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Pathophysiologie perinataler Hirnschäden

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Der Gynäkologe Aims and scope

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Der perinatale Hirnschaden des reifen Feten ist in der Regel durch eine schwere intrauterine Asphyxie infolge einer akuten Reduktion der uterinen oder umbilikalen Durchblutung bedingt. Betroffen sind vor allem die Parasagittalregion des zerebralen Kortex und die Basalganglien. Auf einen schweren Sauerstoffmangel reagiert der Fet nach Aktivierung des sympathikoadrenergen Systems mit einer Umverteilung des Herz-Zeit-Volumens (HZV) zugunsten der zentralen Organe (Gehirn, Herz und Nebennieren). Dauert der asphyktische Insult an, kann der Fet die Herz-Kreislauf-Zentralisation nicht mehr aufrechterhalten. Das HZV und die zerebrale Perfusion fallen ab. Aufgrund des akuten Sauerstoffmangels kommt die oxidative Phosphorylierung im Gehirn zum Erliegen. Der Na + /K + -Pumpe an der Zellmembran steht keine Energie mehr zur Verfügung, um die Ionengradienten aufrechtzuerhalten. Nach Verlust des Membranpotentials dringen über spannungsabhängige Ionenkanäle große Mengen an Kalzium als Folge des extremen extra- bzw. intrazellulären Konzentrationsgradienten in die Zelle ein. Die derzeitige Forschung geht davon aus, daß der exzessive Anstieg der intrazellulären Kalziumkonzentration, der sog. „calcium-overload“, eine Zellschädigung durch Aktivierung von Proteasen, Lipasen und Endonukleasen hervorruft. Neben dem zellulären Kalziumeinstrom über spannungsabhängige Kalziumkanäle, wird während der Ischämie auch Kalzium über glutamatgesteuerte Ionenkanäle in die Zelle eingeschleust. Glutamat, ein exzitatorischer Neurotransmitter, wird während der Ischämie im Zuge der anoxischen Zelldepolarisation aus präsynaptischen Vesikeln freigesetzt. Glutamat aktiviert postsynaptische, aus 5 Untereinheiten bestehende Rezeptoren, die kationendurchlässige Kanäle bilden. Aufgrund ihrer pharmakologischen Eigenschaften gegenüber spezifischen Agonisten können drei verschiedene ionotrope Glutamatrezeptoren unterschieden werden: AMPA-, KA- und NMDA-Rezeptoren. Jeder dieser Rezeptoren vermag die Kalziumdurchlässigkeit der Zellmembran zu erhöhen. Der akute zelluläre Energiemangel während der Ischämie induziert eine nahezu komplette Inhibition der zerebralen Proteinbiosynthese. Nach Ende der Ischämie erholt sich die Proteinbiosynthese in nicht-vulnerablen Hirnarealen wieder auf präischämische Ausgangswerte, während sie in vulnerablen Hirnarealen inhibiert bleibt. Die Inhibition der Proteinbiosynthese scheint somit ein früher Marker für den später eintretenden neuronalen Zelltod zu sein. Nach einem ischämischen Insult kann in zerebralem Gewebe, das zur Regeneration fähig ist, eine rasche Erholung des Energiestoffwechsels beobachtet werden. Wenige Stunden später tritt jedoch oft eine erneute Beeinträchtigung des energetischen Status ein. Gleichzeitig ist ein sekundäres Zellödem nachweisbar. Wenig später kann im Elektroenzephalogramm epileptogene Aktivität registiert werden. Es kommt zum sekundären neuronalen Zellschaden in der Reperfusionsphase. Dieser Zellschaden wird vermutlich durch die postischämische Freisetzung von Sauerstoffradikalen, durch die Aktivierung des Stickstoffmonoxidsystems, durch Entzündungsreaktionen und ein Ungleichgewicht im exzitatorisch/inhibitorischen Neurotransmittersystem hervorgerufen. Möglicherweise ist ein Teil des sekundären neuronalen Zellschadens nach Ischämie durch die Induktion eines sog. zellulären Selbstmordprogramms (Apoptose) bedingt. Aus der Erkenntnis dieser pathophysiologischen Mechanismen wurden tierexperimentell erfolgversprechende Therapieansätze entwickelt. Die Möglichkeit eines therapeutischen Fensters ist hierbei gegeben. Hohe klinische Relevanz könnte in Zukunft der i. v.-Magnesiumgabe und der postischämisch induzierten zerebralen Hypothermie zukommen.

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Berger, R., Garnier, Y. Pathophysiologie perinataler Hirnschäden. Gynäkologe 31, 661–679 (1998). https://doi.org/10.1007/PL00003152

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