… bei Barbara Messer. Nicht nur als Buchautorin, sondern auch als Coach hat sich die gelernte Altenpflegerin intensiv mit dem Helfersyndrom beschäftigt.

figure 1

Barbara Messer

Trainerin, Coach und Autorin in Berlin

? Frau Messer, vorweg — lässt sich aus Wahl eines helfenden Beruf bereits auf ein Helfersyndrom schließen?

Messer: Wer sich früh für einen helfenden Beruf entscheidet, verfügt sicher über eine hohe Affinität zum Helfersyndrom. Denn sonst würden viele erst einmal den Weg der Freiheit und Unabhängigkeit wählen — hinaus in die Welt, statt „Helfen wollen!“ Vielen Pflegekräften steht das Helfersyndrom, die eigene Bedürftigkeit, auf die Stirn geschrieben.

? Hilfsbereitschaft ist zunächst eine positive Eigenschaft. Wann wird sie beruflich zum Problem?

Messer: Helfenwollen wird dann zum Problem, wenn der oder die HelferIn mit „Kränkung“ oder „Beleidigtsein“ reagiert, wenn die Hilfe abgelehnt wird. Oft genug habe ich erlebt, dass dann von aggressiven Hilfsbedürftigen die Rede ist. Schwierig wird es auch, wenn offensichtlich keine ehrliche Selbstpflege mehr ausgeführt wird oder wenn die Hilfe nicht im Sinne einer professionellen Pflegediagnostik ermittelt werden kann. Hellhörig stimmen sollte einen nicht zuletzt, wenn „ Helfer“ dagegen sind, dass KollegInnen die Hilfeleistung durchführen, die ja für die KlientIn ist, nicht für den Helfenden.

? Weshalb wird Hilfe denn abgelehnt?

Messer: Zum einen ist das Hilfsangebot oft zu massiv, zu global und nicht differenziert genug. Hier steht das Bedürfnis „Ich will helfen!“ im Raum. Zum anderen fühlt sich der potentielle Hilfsbedürftige durch das Hilfsangebot unterlegen, klein gemacht, unmündig. Mitunter droht der Helfer sogar für den Fall, dass das Hilfsangebot nicht angenommen wird.

? Wie können Pflegekräfte einer Selbstüberforderung und letztlich dem Ausbrennen vorbeugen?

Messer: Mir hat es immer geholfen, ein gutes Pendant, einen befriedigenden Austausch zu haben: Theater, Reisen, Freunde, Politik, Hobbys. Das sehe ich nach wie vor als wesentliche Maßnahmen zur Selbstpflege, um Lebensqualität zu haben. Dazu gehört aber auch eine adäquate Selbstreflexion — Anzeichen wahrnehmen, sich um sich selber kümmern und persönliche Baustellen angehen. Jedem hilft es, die eigenen Verletzungen in der Kindheit und im Leben zu klären, Frieden mit sich, den Eltern und dem bisherigen Lebensweg zu schließen. Dazu gibt es viele Angebote wie Familienaufstellungen oder Coachings.

? Sehen Sie bei der Prävention auch die Pflegeeinrichtungen in der Pflicht?

Messer: Auf jeden Fall. Achten Sie zum Beispiel bei der Einstellung von Pflegekräften auf klare, professionelle Persönlichkeiten. Es ist ein Fehler „irgendwelche“ Pflegekräfte einzustellen, nur weil es anscheinend keine Alternativen gibt.

Führungskräfte sollten sich aber auch an die eigene Nase fassen. Oft genug handelt es sich um ehemalige Pflegekräfte, die nahtlos vom Helfer- zum Führungssyndrom wechseln. Hier bieten sich Führungskräfte- und Teamtrainings an, bei denen das Thema Selbstpflege ebenso auf den Tisch kommt wie persönliche Klarheit. Auch durch eine Analyse der Pflegeplanungen fallen Menschen mit Helfersyndrom schnell auf. Dann braucht es jemanden, der das adäquat anspricht. Und das ist nicht oft der Fall. Suchen Sie also ExpertInnen, die ab und an mit dem Team an einer guten Kultur im Miteinander und im Umgang mit sich selbst arbeiten.

Das Interview führte Nicoletta Eckardt