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Fast vergessene Krankheiten

Wissen Sie, was das febrilische Fünklein ist? Was sich hinter Hundswuth verbirgt? Oder seit wann es die sogenannte Franzosenkrankheit gibt? In unserer Serie geht es um die Geschichte, Symptomatik und Behandlung fast vergessener Krankheiten.

Typhus ist in der Regel mit mangelhaften hygienischen Zuständen oder verunreinigten Lebensmitteln bzw. Trinkwasser assoziiert. Da Mary jedoch in den reichen Haushalten von Long Island kochte, waren die gehäuften Infektionen sehr ungewöhnlich. Ein Gesundheitsinspektor wurde aufmerksam und untersuchte die Fälle auf Gemeinsamkeiten — und fand sie in der Küche in Gestalt von Mary Mallon.

Infektion über Speisen

Nach einer Inkubationszeit von zwei Tagen bis zu zwei Monaten entwickeln sich zunächst Allgemeinsymptome mit anfänglicher Obstipation. Danach folgen hohes Fieber bis 41°C und charakteristische „erbsenbreiartige“ Durchfälle. Dazu können Roseolen und eine relative Bradykardie auftreten. Unbehandelt verläuft die Erkrankung in 15-20% der Fälle tödlich. Nach der Genesung können die Erreger über Wochen, Monate oder in seltenen Fällen lebenslänglich über den Darm ausgeschieden werden (Dauerausscheider) und andere Menschen infizieren. So kam auch Mary Mallon zu ihrem Ruhm als „Typhus Mary“. Sie war „Carrier“ (Dauerausscheiderin) von Salmonella typhi und selbst gesund, infizierte jedoch unwissentlich ihre Arbeitgeber über die zubereiteten Speisen. Mary kannte diese Zusammenhänge nicht und zeigte auch keinerlei Einsicht. Sie kochte und infizierte weiter, bis ihre Kochkarriere endgültig durch Zwangsquarantäne beendet wurde. Diese Maßnahme sorgte in den 1980er und 1990er Jahren im Zusammenhang mit HIV/AIDS für Diskussion: Inwiefern darf eine Gesellschaft die Freiheit und Rechte eines einzelnen einschränken, um die Gesamtheit der Gesellschaft zu schützen? War Mary Mallon wirklich eine Bedrohung für die Gesellschaft?

Vages Bewusstsein für Ansteckung

Heute versucht das Infektionsschutzgesetz die Gefahr einzuschränken. Typhus gehört zu den meldepflichtigen Erkrankungen. Krankheitsverdächtige, Erkrankte und Dauerausscheider, die in Gemeinschaftseinrichtungen und im Lebensmittelbereich arbeiten, unterliegen besonderen Einschränkungen. Während der Carrier-Status erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts nachgewiesen wurde, war das vage Bewusstsein für Ansteckung und Übertragung jedoch schon lange vorher aufgekommen, bereits vor dem Nachweis von Mikroorganismen. So schreibt ein Arzt aus dem Jahre 1671, dass rückkehrende Heere aus Ungarn ein „böses, gifftiges, pestilentzisches und hitziges Fieber“ mitbrachten — die „Ungarische Hauptkrankheit“, weil es mit starken Kopfschmerzen („Hauptweh“) und neurologischen Einschränkungen einherging. Es zeigten sich auch rötliche Flecken auf der Haut, daher wurde es auch als Fleckfieber oder „buntes“ Fieber bezeichnet. Die Ursachen wurden in der „unsauberen Haltung der Soldaten“ sowie „unordentlicher Speis und Trank“ gesehen, die zu einer Fäulnis und Gärung der Körpersäfte führten. Das (heutige) Fleckfieber zählt immer noch zu den Differenzialdiagnosen für Typhus, es wird daher auch als Hunger- oder Kriegstyphus, als Kriegspest oder Lazarettfieber bezeichnet. Es lässt sich nicht (mehr) klären, was „echter“ Typhus und „Kriegstyphus“ war. An Typhus erkranken weltweit noch immer 22 Millionen Menschen jährlich, ca. 50 davon in Deutschland. Die meisten der Infektionen sind durch Reisen oder Migration importiert. Zu Endemiegebieten gehören Indien, Thailand, Kambodscha und Pakistan sowie Krisengebiete.

Übrigens verstarb „Typhus-Mary“ letztendlich im Alter von 69 Jahren in ihrer Quarantäne an den Folgen eines Schlaganfalls.