Eigentlich hätten die Beiträge zum Leitthema dieser Ausgabe der Medizinischen Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin exemplarisch den Schwerpunkt der 52. Gemeinsamen Jahrestagung der DGIIN und ÖGIAIN in Salzburg beleuchten sollen. Die Rolle und Funktion der Intensivmedizin und Notfallmedizin als Fundament und wesentliches Back-up moderner Medizin. Die Jahrestagung ist der COVID-19-Pandemie zum Opfer gefallen. Aber wer hätte gedacht, dass sich das Kongressmotto auf so dramatische Weise in der Realität bestätigen würde? Das gleißende Licht der Pandemie hat die essenzielle Rolle der Intensivmedizin bis in die kleinsten Details ausgeleuchtet, der drohende Mangel an intensivmedizinischen Ressourcen war und ist ein mediales Thema ersten Ranges geworden, intensivmedizinisches Personal wurde beispielhaft für den großartigen Einsatz der MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen im allgemeinen Bewusstsein verankert, intensivmedizinische Kompetenz hat sich in dramatischer Weise als unverzichtbar erwiesen.

Tatsächlich hat die Intensivmedizin seit ihrem Entstehen in der Mitte des 20. Jahrhunderts eine ungeheure Entwicklung genommen und ist heute jene Disziplin, in der die Verknüpfung von Pathophysiologie und daraus abgeleiteten Therapiekonzepten im klinischen Alltag in besonders ausgeprägter Weise kulminiert. Intensiv- und Notfallmedizin sind nicht nur verwandte Fachbereiche, sondern ergänzen sich und sollten im Idealfall ein Kontinuum in der Behandlung kritisch kranker Patienten sicherstellen. Zunehmend steht dabei nicht nur die Behandlung akut kranker Patienten, sondern auch die Betreuung von Patienten mit akut auf chronischen Krankheitsbildern oder komplexen Therapieverfahren aus verschiedensten Fachgebieten im Fokus. Es ist zutreffend, Intensivmedizinerinnen und Intensivmediziner als die letzten „Universalisten“ in der durch eine zunehmende Spezialisierung charakterisierten Krankenhausmedizin zu bezeichnen. Und es ist wohl nicht übertrieben, festzustellen, dass die moderne Medizin des 21. Jahrhunderts ohne die Intensiv- und Notfallmedizin nicht denkbar wäre.

Die Themen der Beiträge zum Schwerpunkt dieser Ausgabe sollen exemplarisch die oben beschriebene Rolle der Intensivmedizin und Notfallmedizin beleuchten. W. Behringer und Koautoren erörtern, wie weit sich Intensivmedizin und Notfallmedizin überschneiden und ergänzen, aber auch, wo die strukturellen Unterschiede zwischen den beiden Fachbereichen liegen. P. Wohlfahrt und P. Schellongowski stellen die zunehmende Bedeutung der intensivmedizinischen Betreuung kritisch kranker hämatoonkologischer Patienten dar und geben einen kurzen Überblick über damit verbundenen intensivmedizinischen Fragestellungen und Strategien. Die Klinik für Intensivmedizin (Direktor Prof. Kluge) im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf steuert einen Beitrag über das intensivmedizinische Back-up bei infektiologischen Katastrophen bei und gibt darin einen Überblick über die wesentlichen Erreger/Infektionskrankheiten mit intensivmedizinischen Herausforderungen, wie die Influenzapandemie 2009 durch H1N1, den EHEC-Ausbruch 2011 in Norddeutschland, den Ebolafieberausbruch 2014/2015 und die COVID-19-Pandemie 2020. Schließlich wird von K. Lenz noch die Vorreiterrolle der Intensivmedizin in der Bearbeitung ethischer Fragestellungen wie jener nach den Grenzen der kurativen Medizin und der Bedeutung reflektierter Entscheidungen am Lebensende dargestellt und reflektiert.

Die COVID-19-Pandemie hat die Intensivmedizin in vielen Ländern an ihre Kapazitätsgrenzen gebracht. Deutschland und Österreich sind im internationalen Vergleich sehr gut mit intensivmedizinischen Ressourcen ausgestattet, eine Überlastung durch die Pandemie konnte bisher weitgehend vermieden werden. Es wäre absurd, nun gerade diesen Erfolg argumentativ in sein Gegenteil zu verkehren und in einer wirtschaftlich angespannten Situation die intensivmedizinische Vorhaltekapazität anzuzweifeln, weil die Katastrophe einer Ressourcenüberlastung nicht eingetreten ist. Die Bedeutung ausreichender intensivmedizinischer Kapazitäten ist klarer denn je geworden, es ist nun unsere Aufgabe, dies nicht vergessen zu lassen und gleichzeitig junge Menschen für einen Berufsweg in der Intensivmedizin und -pflege zu begeistern.

Die 2020 abgesagte Jahrestagung der DGIIN und ÖGIAIN in Salzburg wird im Jahr 2022 stattfinden.

Ich bedanke mich bei den Autoren der Leitthemenbeiträge für ihre Arbeiten und wünsche Ihnen, den Leserinnen und Lesern, eine interessante und aufschlussreiche Lektüre. Abschließend hoffe ich, Sie im Namen der ÖGIAIN und DGIIN 2022 doch in Salzburg begrüßen zu dürfen.

Ihr

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Andreas Valentin