Intensivmedizin ist eine multidisziplinäre Aufgabe. Verschiedene Berufsgruppen – darunter Pflegepersonen, Ärzte, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden – und verschiedene ärztliche Fachbereiche und Disziplinen bemühen sich um die Behandlung der/des kritisch Kranken. Der interdisziplinäre Austausch von Wissen und Erfahrung ist in vielen intensivmedizinischen Situationen die Grundlage für die erfolgreiche Betreuung hochgradig gefährdeter Patienten.

Intensivmedizin ist jedoch nicht einfach die Erweiterung bekannter kardiologischer, gastroenterologischer, nephrologischer oder anderer internistischer oder chirurgischer Krankheitsbilder. Vielmehr ergeben sich bei kritisch Kranken sehr oft Symptom- und Befundkonstellationen, die vordergründig anscheinend keinen Zusammenhang erkennen lassen, bei genauer Kenntnis aber sehr wohl eine gemeinsame Ursache haben, die man auch unter einem „Terminus“ zusammenfassen kann.

Die intensivmedizinische Routine mit primärer Sicherung der Vitalfunktionen dient auch dazu, Zeit für detaillierte Diagnosestellungen zu gewinnen. Umso mehr ist es unsere Aufgabe, auch komplexe Muster und Befundkonstellationen zu kennen. Der Grundsatz „wir erkennen nur, was wir kennen“ gilt auch hier! Dazu einige Beispiele: Sie erhalten einen hoch fiebernden Patienten mit Rhabdomyolyse, die Parkinson-Medikation wurde kurz vorher abrupt abgesetzt: Hätten Sie differenzialdiagnostisch an die Möglichkeit eines malignen Neuroleptikasyndroms gedacht? Oder an ein erworbenes von-Willebrand-Syndrom bei einem blutenden LVAD-Patienten (linksventrikulärer Assist Device) mit „passabler“ plasmatischer Gerinnung und ausreichenden Thrombozytenzahlen? An eine TTP (thrombotisch thrombozytopenische Purpura) bei einem zunehmend verwirrten Patienten mit fallenden Thrombozyten? Diese Beispiele mögen genügen um aufzuzeigen, worum es uns geht! Wir wollen Ihren Blick für solche Problemstellungen schärfen und zumindest für einige wichtige Syndrome bei kritisch kranken Patienten den gegenwärtigen Stand des Wissens für Sie zusammentragen. Manche unter dem Titel eines Syndroms zusammengefassten Krankheitsbilder haben keinen ursächlichen Zusammenhang mit der kritischen Krankheit, führen aber den Patienten trotzdem auf die Intensivstation. Auch dies wollen wir thematisieren.

Gierlinger et al. schildern eingangs sehr eindrucksvoll die überraschende Diagnosestellung bei 2 rezidivierend blutenden Patienten und gleichzeitig auch sehr gut den aufwendigen differenzialdiagnostischen Alltag auf einer internistischen Intensivstation.

Unsere Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wir wollen Sie auch nicht langweilen. Über das ARDS werden Sie in dieser Zusammenstellung nicht lesen. Wir haben versucht, in dieser Ausgabe der Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin vielleicht weniger bekannte, sich vorwiegend auf der Intensivstation manifestierende Syndrome zu behandeln.

Wilhelm Grander widmet sich in seiner ausführlichen Übersicht den hyperthermen Syndromen. In einer begleitenden Tabelle finden Sie auch zur raschen Orientierung in Ihrem stressigen Intensivstationsalltag die wichtigsten Zeichen und Auslöser auf einen Blick.

Marlene Fischer und Erich Schmutzhard geben einen detaillierten und umfassenden Überblick über ein sehr wichtiges und auf der Intensivstation zunehmend häufigeres Syndrom – das PRES. Wir sehen heute, dass ein PRES nicht nur auf die posterioren Bezirke beschränkt sein muss. Frau Fischer erklärt Ihnen aber, warum gerade die hintere Zirkulation prädisponiert ist und namensgebend war. Auch in dieser Arbeit finden Sie zur raschen Orientierung Flowcharts und auch eindrucksvolle Beispiele aus der Bildgebung.

Paul Knöbl, ebenfalls ein ausgewiesener Experte auf seinem Gebiet, widmet sich dem sehr umfangreichen Thema der Thrombopenie als Ausgangsauffälligkeit für eine ganze Reihe von dramatischen Krankheitsbildern und Syndromen, die allesamt für den Intensivstationsbereich sehr wichtig sind. Auch in seinem Beitrag finden Sie übersichtliche Tabellen zu Ihrer raschen Orientierung.

Gere Sunder-Plassmann hat die sehr umfangreiche Aufgabe übernommen, Ihnen die kontemporäre Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten der mikroangiopathischen Syndrome näherzubringen. Gerade auf diesem Gebiet haben sich in letzter Zeit dramatische neue Behandlungsmöglichkeiten aufgetan.

Schließlich fasst Kurt Lenz Ihnen in einer exzellenten Übersicht die aktuellen diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen zum hepatorenalen Syndrom zusammen.

Wie erwähnt kann diese Zusammenstellung von Syndromen nicht vollständig sein. Es verbleiben viele weitere Fragestellungen, die wir aus Platzgründen postponieren müssen. Wir wünschen eine interessante Lektüre und hoffen, dass Ihnen diese Zusammenstellung in Ihrer täglichen intensivmedizinischen Arbeit eine wertvolle Hilfe darstellen möge.

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Gottfried Heinz

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Andreas Valentin