Ärzte, die nach der Therapieallergene-Verordnung (TAV) verkehrsfähige, aber nicht zugelassene Mittel verordnen, gehen ein Regressrisiko ein. Denn nach Überzeugung des Sozialgerichts (SG) Hannover sind diese „grundsätzlich von der Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV ausgeschlossen“. Eine Berufsausübungsgemeinschaft hatte zwei Versicherten einer BKK Therapieallergene gegen Pollen verordnet. Die Kasse beantragte daraufhin die Festsetzung eines „sonstigen Schadens“ in Höhe der Verordnungskosten von knapp 1.500 Euro.

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Eine Verordnung von Therapieallergenen gegen Pollen führte zur Festsetzung eines Schadens von knapp 1.500 Euro.

Zur Begründung verwies die BKK auf die fehlende Zulassung. Zwar führe die 2008 in Kraft getretene TAV zur Verkehrsfähigkeit. Jedoch seien bei über 50 zulassungspflichtigen Arzneimitteln die Zulassungsverfahren auch nach über zehn Jahren noch nicht abgeschlossen. Die Zulassung sei aber Voraussetzung für die Verordnung zulasten der GKV.

Die von den Ärzten eingeschaltete KBV erklärte, dass seitens der Bundesvertragspartner die grundsätzliche Verordnungsfähigkeit der nicht zugelassenen Therapieallergene nicht infrage gestellt werde. Entsprechend beriefen sich die Ärzte auf Vertrauensschutz. Mit Blick darauf regte die BKK an, zunächst eine „Beratung“ auszusprechen. Die Prüfungsstelle Niedersachsen setzte jedoch sofort einen Regress fest. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Zur Begründung verwies das SG auf ein Urteil des Bundessozialgerichts aus 1998. Danach sei eine Verordnung zulasten der GKV nur zulässig, „wenn für das Arzneimittel eine für das jeweilige Indikationsgebiet betreffende Zulassung vorliegt“. Zwar sehe die TAV die weitere Verkehrsfähigkeit auch zulassungspflichtiger Therapieallergene vor, wenn bis Dezember 2010 ein Zulassungsantrag gestellt wurde. Dies sei hier auch geschehen. Ob die Verkehrsfähigkeit jedoch auch eine Zahlungspflicht der gesetzlichen Kassen begründe, sei aber umstritten.

Das SG Hannover beantwortete diese Frage nun mit Nein (Sozialgericht Hannover, Az.: S 20 KA 308/22). Selbst wenn man die TAV so lese, dass die Verkehrsfähigkeit während des Zulassungsverfahrens auch zu einer vorübergehenden Zulassung führt, reiche dies nicht aus. Denn Voraussetzung für Verordnungen zulasten der GKV sei eine „vorherige fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit“. An solchen Nachweisen fehle es hier. Die TAV ordne die Verkehrsfähigkeit auch nur vorübergehend bis zum Abschluss dieser Prüfung an.

Abschließend betonte das SG, Maßnahmen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung setzten kein Verschulden voraus. Auf Vertrauensschutz könnten sich die Ärzte daher nicht berufen. Und da es sich um eine Einzelfallprüfung gehandelt habe, habe die Prüfungsstelle auch zwingend einen Regress festsetzen müssen.