Das Management von lebensbedrohlichen Notfällen im Säuglings- und Kindesalter stellt für alle Beteiligten eine immense Herausforderung dar. Diese Tatsache spiegelt sich auch in den mehrfach beschriebenen Defiziten von Behandlungsteams in derartigen Situationen wider. Internationale Leitlinien werden nicht eingehalten, es kommt zu folgenschweren Dosierungsfehlern bei der gewichtsadaptierten Applikation von Medikamenten, die unkoordinierte Zusammenarbeit im Team führt zu Kommunikationsproblemen. Die oft fehlende Evidenz für das Vorgehen beim kritisch kranken Kind verleitet zu therapeutischem „Wildwuchs“, wo doch gerade hier das standardisierte Vorgehen und die Verwendung einer „gemeinsamen Sprache“ für alle Beteiligten von sehr großer Bedeutung wären.

Die Verbreitung internationaler Leitlinien nimmt in der Kindernotfallmedizin zu

Erfreulicherweise nimmt in den letzten Jahren die Verbreitung internationaler Leitlinien für die Notfallversorgung im Kindesalter auch im deutschsprachigen Raum zu. Dies ist nicht zuletzt auch dem zunehmenden Angebot an standardisierten Kursformaten, wie z. B. dem präklinisch orientierten Kindernotfall-Curriculum der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) oder den Pediatric-Life-Support-Kursen des European Resuscitation Council (ERC) und der American Heart Association (AHA), zu verdanken.

Die mangelnde Erfahrung mit dieser Einsatzindikation ist gerade für den präklinischen Bereich mit erheblichen Konsequenzen verbunden. Es erscheint dennoch utopisch, flächendeckend spezialisierte Kindernotarztsysteme zu implementieren, wie sie sich in manchen deutschen Großstädten seit Jahren bewähren. Somit bleibt den in der Notfallmedizin engagierten Nichtpädiatern nur, sich in regelmäßigen Fortbildungen, Workshops und durch die Lektüre von praxisorientierten Publikationen das Handwerkszeug für eine qualitativ hochwertige Versorgung anzueignen. Bei der Erstversorgung eines kritisch kranken Kinds ist es gerade in der Notfallmedizin essenziell, eine symptomorientierte und algorithmenbasierte Behandlung durchzuführen.

Die Erstversorgung soll symptomorientiert und algorithmenbasiert erfolgen

Mittlerweile stehen auch für den pädiatrischen Bereich Hilfsmittel zur Verfügung, die es auch dem Nichtspezialisten ermöglichen, ein Kind adäquat zu versorgen. Dass dies manchmal nicht dem Versorgungsstandard auf einer großen Kinderintensivstation eines pädiatrischen Maximalversorgers genügt, liegt in der Natur der Sache. Dies kann jedoch nicht das Ziel einer pädiatrischen Notfallversorgung in der Breite sein.

In den Leitartikeln dieser Ausgabe werden wichtige Themen der Kindernotfallversorgung von ausgewiesenen Experten in praxisorientierter Form nach aktuellem Wissensstand zusammengefasst.

Demirakca zeigt die Differenzialdiagnosen und die wichtigsten Therapiemaßnahmen bei einer der häufigsten Einsatzindikationen bei Kindern auf: dem respiratorischen Notfall. Aufgrund der meist obstruktiven Problematik wird hier der Schwerpunkt auf eine frühzeitige und ausreichend dosierte Inhalationstherapie gelegt.

Löllgen und Szabo beleuchten die verschiedenen Schockformen im Kindesalter. Hierbei wird deutlich, dass die frühzeitige klinische Erkennung des Schocks im Kindesalter sehr schwierig ist und entgegen der Erwachsenenmedizin die Blutdruckmessung unzuverlässig ist, weshalb der Beurteilung der kapillären Füllungszeit große Bedeutung zukommt. Hier wird u. a. das frühzeitige Legen eines intraossären Zugangs thematisiert und die wichtige Initialtherapie mit Flüssigkeitsboli von bis zu 3 × 20 ml/kgKG hervorgehoben. Außerdem wird auch die initiale Katecholamintherapie eines Kinds im Schock abgehandelt.

Landsleitner und Keil beschreiben das Vorgehen bei einem Verbrennungstrauma. Dieser Beitrag legt den Schwerpunkt auf eine adäquate Schmerztherapie im Kindesalter und zeigt die einfache Möglichkeit einer intranasalen Medikamentenapplikation, die gerade in dieser Notfallsituation zu einer deutlichen Verbesserung der Versorgungsqualität geführt hat, auf. In sehr praxisorientierter kasuistikbasierter Form werden alltagstaugliche Empfehlungen zusammengefasst.

Heimberg et al. stellen wichtige Fehlerursachen beim Kindernotfall zusammen und berichten über aktuelle Entwicklungen zur Vermeidung oder Beherrschung dieser typischen Probleme bei der Versorgung der kritisch kranken Kinder. Ein Schwerpunkt des Beitrags stellt dabei die Früherkennung von lebensbedrohlichen Zuständen im Kindesalter dar. Dies scheint aufgrund des Pathomechanismus des kindlichen Herz-Kreislauf-Stillstands geradezu von eklatanter Bedeutung für die Verbesserung des Outcomes von Kindernotfällen zu sein. Außerdem gehen die Autoren auf die teilweise unzureichende Ausrüstung für Kindernotfälle ein. Die Notwendigkeit einer Standardisierung und einer Abstimmung des prä- und innerklinischen Bereichs wird hier thematisiert.

Kollege Strauß widmet sich dem Problem der gewichtsadaptierten Medikamentenapplikation und bewertet die verfügbaren Hilfsmittel zur Dosierung von Medikamenten im Kindesalter mit dem Ziel, die Fehlerrate bei der Dosierung von Medikamenten im Notfall zu verringern. Gerade die korrekte Dosierung bei einem sehr breiten Altersspektrum stellt Nichtpädiater immer wieder vor große Herausforderungen.

Die vorliegende Ausgabe der Zeitschrift Medizinische Klinik - Intenisvmedizin und Notfallmedizin stellt somit einen praxisorientierten und einprägsamen Überblick über wichtige Themen der pädiatrischen Notfallmedizin dar. Es bleibt zu hoffen, dass die in diesen Übersichtsarbeiten publizierten Standards zu einer weiteren Verbesserung der Notfallversorgung im Kindesalter beitragen.

Dr. Oliver Heinzel, Tübingen

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Dr. Florian Hoffmann, München

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