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Die unklare Anämie – ein differentialdiagnostisches Problem

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Medizinische Klinik Aims and scope Submit manuscript

Kasuistik

Fall 1:

Eine 53-jährige Sekretärin bemerkt seit 3 Monaten zunehmende Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS), die in beide Schultern ausstrahlen. Nachdem die Behandlung mit Diclofenac nur eine vorübergehende Besserung zeigt, wird die Patientin zum Orthopäden überwiesen. Die Röntgenaufnahme der HWS ergibt außer einer Steifhaltung keinen pathologischen Befund. Unter Massagen und krankengymnastischer Behandlung bei Weiterführung der Behandlung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika wiederum nur vorübergehende Besserung, dann aber erneute Verstärkung der Beschwerden. Eine Anämie mit Hämoglobinwerten um 11 g/dl wird ergebnislos mit Eisenpräparaten behandelt.

Fall 2:

Ein Unternehmer geht seit seit vielen Jahren zu jährlichen allgemeinen Vorsorgeuntersuchungen zum Internisten. Im Alter von 74 Jahren fallen bei sehr guter körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit als Zufallsbefunde erstmals eine grenzwertige Verminderung des Hämoglobins auf 11,2 g/dl mit einem mittleren Erythrozytenvolumen (MCV) von 98 fl und eine ebenfalls grenzwertige Verminderung der Thrombozytenzahl auf 140 G/l auf, die auf einen kürzlich abgelaufenen passageren Virusinfekt zurückgeführt wird. Bei einer Kontrolle nach 3 Monaten ähnliche Werte, jetzt Überweisung zum Hämatologen.

Fall 3:

Dem Hämatologen wird eine unklare „Anämie“ bei einem 17-jährigen Jungen aus einer deutschen Familie geschildert, der mehrfach ohne Erfolg mit oralen Eisenpräparaten behandelt wurde. Hämoglobin 12,8 g/dl, MCV 74 fl. Bilirubin mit 65 μmol/l = 4 mg/dl, Serumferritin mit 600 ng/ml mäßig erhöht. Angeblich war die Hämoglobinelektrophorese normal. Diagnose?

Fall 1:

Die Anamnese beim Internisten ergibt eine zunehmende Erschöpfbarkeit, Gewichtsabnahme und Schlafl osigkeit, die Schmerzanamnese eine Lokalisation der Schmerzen im Schultergürtel. Im Blutbild mikrozytäre Anämie und Erhöhung der Thrombozytenzahl auf 550 G/l. Die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) ist auf 80 mm in der 1. Stunde, das Serumferritin auf 700 ng/ml erhöht. Die Diagnose einer Polymyalgia rheumatica wird ex juvantibus durch das Verschwinden aller Symptome innerhalb 48 h nach Gabe von 100 mg Prednison bewiesen. Alle Laborbefunde sind nach 3-wöchiger Therapie normal.

Fall 2:

Anamnese und erneute körperliche Untersuchung unauffällig. Außer Losartan wegen einer gut einstellbaren Hypertonie keine Medikamente. Hämoglobin jetzt 11,6 g/dl, MCV 100 fl , Retikulozyten 50 000 G/l (unterer Normalbereich), Thrombozyten 130 G/l, Leukozyten 5,6 G/l mit unauffälliger Verteilung im automatisch erstellten Differentialblutbild. Bei der mikroskopischen Durchsicht des Blutausstrichs jedoch mäßige Aniso- und Poikilozytose und Dysplasie der Neutrophilenkerne (Abbildung 1). Im Knochenmarkaspirat mäßige Dysplasiezeichen in allen drei Zellreihen, deswegen Verdachtsdiagnose eines myelodysplastischen Syndroms vom Typ der refraktären Anämie. In den nächsten 6 Jahren unter Schwankungen geringer weiterer Abfall des Hämoglobins auf Werte zwischen 10 und 11 g/dl. 1 Jahr später rasche Verschlechterung des Allgemeinzustands, bei Blutbildkontrolle Diagnose einer akuten myeloischen Leukämie mit Leukozytenzahlen von 150 G/l, die retrospektiv die Richtigkeit der 7 Jahre zuvor gestellten Diagnose einer „Präleukämie“ beweist.

Fall 3:

Folgende Daten und Materialien werden nachgefordert: Angaben zur Familienanamnese (Eltern angeblich nicht verwandt, aber aus demselben Dorf stammend), Retikulozytenzahl (3,5% = 100 G/l), sTfR (stark erhöht), Blutausstrich (Abbildung 2), Knochenmarkaspirat (ausgeprägte Hyperplasie der Erythroblasten mit mäßigen Dysplasiezeichen, Vermehrung des Speichereisens ohne Ringsideroblasten), 10 ml EDTA-Blut. Bei weiterbestehendem Verdacht einer Thalassaemia intermedia Wiederholung der Hämoglobinanalyse mit erneutem Ausschluss einer β-Thalassämie. Deswegen Sequenzierung des α-Globin-Gens, die eine große Deletion ergibt. Es handelt sich um eine (in der deutschstämmigen Wohnbevölkerung sehr seltene) heterozygote α-Thalassaemia minor!

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Heimpel, H. Die unklare Anämie – ein differentialdiagnostisches Problem. Med Klin 102, 237–247 (2007). https://doi.org/10.1007/s00063-007-1028-1

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