Zusammenfassung
Das Fibromyalgiesyndrom (FMS) ist eine komplexe Schmerzerkrankung noch ungeklärter Ätiologie, das in der Therapie nach wie vor schwierig und dauerhaft ist. Akupunktur und TCM bieten beim FMS aufgrund ihres anderen Krankheitsverständnisses neue Therapiemöglichkeiten. Die Grundlagen, die aktuelle Datenlage zur TCM und umfassende klinische Therapiestrategien werden im Artikel dargestellt.
Abstract
Fibromyalgia (FMS) is a complex pain entity of still unknown etiology. The therapeutic options are not always successful and a multiple layer is necessary. Acupuncture and Traditional Chinese Medicine (TCM) offer a different approach with additional therapeutic options. This article comprises the basic concepts of TCM in FMS as well as clinical data and shows the syndrome patterns and therapeutic possibilities.
Literatur
Verwendete Literatur
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Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
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Erstveröffentlichung in Deutsche Zeitschrift für Akupunktur, DZA Heft 1/2022, Bd. 65, S. 22–27, mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Chefredakteurs Dr. Jürgen Bachmann.
CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
Das Fibromyalgiesyndrom (FMS) ist eine komplexe Erkrankung: Welche Aussage trifft nicht zu?
Die Prävalenz beträgt in Deutschland nach Schätzungen ca. 3,5 %.
Männer sind deutlich häufiger betroffen.
Es bestehen fließende Übergänge zum Chronic-Fatigue-Syndrom, zum Reizdarm und zu depressiven Erkrankungen.
Typisch sind chronische Schmerzen im Bereich aller Extremitäten und der gesamten Wirbelsäule.
Frauen sind im Verhältnis von 2:1 bis 20:1 zu Männern sehr viel häufiger betroffen.
Welche Aussage zum Krankheitsbild des FMS trifft nicht zu?
Über 3 Monate bestehende Schmerzen im Achsenskelett, auf der rechten und linken Körperhälfte und oberhalb und unterhalb der Taille.
Druckschmerzhaftigkeit von sogenannten 11–18 Tenderpoints.
Ausschluss von spezifischen Krankheitsursachen und negatives Basis-Labor zum Ausschluss entzündlicher oder endokriner Krankheitsursachen.
Deutlich positive Schmerz-Scores in den Skalen.
Es gibt eine klar definierte Ätiologie und Pathophysiologie.
Was ist in der schulmedizinischen Therapie gesichert?
Es gibt zu den meisten Therapien gute Studien und eine umfassende Evidenz.
Eine multimodale Therapie ist nicht sinnvoll.
Die Therapie sollte nur 6–12 Wochen durchgeführt werden, dann muss sie abgebrochen werden.
Sowohl Psychotherapie, Antidepressiva, Bewegungstherapien, Physiotherapie, manuelle Verfahren als auch Entspannungsverfahren können im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzepts kombiniert werden.
Von Akupunktur wird laut AMWF-Leitlinie abgeraten.
Klassische Konzepte der Chinesischen Medizin bei FMS: Welche Aussage ist falsch?
FMS ist ein Teil der „Schmerzhaften Obstruktionen“ (auch Bi-Syndrom, occlussiones, bizheng).
In den „Unbefangene Fragen“ im „Inneren Klassiker des Gelben Fürsten“ (Huangdi Neijing Suwen) heißt es im Kapitel 43 zu den fünf Bi-Syndromen: „… wird man im Frühjahr damit affiziert, entsteht das Bi-Syndrom der Sehnen …“
„Die mit Bi-Syndrom des o. hepaticus (Fk ‚Leber‘, gan) sind ängstlich, wenn sie nachts schlafen, müssen sie viel trinken und häufig Wasser lassen und klagen über ein hochschlagendes Qi (Nausea).“
„Bei Bi-Syndrom des o. lienalis (Fk ‚Milz‘, pi) sind die Extremitäten müde und kraftlos.“
„Wer Bi-Syndrome erfolgreich behandeln will, muss immer den o. renalis (Fk ‚Niere‘, shen) kühlen.“
Was ist nicht typisch für pathogene Faktoren und das verursachte Krankheitsbild?
Ventus-Schädigung („Wind“, feng): Typisch dafür sind wandernde Schmerzen in den Extremitäten und im ganzen Körper.
Algor-Schädigung („Kälte“, han): Blockiert sehr stark den Qi-Fluss, typisch sind fixierte, starke Schmerzen und allgemeine Kältezeichen.
Humor-Schädigung („Feuchtigkeit“, shi): Führt zu Gelenkschwellungen, Ödemen, allgemeiner Schwere und Müdigkeit.
Calor, ardor und toxischer ardor („Hitze“, „Glut“ und toxische „Glut“, re huo duhuo): Typisch sind kalte, blande Gelenke.
Pathogene Emotionalität führt zu Blockaden des o. hepaticus (Fk „Leber“, gan) und Stasen des Qi und Xue und trägt wesentlich zum FMS bei.
Was sind wichtige Grundprinzipien und Therapiestrategien der Chinesischen Medizin beim FMS: Welche Aussage ist falsch?
Eine depletio (energetische Schwäche, xu) ist immer vorhanden, es sollte immer auch gestützt („tonisiert“, bufa, suppletio) werden.
Der o. hepaticus (Fk „Leber“, gan) muss stets gelöst, reguliert und harmonisiert und die „Mitte“ (o. lienalis, Fk „Milz“, pi) muss immer auch mit gestützt werden.
Es sollte immer eine besonders intensive, schmerzhafte Akupunktur durchgeführt werden – nur diese hilft!
Besonders das Qi und Xue sollten durch die Arzneimittel aufgebaut werden, da sie die Grundlage eines freien Flusses sind.
Eine milde Wärmung ist bei fast allen Patienten sehr hilfreich, zum Beispiel durch Cinnamomi cassiae ramulus (Guizhi).
Was sind häufig verwendete Arzneimittel bei Blockade des Qi im o. hepaticus (Fk „Leber“, gan) und depletio (energetische Schwäche, xu) des o. lienalis (Fk „Milz“, pi): Welche Aussage ist falsch?
Bupleuri radix (Chaihu) 6 g
Angelicae sinensis radix (Danggui) 6 g
Paeoniae radix lactiflora (Baishao) 9 g
Liquidambaris fructus (Lulutong) 6 g
Aconiti radix lateralis praeparata (Fuzi) 30 g
Was sind häufig verwendete Akupunkturpunkte bei Blockade des Qi im o. hepaticus (Fk „Leber“, gan) und depletio (energetische Schwäche, xu) des o. lienalis (Fk „Milz“, pi): Welche Aussage ist falsch?
H3/Le3 („Die mächtige große Straße“, taichong)
F34/Gb34 („Quelle am sonnenbeschienenen Grabhügel“, yanglingquan)
IC4/Di4 („Vereinte Täler“, hegu)
R1/Ni1 („Die emporsprudelnde Quelle“, yongquan)
Lokale Schmerzpunkte
Was sind häufig verwendete Arzneimittel bei Überwiegen einer algor-Schädigung („Kälte“, han) mit Stase Qi im o. hepaticus (Fk „Leber“, gan) und depletio (energetische Schwäche, xu) des o. lienalis (Fk „Milz“, pi): Welche Aussage ist falsch?
Cinnamomi cassiae ramulus (Guizhi) 9 g
Coptidis rhizoma (Huanglian) 12 g
Notopterygii rhizoma (Qianghuo) 9 g
Aconiti radix lateralis praeparata (Fuzi) 6 g
Zingiberis rhizoma (Ganjiang) 9 g
Was sind typische Symptome bei calor humidus („Feuchtigkeit-Hitze“, shire) in den Leitbahnen und Blockade des Qi im o. hepaticus (Fk „Leber“, gan): Welche Aussage ist falsch?
Starke Schmerzen im ganzen Körper mit dumpfem Charakter, Lokalisation eher im unteren Bereich und eher fixiert-konstant
Schwellungen und ggf. Rötungen von Gelenken, Gewebe
Allgemeines Schweregefühl und ausgeprägte Müdigkeit
Inappetenz, Völlegefühl, dunkler Urin, fötide, häufige Stuhlentleerungen, zäher gelblicher Ausfluss, ggf. Ikterus
Ständiges Frösteln und Frieren am Kopf und an den Händen
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Hummelsberger, J. Die Behandlung des Fibromyalgiesyndroms (FMS) mit (Traditioneller) Chinesischer Medizin (TCM). Chinese Medicine 37, 71–80 (2022). https://doi.org/10.1007/s00052-022-00056-2
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00052-022-00056-2
Schlüsselwörter
- Fibromyalgiesyndrom (FMS)
- Chinesische Medizin
- TCM
- Akupunktur
- Chinesische Arzneitherapie
- O. Lienalis (Fk „Milz“, Pi)
- O. Hepaticus (Fk „Leber“, Gan)