Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die 49. gemeinsame Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin und Notfallmedizin (ÖGIAIN) und der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin (DGIIN) vom 07.–10.06.2017 in Innsbruck steht unter dem Motto: „Personalisierte Intensivmedizin im Zeitalter der Standardisierung“.

Die personalisierte Medizin, treffender auch als individualisierte Medizin bezeichnet, erhebt für sich den Anspruch, bei jeder Erkrankung eine auf die individuelle Situation des Erkrankten maßgeschneiderte Therapie anbieten zu können. Dieses Konzept ist keineswegs neu und eigentlich die Grundlage unseres medizinischen Handelns seit der Antike. Bereits Hippokrates hat festgestellt: „Es ist wichtiger zu wissen, welche Person eine Krankheit hat, als zu wissen, welche Krankheit eine Person hat“. Geändert haben sich allerdings in den letzten Jahren die Möglichkeiten in der Diagnostik und der Therapie vor allem aufgrund der rasanten Entwicklungen in der Molekularbiologie und Genetik. Die Präzisionsmedizin, das dazu passende Schlagwort, hat in allen Bereichen und Spezialdisziplinen der Medizin Einzug gehalten, vor allem in der Onkologie.

Die Intensivmedizin, als relativ junger Zweig in der Medizin, ist eigentlich das klassische Gebiet, in dem Individualisierung von Diagnostik und Therapie von jeher ein zentrales Thema darstellte. Rasante technische und biochemische Entwicklungen ermöglichen eine Fülle an differenzierten Möglichkeiten des Monitorings, der Diagnostik unter Einbeziehung neuer Biomarker und neuer lebenserhaltender Therapieformen. Relativ rasch wurde jedoch auch klar, dass es kaum ein Gebiet gibt, in dem einerseits das Spektrum der individuellen Ausprägung von Erkrankung, andererseits die Heterogenität der Behandlungsstrategien so groß ist. Durchaus naheliegend war daher auch der Versuch, die Prozesse in der Intensivmedizin geleitet von den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin zu standardisieren. Um das zu ermöglichen, wurden verschiedene akute Krankheitsbilder unter intensivmedizinische Syndrome subsummiert. So umfassen Sepsis, ARDS oder AKI unterschiedlichste pathophysiologische Prozesse. Trotzdem waren diese Syndrome bzw. ihre jeweiligen Definitionen die Grundlage für den Einschluss in die großen randomisierten Studien der letzten Jahre. Das ist eine mögliche Erklärung für die enttäuschende Tatsache, dass fast alle diese Studien negativ waren und u. a. von den sehr detaillierten Vorgaben in der Surviving Sepsis Campaign aus dem Jahr 2004 letztendlich 2017 deutlich weniger konkrete Empfehlungen übriggeblieben sind.

Die Intensivmedizin ist aber auch eine der kostenträchtigsten Bereiche des Gesundheitssystems. Daher ist einerseits eine Standardisierung der Behandlung unumgänglich, um Kostensteigerungen durch den Einsatz nichtgesicherter, aber teurer Therapieverfahren zu vermeiden. Andererseits wird in einer lebensbedrohlichen Situation der Einfluss der Grundkonstellation des einzelnen Patienten, dessen Genetik, Komorbiditäten und physiologische Reserven, neben der individualisierten Intensivtherapie schlagend für das Outcome. Gerade im Hinblick auf das zunehmende Durchschnittsalter unserer Patienten gilt in der Intensivtherapie daher oft auch das Motto: Weniger ist mehr.

Ziel der diesjährigen gemeinsamen Jahrestagung ist es, dieses Dilemma in allen Aspekten zu beleuchten und den in der Intensivmedizin tätigen Kolleginnen und Kollegen trotzdem eine Orientierung für den medizinischen Alltag zu geben.

Vier ausgewiesene Experten beleuchten das diesjährige Leitthema aus verschiedenen Blickpunkten: Romuald Bellmann behandelt die Pharmakotherapie beim Intensivpatienten, Thomas Staudinger den extrakorporalen Lungensupport, Andreas Valentin widmet sich dem betagten Intensivpatienten und Stefan Nessizius der maßgeschneiderten Frühmobilisierung.

Darüber hinaus finden Sie in dieser Kongressausgabe auch die zur Jahrestagung eingereichten wissenschaftlichen Abstracts.

Für die Erstellung ihrer Beiträge möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Autorinnen und Autoren ausdrücklich bedanken. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe und würde mich freuen, Sie persönlich anlässlich des Kongresses vom 07.–10.06. in Innsbruck begrüßen zu können.

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Univ. Prof. Dr. Michael Joannidis

Kongresspräsident