Kasuistik
Eine 48-jährige Versicherungsangestellte stellt sich vor, weil sie seit etwa 3 Monaten regelmäßig fünf bis sechs breiig-wässrige Entleerungen pro Tag hat. Dabei seien keine Bauchschmerzen, keine Tenesmen und kein Blut- oder Schleimabgang aufgetreten. Sie habe trotz guten Appetits ca. 5 kg an Gewicht verloren. Die dünnen Stühle setze sie sowohl tagsüber als auch nachts ab. Richtig krank habe sie sich nie gefühlt, sie stehe nicht unter einer Dauermedikation und befolge keine besondere Diät. Im tropischen Ausland sei sie in den letzten 2 Jahren nicht gewesen. Die beim Hausarzt durchgeführten Blut- und Stuhluntersuchungen sowie eine Sigmoidoskopie hätten keinen pathologischen Befund erbracht. Der Hausarzt habe eine Therapie mit Ciprofloxacin versucht, was aber keinen Einfluss auf die Diarrhö gehabt habe.
Nach der Überweisung zum Gastroenterologen erfolgte eine Stuhluntersuchung. Bei einer Natriumkonzentration von 75 mmol/l und einer Kaliumkonzentration von 60 mmol/l im Stuhl betrug die osmotische Lücke nach der in Tabelle 1 aufgeführten Formel 20 mosmol/kg H2O. Somit lag eine sekretorische Diarrhö vor. Die Fettausscheidung war negativ. Bei einer hohen Koloskopie war die gesamte Mukosa makroskopisch weitgehend unauffällig, an einzelnen Stellen fand sich ein dezentes ringförmiges Erythem der Mukosa (Abbildung 2a). Aus diesen Stellen wurden Biopsien entnommen. Der Pathologe fand lymphoplasmazelluläre Infiltrate im Interstitium und eine subepithelial gelegene herdförmige Vermehrung von kollagenem Bindegewebe (Abbildung 2b), vereinbar mit einer Kollagenkolitis. Die genaue Ursache dieser wahrscheinlich autoimmunologisch bedingten Kolitisform ist unbekannt. Man nimmt an, dass luminale Faktoren zu einer Schädigung des Kolonepithels führen oder eine Entzündung induzieren und es als eine Art von Reparaturmechanismus zu einer vermehrten Kollagensynthese der perikryptischen Fibroblasten kommt [1]. Dieses Kollagenband wirkt zusätzlich als Diffusionsbarriere und verhindert die Rückresorption von Flüssigkeiten im Kolon.
Die Patientin wurde zunächst mit 5-Aminosalicylat behandelt, was jedoch nur zu einem geringen Rückgang der Stuhlfrequenz führte. Einen an sich geplanten Versuch mit Prednison 1 mg/kg Körpergewicht verweigerte die Patientin aus Furcht vor ungünstigen Auswirkungen auf eine messtechnisch festgestellte Osteoporose. Unter einer Therapie mit 9 mg Budesonid täglich kam es zu einer vollständigen Remission der Diarrhö, die bislang auch nach Absetzen von Budesonid nicht wieder auftrat.
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Füeßl, H.S. Chronische Durchfallerkrankungen. Med Klin 100, 569–576 (2005). https://doi.org/10.1007/s00063-005-1078-1
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