Kinder auf Intensivstationen, die nicht enteral ernährt werden können, bekommen fast regelmäßig schon zu Beginn der Behandlung eine parenterale Ernährung verabreicht. Die Rationale für diese Maßnahme leuchtete ein, allerdings gab es keine Evidenzbasis dafür. Eine internationale Studie liefert nun Daten, die überraschenderweise gegen eine sofortige Ernährung sprechen.
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Eine belgische Arbeitsgruppe aus Leuven legt nun eine große international angelegte multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie vor, bei der Kliniken aus den Niederlanden und Kanada mitbeteiligt waren. Sie widmet sich der Frage, ob das Vorenthalten parenteraler Ernährung bei kritisch kranken Kindern bis zum Tag 8 vorteilhafter ist im Vergleich zur frühen parenteralen Ernährung. In die Studie wurden alle Altersgruppen vom reifen Neugeborenen bis zum 17-jährigen Jugendlichen aufgenommen. 1.440 Patienten wurden randomisiert: 723 der Patienten erhielten eine frühe parenterale Ernährung innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Aufnahme auf der Intensivstation, 717 Patienten erhielten eine parenterale Ernährung erst ab dem Morgen des 8. Tages der stationären Behandlung.
Beide Gruppen wurden wenn möglich auch enteral ernährt und erhielten in-travenöse Mikronutrients (Spurenelemente, Mineralien, Vitamine) ab dem zweiten Tag. Um in beiden Gruppen die gleiche intravenöse Flüssigkeitsmenge zu verabreichen, erhielt die Gruppe der nicht parenteral Ernährten intravenöse Glukose und 0,9%ige NaCl-Lösung. Die Endpunkte der Studie waren das Neuauftreten von Infektionen während der Behandlung auf der Intensivstation und die Dauer der Intensivbehandlungsbedürftigkeit. Die Mortalität war in beiden Gruppen gleich hoch. Das Auftreten einer neuen Infektion lag bei den frühzeitig parenteral Ernährten bei 18,5%, bei den spät parenteral Ernährten nur bei 10,7%. In der letztgenannten Gruppe betrug die durchschnittliche Dauer der Intensivbehandlungsbedürftigkeit 6,5 Tage, bei den sofort parenteral Ernährten dagegen 9,2 Tage. Auch die Dauer der Beatmungsbedürftigkeit war geringer bei den erst spät parenteral ernährten Kindern. Die Autoren schließen aus ihren Daten, dass es bei kritisch kranken Kindern sinnvoll sei, die parenterale Ernährung erst nach der ersten Woche auf der Intensivstation zu beginnen.
Kommentar
Auf vielen pädiatrischen Intensivstationen wurde und wird die parenterale Ernährung gewissermaßen reflektorisch zum frühestmöglichen Termin begonnen — weil es nahelag, dass dies vernünftig sei. Die Studie von Fivez et al. (genannt PEPaNIC trial) zeigt, wie wichtig es ist, solche Überzeugungen mit stringenten Methoden auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Nilesh Mehta vom Boston Children’s Hospital (Critical Care Nutrition) stimmt den Autoren in einem Kommentar zu [N Engl J Med 2016;374: 1190–2]: Zumindest Kinder, die nicht von vornherein stark unterernährt sind, sollten tatsächlich nicht sofort am Aufnahmetag auf einer Intensivstation parenteral ernährt werden.
Literatur
Fivez T et al. Early versus late parenteral nutrition in critically ill children. N Engl J Med 2016; 374:1111–22
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Koch, H. Bei kritisch kranken Kindern mit der parenteralen Ernährung warten. Heilberufe 68, 24 (2016). https://doi.org/10.1007/s00058-016-2385-z
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