diagnostik und Behandlung von Patienten mit akutem Atemversagen oder kritisch kranker Patienten eingeschätzt werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Expertenmeinung

Empfehlung 4.9

Eine nichtinvasive Beatmung soll primär bei Patienten mit hyperkapnischem Atemversagen mit konsekutiver Hypoxämie, besonders bei COPD mit Exazerbation und kardialem Lungenödem eingesetzt werden, bei denen der pH-Wert <7,35 beträgt. Bei hypoxämischen und moderat hyperkapnischen Patienten kann HFNC alternativ eingesetzt werden.

Zustimmung: 93 %

Empfehlungsgrad: A

Evidenzqualität: Sterblichkeit: moderat ⊕⊕⊕⊝, Intubation: moderat ⊕⊕⊕⊝

Literatur: Berbenetz 2019 [40], Osadnik 2017 [41]

Sauerstofftherapie bei besonderen Patientengruppen

Nach Expertenmeinung ergeben sich keine anderen Zielbereiche der Sauerstofftherapie für Patienten mit akutem Koronarsyndrom. In zwei Cochrane-Metaanalysen ergab sich keine Evidenz für die routinemäßige Sauerstoffgabe beim akuten Myokardinfarkt, unerwünschte Effekte waren nicht ausgeschlossen [42, 43].

Auch bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen ergeben sich keine anderen Zielbereiche der Sauerstofftherapie. Insbesondere eine Hyperoxämie sollte bei diesen Patienten vermieden werden.

Die Behandlung von Schwangeren inkl. solchen mit Asthma sollte deshalb nach Ansicht der Autoren auf den Sauerstoffzielwerten basieren, von denen angenommen wird, dass sie bei anderen erwachsenen Patientengruppen angemessen sind.

Empfehlung 5.3

Bei einer Kohlenmonoxidvergiftung soll unabhängig von der Sauerstoffsättigung (SpO2) eine 100 % Sauerstoffgabe oder Beatmung mit 100 % O2 unverzüglich und für die Dauer von bis zu 6 h erfolgen. Bei schwerer Kohlenmonoxidvergiftung (z. B. mit anhaltender Bewusstseinsstörung) kann eine hyperbare Sauerstofftherapie durchgeführt werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Expertenmeinung

Empfehlung 5.1

Während der kardiopulmonalen Wiederbelebung soll der höchstmögliche Sauerstofffluss verwendet werden. Bei Wiedereintritt der spontanen Zirkulation und wenn die Sauerstoffsättigung zuverlässig überwacht werden kann, sollte ein Zielsättigungsbereich von 92 bis 96 % angestrebt werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: B

Evidenzqualität: Sterblichkeit: niedrig ⊕⊕⊝⊝, funktionelles Ergebnis: niedrig ⊕⊕⊝⊝

Literatur: Holmberg 2020 [44], Wang 2014 [45]

Empfehlung 5.5

Die Sauerstoffbehandlung von erwachsenen Patienten mit infektiösen Erkrankungen, die durch Aerosole übertragbar sind (z. B. SARS-CoV-2), soll nach den gleichen Prinzipien und Zielbereichen wie bei anderen Patienten mit Hypoxämie erfolgen.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Evidenzqualität: Sterblichkeit: moderat ⊕⊕⊕⊝

Literatur: Alhazzani 2020 [46]

Empfehlung 5.4

Bei Patienten mit Clusterkopfschmerz soll Sauerstoff mit einer Flussrate von mindestens 12 l/min über mindestens 15 min über eine Reservoirmaske verabreicht werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Evidenzqualität: funktionelles Ergebnis: hoch ⊕⊕⊕⊕

Literatur: Cohen 2009 [47], Bennett 2015 [48]

Empfehlung 4.12

Bei allen Verfahren mit Sedierung mit dem Ziel der erhaltenen Spontanatmung soll vor und während des Eingriffs und in der Aufwachphase die Sauerstoffsättigung kontinuierlich pulsoxymetrisch überwacht werden.

Zustimmung: 93 %

Empfehlungsgrad: A

Expertenmeinung

Empfehlung 4.13

Bei allen Verfahren mit Sedierung und dem Ziel der erhaltenen Spontanatmung sollte bei Auftreten einer Hypoxämie (SpO2 <92 % bzw. 88 % bei Risiko eines hyperkapnischen Atemversagens) das Vorliegen einer Hypoventilation geprüft werden und Sauerstoff als Bestandteil eines multimodalen Konzepts verabreicht werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: B

Expertenmeinung

High-flow-Sauerstoff

Empfehlung 5.6

Bei stationären Patienten mit einem akuten hypoxischen Lungenversagen ohne Hyperkapnie sollte bei 6 l O2/min über Nasenbrille/Maske und einer Sauerstoffsättigung von <92 % eine Sauerstofftherapie über High-flow-Sauerstoff eingeleitet werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: B

Expertenmeinung

Empfehlung 5.7

Patienten unter High-flow-Sauerstoff-Therapie sollten engmaschig reevaluiert werden und Abbruchkriterien der HFNC festgelegt werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: B

Expertenmeinung

Befeuchtung von Sauerstoff

Empfehlung 6.6

Bei der Verabreichung von Sauerstoff mit geringem Durchfluss (Maske oder Nasenkanülen) oder kurzfristiger Verabreichung von Sauerstoff mit hohem Durchfluss soll keine Befeuchtung verwendet werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: A

Evidenzqualität: Lebensqualität: moderat ⊕⊕⊕⊝

Literatur: Wen 2017 [49], Poiroux 2018 [50]

Überwachung und Dokumentation der Sauerstofftherapie

Empfehlung 6.4

Patienten sollten nach Beginn, Veränderung oder Beendigung der Sauerstofftherapie klinisch und pulsoxymetrisch für mindestens 5 min kontinuierlich überwacht werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: B

Expertenmeinung

Eine schriftliche Dokumentation der Sauerstofftherapie soll Standard sein (Muster Tab. 3). Unter Sauerstofftherapie ist regelmäßig (z. B. 6‑stündlich) die vollständige Erhebung und Dokumentation der Vitalzeichen erforderlich.

Tab. 3 Musterdokumentation einer Sauerstofftherapie

Beendigung der Sauerstofftherapie

Empfehlung 7.1

Die Sauerstoffzufuhr sollte verringert werden, wenn ein Patient klinisch stabil ist und die Sauerstoffsättigung über dem Zielbereich liegt oder wenn er sich über mehrere Stunden im Zielbereich befindet.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: B

Expertenmeinung

Empfehlung 7.2

Bei Patienten ohne Hyperkapnierisiko, die klinisch stabil sind und unter 2 l O2/min mit der Sauerstoffsättigung über mehrere Stunden im Zielbereich liegen, sollte die Sauerstofftherapie beendet werden. Bei Patienten, bei denen das Risiko eines hyperkapnischen Atemversagens besteht, sollte als niedrigste Menge vor Beendigung 1 l/min (ggf. auch 0,5 l/min) gewählt werden.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: B

Expertenmeinung

Empfehlung 7.5

Wenn eine Sauerstofftherapie nicht beendet werden kann, sollte die Sauerstofftherapie auch nach Entlassung aus dem Krankenhaus fortgesetzt werden. Eine Reevaluation dieser Patienten sollte wenige Wochen nach Beginn der Sauerstofftherapie erfolgen, um zu prüfen, ob die Indikation für eine Langzeit-Sauerstofftherapie besteht.

Zustimmung: 100 %

Empfehlungsgrad: B

Expertenmeinung