Corona hätte dem umtriebigen Bundesgesundheitsminister in den letzten 15 Monaten reichlich Gelegenheit gegeben, der vollmundigen Rhetorik und hektischen Betriebsamkeit seiner bisherigen Amtszeit stringentes Handeln folgen zu lassen. Das sind genau die Zeiten, in denen sich "Macher" profilieren und dadurch von "Sprüchemachern" unterscheiden lassen. Spätestens seit der Impfstoff zur Verfügung stand, war Spahns Stunde: Die Diskussionen um Lockdown ja oder nein, Kommunikationsprobleme und Zwistigkeiten zwischen den einzelnen Ländern und dem Bund verloren in der öffentlichen Wahrnehmung an Bedeutung und ließen sich ja auch in der Vergangenheit schon bequem in den Verantwortungsbereich der Kabinettskollegen verlagern. Alles konzentrierte sich jetzt auf die Impfkampagne. Nicht unerwartet nach dem Präludium der letzten Jahre hat Spahn, der oberste Impfstratege der Nation, wieder nicht geliefert: "Ja es ruckelt", wird er zum Impfstart zitiert. "Kein Ruckeln, das ist ein Beben", heißt es vier Wochen später in "heute online", und weiter "kein Tag ohne schlechte Nachrichten, die Hiobsbotschaften stapeln sich im Bundesministerium für Gesundheit und mittendrin: Jens Spahn." Und was macht der alte Fuchs? Nebelkerzen zünden und die Verantwortung auf andere abwälzen - bewährte Taktik unter Polit- und Funktionärsprofis. Weiter nach Brüssel, wo seine Parteifreundin Dr. von der Leyen sitzt, die Ende letzten Jahres zum Impfstart noch großspurig twitterte: "Das ist Europas Moment." Wäre gewesen, kann man jetzt wohl nur noch sagen. Madame, mittlerweile stiller geworden, wird das "Irrlichtern im Impfstoffstreit" (ntv, 31.01.21) aber vermutlich genauso aussitzen wie andere Krisen in ihrer Karriere.

Nächstes Ablenkungsmanöver: Das Gesundheitsministerium erwirbt für fast eine halbe Milliarde Euro Antikörpermedikamente, deren Wirksamkeitsnachweis zumindest umstritten ist, derweil Spahn vom Einsatz ebendieser monoklonalen Antikörper schwadroniert, die Deutschland als erstes Land in der EU einsetze. Zu allem Überfluss erklärt der Mann "Bild am Sonntag" dann auch noch den Wirkmechanismus des Präparates; Experten unter sich halt. In der EU stand übrigens zu dieser Zeit eine Zulassung noch aus. Matthias Stoll, Infektiologe an der Medizinischen Hochschule Hannover, rechnet ohnehin damit, dass diese Medikamente kaum zum Einsatz kommen, sondern eher zu teuren Ladenhütern werden; allein schon wegen der bisher ungeklärten Kostenübernahme.

Das Ende des Konnektors naht

Ein grundlegender Wandel steht an für die Telematikinfrastruktur (TI). Diese TI 2.0 soll jetzt auf einmal "zeitgemäß und nutzerorientiert" werden, hört, hört. Im Zusammenhang mit der Neukonzeption will man ab nächstem Jahr auf den Konnektor verzichten - und wohl auch auf die elektronische Gesundheitskarte. Wurde die nicht gerade erst zu Jahresbeginn eingeführt? Egal. Der Kasperlverein Gematik jedenfalls zieht hier wohl die Konsequenz aus den Folgen des fehlerhaften Zertifikatswechsels im Sommer 2020, als 80.000 Praxen aus der telematischen Infrastruktur flogen. Die Beseitigung der Störung dauerte damals schlappe 52 Tage, für ein digitales Schwellenland wie Deutschland gar nicht mal so schlecht. Zur TI 2.0 liegt auch schon ein "white paper" mit dem selbstbewussten Titel "TI 2.0 - Arena für digitale Medizin" (https://tinyurl.com/ 45ntj32s) vor. Kollege Eberle aus Gröbenzell gibt uns auf S. 54/55 eine aktuelle Einschätzung zum Thema TI. Bitte lesen!!

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Prof. Dr. med. Gerhard Grevers Chefredaktion