Die Autorin Erin Jade Lange veröffentlichte 2012 mit "Butter" ihren Debütroman, der sofort ein Bestseller wurde. Seither hat die amerikanische Redakteurin und Schriftstellerin mehrere erfolgreiche Jugendromane ("Halbe Helden", "Firewall", "Mein letzter Livestream") veröffentlicht und wurde für den deutschen Kinderliteraturpreis nominiert.

Der 16-jährige Butter ist mit knapp 200 kg stark übergewichtig. Seinen Spitznamen hat er bekommen, als er von mehreren Jugendlichen gezwungen wurde, ein Päckchen Butter zu essen. In der Schule steht er alleine, er wird gemobbt und verhöhnt. Butter leidet unter seinem Gewicht und seinem Äußerem, so dass er sein großes Talent - er ist ein begnadeter Saxophonist - nicht vor anderen auslebt. Seine Mutter versucht, seinen Kummer zu ignorieren, sein Vater zeigt ihm offen seine Verachtung. In seiner Freizeit ist er daher meist im Internet unterwegs. Butters große Liebe ist Anna, die mit ihm zwar in eine Klasse geht, mit der er aber unter anderem Namen online chattet. Seine Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit treiben ihn letztendlich zu dem Entschluss, seinem Leben ein fulminantes Ende zu setzen.

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© Grafik: Eva Künzel

Henkersmahlzeit

Auf seiner Internetseite kündigt Butter an, sich an Silvester zu Tode essen zu wollen. Seine Ankündigung geht viral und er wird über Nacht zum Star der Schule. Plötzlich ist er beliebt, in den Pausen will jeder bei ihm sitzen und er wird zu allen Partys einladen. Damit entsteht eine makabre Spirale, aus der er sich nicht mehr befreien kann. Zu Silvester finden mehrere Partys statt, bei denen an großen Bildschirmen seine Verzweiflungstat übertragen werden soll.

Scham und Angst

Der Begriff Binge Eating bezieht sich auf exzessives Essen von mehreren Tausend Kalorien innerhalb kürzester Zeit und Kontrollverlust. Im Unterschied zur Bulimie werden jedoch keine Versuche unternommen, die Kalorienaufnahme durch Erbrechen oder andere Maßnahmen zu verhindern. Daher sind viele Betroffene übergewichtig. Die Binge-Eating-Störung betrifft meist ältere Jugendliche und junge Erwachsene und ist als Krankheit anerkannt. Man schätzt, dass etwa 30% der übergewichtigen Menschen betroffen sind.

Die Essattacken werden in der Regel emotional ausgelöst und sind unabhängig von Hungergefühlen. Aus Scham und Angst vor Verachtung werden sie in der Regel vor Freunden und Familie geheim gehalten. Insbesondere Gefühle des Verlassenseins, der Leere und Einsamkeit führen zu der massiven Nahrungsaufnahme: die aufgenommene Nahrung soll das Loch in der Seele füllen.

Nach einer Essattacke kommt es dann meist zu Schuldgefühlen, Scham und Ekel vor sich selbst. Ein Kreislauf aus Überessen und Diäten wird in Gang setzt. Menschen mit Binge-Eating-Störung leiden zum einen unter den Essanfällen selbst, zum anderen unter ihrem Äußeren, was wieder zu einer Verschlimmerung der Situation und neuen Essattacken führen kann. Ähnlich wie bei Substanzabhängigkeiten können sich Betroffene oft nicht selbst aus der Spirale befreien. Die Ursachen der Erkrankung sind komplex und multifaktoriell. Man vermutet sowohl biologische Faktoren, wie häufige Diäten oder eine vorhergegangene Magersucht, als auch individuelle Faktoren, beispielsweise ein niedriges Selbstwertgefühl oder Traumatisierungen. Hinzu kommen familiäre und soziale Faktoren wie soziale Isolierung, geringe familiäre Unterstützung oder emotionale Vernachlässigung.

Gemeinsamkeit

Wir wissen, dass Essen mehr als Nahrungsaufnahme ist. Bis heute ist eine Mahlzeit in allen Kulturen der Welt ein soziales Erlebnis. Wenn man etwas zu feiern hat, isst man gemeinsam. Man nimmt sich Zeit, redet miteinander und genießt zusammen die Gaumenfreuden.

Spoileralarm: Butter hatte übrigens Glück. Anna entpuppt sich im realen Leben als echte Freundin, die zum ihm steht und rechtzeitig Hilfe holt. So findet Butter ins Leben und zu seiner Familie zurück. Er lernt, wieder ohne Schuldgefühle und Scham zu genießen - etwas, das er selbst nicht mehr geglaubt hatte.