Die Anzahl der Organspenden hat in Deutschland seit dem Jahr 2010 um 30 % abgenommen und hat im Jahr 2017 mit nur 797 Organspendern den tiefsten Stand erreicht. Dabei ist Deutschland mit 9,7 Organspendern pro 1 Mio. Einwohnern im europäischen Verglich weit abgeschlagen [1]. Häufig werden als Ursache für diesen Rückgang die im Jahr 2012 bekannt gewordene Datenmanipulationen und Regelverstöße in einigen Zentren genannt. Ein mit diesem „Transplantationsskandal“ einhergehender Vertrauensverlust in der Bevölkerung und der damit verbundene Rückgang der Spendebereitschaft scheint aber nicht alleine für diese Problematik verantwortlich zu sein. Die positive Einstellung zum Thema Organ- und Gewebespende ist in Deutschland laut Umfragen derzeit mit 84 % so hoch wie nie zuvor. Auch besitzen immer mehr Menschen einen Organspendeausweis, im Jahr 2018 immerhin bereits 36 % [2]. Der Beitrag von A. Rahmel (https://doi.org/10.1007/s00063-018-0513-z) in diesem Themenheft gibt hier ein Update der Situation der Organspende in Deutschland im Jahr 2019. Der Beitrag von K. M. Lücking (https://doi.org/10.1007/s00063-018-0524-9) thematisiert unsere nationale Situation im Vergleich zur Situation in anderen Ländern und was wir hier vom Ausland lernen können, um möglicherweise die Situation in Deutschland wieder zu verbessern.

Um die Zahl verfügbarer Organspenden zu erhöhen, wurde kürzlich durch den Bundesgesundheitsminister vorgeschlagen, die doppelte Widerspruchslösung bei der Organspende einzuführen [3]. Dieser Vorschlag wird aktuell in der Öffentlichkeit zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) führte kürzlich eine Befragung ihrer Mitglieder zu dieser Thematik durch, an der 1019 (52 %) von 1964 eingeladenen Mitgliedern der DGIIN teilnahmen. Von den Teilnehmern votierten 21 % für die aktuelle Entscheidungslösung, 43 % für die Widerspruchlösung und 33 % für die doppelte Widerspruchslösung, während 3 % der Befragten in ihrer Entscheidung unsicher waren. Damit sprach sich eine eindeutige Mehrheit der befragten Mitglieder der DGIIN für die Widerspruchslösung in der Organspende aus.

Der Bundesgesundheitsminister schlägt die doppelte Widerspruchslösung vor

Ein wesentlicher Faktor für den Rückgang realisierter Organspenden ist aber in einer Abnahme erkannter und gemeldeter potenzieller Organspender in den Kliniken zu sehen. Hier sind wir als Intensivmediziner besonders gefordert. Hohe Anforderungen und ethische Diskussionen bezüglich der Hirntoddiagnostik, schwierige und aufwändige Gespräche mit Angehörigen sowie ein dann oft ebenfalls aufwändiges und teures intensivmedizinisches Management eines potenziellen Organspenders auf der Intensivstation führen offensichtlich nicht selten dazu, dass entsprechende Patienten gar nicht erst gemeldet werden. Eine bereits bestehende zunehmende Arbeitsverdichtung und hohe Bettenauslastung auf der Intensivstation lassen oft gar keine Zeit für das Personal, noch „über den Tod hinauszudenken“. Auch zunehmender wirtschaftlicher Druck der Krankenhäuser scheint hierzu beizutragen, da viele umfangreiche Untersuchungen zum Schutz der Organempfänger oft durch Pauschalen nicht abgedeckt sind. So scheitert heute eine Organentnahme in einigen Fällen nicht am Willen des potenziellen Spenders oder seiner Angehörigen, sondern an den komplexen Abläufen innerhalb des medizinischen Systems und dem zunehmenden Personalmangel in den Kliniken. Durch stringentere Organisationsstrukturen in den Krankenhäusern, die Stärkung des „Transplantationsbeauftragten“ und eine verbesserte Vergütung der Leistungen der Kliniken rund um die Organentnahme soll sich die seit einigen Jahren sinkende Zahl der Organspenden in Deutschland wieder erhöhen.

Die Abnahme erkannter und gemeldeter potenzieller Organspender ist ein wesentlicher Faktor

Die Beiträge von H.-C. Hansen zur Hirntoddiagnostik (https://doi.org/10.1007/s00063-018-0527-6), von C. Hartog zur Gesprächsführung mit Angehörigen (https://doi.org/10.1007/s00063-018-0512-0) sowie von K. Hahnenkamp zur Intensivtherapie des potenziellen Organspenders (https://doi.org/10.1007/s00063-018-0516-9) sollen das spezielle Fachwissen vermitteln, das für die Erkennung und intensivmedizinische Betreuung bei Eintreten des Tods mit einem irreversiblen Hirnfunktionsausfall von Nöten ist, und eine Anleitung und Hilfe im Umgang mit diesen oft entscheidenden Problemen geben. Hierbei werden die komplexen intensivmedizinischen Anforderungen in Diagnostik und Therapie genauso adressiert wie die vielfältigen mit Organspende verbundenen Ängste und psychologischen und ethischen Probleme. Wir möchten den Autorinnen und Autoren für Ihre exzellenten Beiträge und die damit verbundene oft zeitaufwändige Mühe sehr danken.

Insgesamt hoffen wir, durch dieses Themenheft einen wichtigen Beitrag an uns Intensivmediziner geben zu können, das Thema Organspende wieder vermehrt wahrzunehmen, Vorbehalte und Ängste durch klare Darstellung der Fakten und Vorgehensweisen abzubauen und damit insgesamt eine Zunahme gemeldeter und auch realisierter Organspenden zu befördern. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen mit viel Informationsgewinn, der Ihnen in der täglichen Arbeit Unterstützung und Anleitung sein kann.

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Prof. Dr. Stefan Kluge

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Prof. Dr. Stefan John