_ Eine Arbeitsgruppe spanischer, dänischer, schwedischer, norwegischer und deutscher Forscher, angeführt von Iris Maas von der Charité - Universitätsmedizin Berlin, hat sich mit Hilfe der Zwillingsforschung auf die Suche nach den genetischen Einflüssen auf Tinnitus gemacht [Genet Med 2017, online 23. März]. Zunächst verglichen sie die Tinnituskonkordanz — die Wahrscheinlichkeit für Tinnitus eines Zwillings, falls der andere erkrankt ist — bei mehr als 10.000 ein- und zweieiigen Zwillingspaaren. Die Tinnitusprävalenz im Gesamtkollektiv lag bei 14,9 %, ein Anteil, der jenem in der Allgemeinpopulation entspricht. Insgesamt lag die Tinnituskonkordanz bei monozygoten Zwillingen höher als bei dizygoten (32 % vs. 20 %). Signifikant war der Unterschied aber nur für bilateralen Tinnitus (49 vs. 30 %), nicht aber für unilaterale Ohrgeräusche (25 vs. 19 %).

Anschließend gingen Maas und Kollegen daran, aus den Merkmalsvarianzen zwischen ein- und zweieiigen Zwillingen den Grad der Erblichkeit von Tinnitus abzuschätzen. Grob gesprochen errechnet man dafür den Quotient aus genetischer zu phänotypischer Varianz. Haben die Gene keinen Einfluss, liegt dieser Wert bei 0. Sind die Gene allein verantwortlich, resultiert ein Wert von 1. Im Mittel ergab sich für die Erblichkeit von Tinnitus ein Wert von 0,43 (das liegt in der Größenordnung anderer komplexer Erkrankungen, die mit dem zentralen Nervensystem in Verbindung stehen, wie Depressionen, Parkinson- oder Alzheimerkrankheit). Auch hier war der Zusammenhang mit bilateralem Tinnitus stärker ausgeprägt als für unilaterale Ohrgeräusche. Die Erblichkeitsquote betrug 0,56 für bilateralen und 0,27 für unilateralen Tinnitus. Am deutlichsten zeigte sich diese Assoziation bei Männern (0,68) und bei Frauen unter 40 Jahren (0,62).

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Tinnitus, der beidseitig auftritt, kann vererbt sein.

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Die Gene sind nach den Ergebnissen dieser Studie zwar nicht allein, aber doch in gewichtiger Form an der Entwicklung eines Tinnitus beteiligt, besonders mit Blick auf ein bilaterales Auftreten. „Die genetische Prädisposition scheint demnach für die Entwicklung bestimmter Tinnitusformen wichtig zu sein, während nichtgenetische Faktoren bestimmen, ob sich die Disposition zum Tinnitus auswächst“, schreiben Maas und ihre Mitarbeiter. Dabei handle es sich bei bilateralem Tinnitus womöglich um einen eigenen genetischen Subtyp.