Zusammenfassung
Eine möglichst standardisierte, aber trotzdem den individuellen Erkrankungen angepasste und zielgerichtete Anamnese und körperliche Untersuchung sind essenzieller Bestandteil einer präoperativen Evaluation. Das im Rahmen der nichtapparativen Diagnostik erhobene individuelle kardiovaskuläre Risikoprofil bedarf einer gezielten weiterführenden Diagnostik mit nicht-invasiven und invasiven Untersuchungen, um das individuelle Risiko für das Auftreten unerwünschter kardiovaskulärer Ereignisse valide einzuschätzen. Dabei sollten die präoperativen Untersuchungsabläufe auf den medizinisch notwendigen Bedarf begrenzt werden, um die materiellen und personellen Ressourcen optimal einsetzen zu können. Im nachfolgenden Manuskript soll ein praktischer Leitfaden zur präoperativen kardiovaskulären Risikoevaluation vor elektiven, allgemeinchirurgischen Eingriffen vorgestellt werden.
Abstract
A careful and standardized but nevertheless individually adapted and targeted medical history and physical examination are essential components of a preoperative evaluation. The individual cardiovascular risk profile characterized by noninvasive diagnostics requires a targeted further assessment with noninvasive and invasive diagnostic investigations, which should be targeted to the medical needs of the individual patient. The aim is to assess the individual risk of undesired major adverse cardiac events (MACE). The preoperative examination procedures should be limited to the medically necessary needs in order to be able to optimally utilize the material and personnel resources. This review article presents a practical guide for preoperative cardiovascular risk evaluation in patients scheduled for elective, noncardiac surgery.
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Interessenkonflikt
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Autoren
S. Kulenthiran, I. Emrich, Y. Bewarder, W. Hubner, F. Mahfoud, M. Böhm und S. Ewen geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Wissenschaftliche Leitung
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Der Verlag
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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
Zwischen präoperativer Risikoevaluation und geplantem Operationstermin sollte ein ausreichender zeitlicher Abstand liegen. Dieser sollte welchen empfohlenen Zeitraum nicht überschreiten?
3 Monate
6 Wochen
6 Tage
4 Wochen
2 Tage
Welcher Faktor ist unter anderem zur Abschätzung des individuellen Risikos zur Entwicklung schwerwiegender perioperativer kardiovaskulärer Ereignisse (MACE) ausschlaggebend?
Vorliegen einer akuten symptomatischen Herzerkrankung
Anzahl bereits stattgehabter Operationen in der Vorgeschichte
Familiäre Anamnese bezüglich perioperativer Komplikationen
6‑min-Gehstrecke
Zeitliche Dauer der geplanten Operation
Welcher der folgenden Risikoscores wird zur Abschätzung des kardialen Risikos vor einer Operation empfohlen?
DIGG
ABCD2
PROCAM
NIHSS
RCRI nach Lee
Ein wichtiger Bestandteil der kardiovaskulären Risikoevaluation ist die Bewertung des kardialen Risikos des geplanten operativen Eingriffs. Welche der aufgeführten Operationen ist mit einem hohen Risiko verbunden?
Mammachirurgie
Schilddrüsenchirurgie
Zahnärztliche Eingriffe
Nierentransplantation
Nebennierenresektion
Den Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) folgend, sollte zur präoperativen Risikoevaluation ein EKG in welcher der nachfolgend genannten Situationen durchgeführt werden?
Bei allen Patienten
Bei kardial asymptomatischen Patienten ohne Risikofaktoren und geplantem operativen Eingriff mit geringem Risiko
Bei symptomatischen Patienten mit klinischen Zeichen einer Herzinsuffizienz oder bei Trägern eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD)
Bei Patienten mit Schrittmachern, die sich regelmäßigen Kontrolluntersuchungen unterziehen und keine klinischen Symptome aufweisen
Bei Patienten >65 Jahren und niedrigem operativen Risiko
Wann ist die Durchführung einer perioperativen Echokardiographie indiziert?
Für alle Patienten >55 Jahren
Für alle Patienten, deren letzte echokardiographische Untersuchung länger als 6 Monate zurückliegt
Für Patienten mit bekannter stabiler Herzinsuffizienz
Für Patienten mit vermuteter koronarer Herzkrankheit
Für Patienten mit neu aufgetretenem, bisher nicht weiter evaluiertem Herzgeräusch
Wann sollte präoperativ ein nicht-invasiver Belastungstest durchgeführt werden?
Bei Patienten mit ≥3 Risikofaktoren und eingeschränkter Belastbarkeit (MET [metabolische Äquivalente] <4) vor einer Hochrisikooperation
Bei einer Notfalloperation
Bei allen Patienten vor Hochrisikooperationen
Bei Patienten mit 1 bis 2 Risikofaktoren, guter Belastbarkeit und niedrigem Operationsrisiko
Prinzipiell immer
Wann muss präoperativ eine invasive Koronarangiographie durchgeführt werden?
Bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK)
Bei Patienten mit vermuteter KHK ohne positiven Ischämienachweis
Bei Patienten mit familiärer Prädisposition
Vor allen Notfalleingriffen
Bei Patienten mit nachgewiesener myokardialer Ischämie >10 % ohne Indikation zum notfallmäßigen operativen Eingriff
Ein 55-jähriger Patienten soll elektiv an einer Leistenhernie operiert werden. Er berichtet von einer bekannten Verkalkung der Herzklappe, dies sei bereits vor 3 Jahren festgestellt worden. Seither habe er keine kardiale Kontrolluntersuchung mehr gehabt. Er habe aber einen Termin im Zeitraum nach der Leistenhernienoperation vereinbart, da er aufgrund progredienter Dyspnoe seine Haus- und Gartenarbeit nicht mehr ohne Hilfe seiner Nachbarn bewältigen kann. Wie gehen Sie vor?
Eine Echokardiographie mit ggf. weiterführender kardialer Diagnostik ist präoperativ dringend indiziert.
Die Durchführung eines EKG ist ausreichend.
Der bereits vereinbarte postoperative Termin beim niedergelassenen Kardiologen zur weiteren kardialen Evaluation ist ausreichend.
Die Leistenhernienoperation sollte notfallmäßig durchgeführt werden, um die vorbeschriebene Verkalkung der Herzklappe schnellstmöglich weiter abklären zu lassen.
Bei bereits vorbekannter Verkalkung der Herzklappe sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich.
Ein 75-jähriger Patient soll sich bei ausgeprägter peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) einer Unterschenkelamputation unterziehen. Er weist ein ausgeprägtes kardiovaskuläres Risikoprofil auf und berichtet von einer eingeschränkten Belastbarkeit (Dyspnoe bereits in Ruhe) in den vergangenen Wochen. Welche weiterführenden Maßnahmen sind indiziert?
Keine weiterführenden Maßnahmen, da eine Unterschenkelamputation ein niedriges Operationsrisiko darstellt.
Eine umfangreiche Anamnese und körperliche Untersuchung sind in diesem Falle ausreichend.
Es ist ausreichend, eine echokardiographische Untersuchung nach der Unterschenkelamputation durchzuführen.
Die Durchführung einer nicht-invasiven Belastungsuntersuchung ist präoperativ indiziert.
Da Sie in einem Krankenhausbericht von vor 5 Jahren eine vorbeschriebene geringgradige Aortenklappeninsuffizienz finden, geben Sie sich zufrieden und geben ihr OK zur Durchführung der Operation.
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Kulenthiran, S., Emrich, I., Bewarder, Y. et al. Präoperative kardiovaskuläre Risikoevaluation vor elektiven, allgemeinchirurgischen Eingriffen. Herz 45, 301–310 (2020). https://doi.org/10.1007/s00059-020-04917-z
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Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00059-020-04917-z
Schlüsselwörter
- Kardiovaskuläres Risikoprofil
- Operative Eingriffe
- Unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse
- Risikoeinstufung
- Präoperative Diagnostik