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Orale Kontrazeptiva sind keine Substanzen, die der Heilbehandlung von Krankheiten im üblichen Sinne dienen. Sie werden im allgemeinen von gesunden Frauen eingenommen. Wie bei jedem anderen Medikament gibt es neben den Hauptwirkungen erwünschte und unerwünschte Nebenwirkungen.
Als potentes, oral wirksames Östrogen ist Ethinylestradiol oder dessen 3-Methylester Mestranol in jedem oralen Kontrazeptivum – mit Ausnahme ist der Minipille – enthalten. Die gestagenaktiven Substanzen sind meist Nortestosteron- oder Progesteronderivate.
Kombinierte Ovulationshemmer wirken sowohl auf die Hypophyse als auch auf den Hypothalamus. Durch den Östrogenanteil wird die FSH-Sekretion gesenkt, so daß die Selektion eines dominanten Follikels verhindert wird. Der mittzyklische LH-Anstieg wird durch den Gestagenanteil unterdrückt. Es findet keine Ovulation statt. Eine zusätzliche Sicherheit bietet der stets gegenüber dem Östrogenen höhere gestagene Effekt. Das Endometrium ist dadurch konstant deziduaähnlich umgewandelt und der Zervikalschleim für Spermien nicht permeabel. Die Versagerrate kombinierter Kontrazeptiva liegt bei 1–3 %, beruht allerdings größtenteils auf Anwendungs- und Einnahmefehler. Die echte Versagerquote beträgt nur 0,1 %.
Die schwerwiegendste Komplikation ist die tiefe Venenthrombose. Das Gerinnungssystem wird durch Östrogene im Sinne einer Aktivierung beeinflußt. Diese Veränderungen bleiben aber im Bereich tolerabler Schwankungen. Thromboembolische Komplikationen können jedoch auftreten, wenn prädisponierende Faktoren vorhanden sind. Hauptsächlich verantwortlich dafür ist das Enthinylestradiol in höherer Dosierung. Sein Anteil konnte bei gleichbleibender kontrazeptiver Sicherheit immer weiter gesenkt werden. Aber auch ,,Low-dose-" und ,,Very-low-dose-Präparate" beinhalten selbst bei gesunden Frauen ein nicht ganz auszuschließendes Risiko eines thromboembolischen Ereignisses.
Im Fettstoffwechsel bewirkt die gestagene Komponente einen Abfall der HDL-Konzentration, der aber durch den Östrogeneffekt ausgeglichen wird. Die Kontrazeptiva der 3. Generation haben nur noch einen geringen Einfluß auf den Fettstoffwechsel. Die Beeinflussung des Kohlehydratstoffwechsels im Sinne einer diskreten peripheren Insulinresistenz wird durch eine gesteigerte Insulinsekretion kompensiert. Ferner können die oralen Kontrazeptiva einen leichten arteriellen RR-Anstieg bewirken, ohne daßüber klinisch relevante Hypertonien berichtet worden ist.
Das Risiko, an einem Endometrium- oder Ovarialkarzinom zu erkranken, wird – besonders bei Langzeitapplikation – durch Antikonzeptiva signifikant gesenkt. Für das Zervixkarzinom ist es umstritten, ob das Risiko, dysplastische Veränderungen des Zervixepithels durch Pilleneinnahme zu entwickeln, erhöht sein könnte. Die Diskussion um das Entstehungsrisiko, die Prognose und den Verlauf des Mammakarzinoms ist derzeit noch offen. Eine extrem seltene Komplikation ist das Auftreten von Leberzelladenomen durch Kontrazeptiva. Sie bilden sich aber nach Absetzen der Pille weitgehend zurück.
Zusammenfassung
Orale Kontrazeptiva sind hochwirksame Medikamente, die einen zuverlässigen empfängnisverhütenden Schutz gewährleisten. Wie bei jeder anderen medikamentösen Therapie bestehen neben dieser Hauptwirkung weitere erwünschte und unerwünschte Nebenwirkungen. Diese sind abhängig von Art und Dosis der Östrogen- und Gestagenkomponente. Stoffwechselneutrale Ovulationshemmer gibt es nicht. Die orale hormonelle Kontrazeption ist eine risikoarme Therapie. Nur Raucherinnen, die 35 Jahre und älter sind, haben unter dieser Medikation ein signifikant erhöhtes Risiko, an einer Herz-Kreislauf- oder Gefäßerkrankung zu versterben. Gefäßerkrankungen bei jungen, gesund erscheinenden Frauen sind seltene Ereignisse, die meist auf eine zugrundeliegende Gerinnungsstörung, wie dem Faktor-V-Leiden oder einem angeborenen Mangel an Protein S oder Protein C zurückzuführen sind. Bei den arteriellen Thrombosen sind vor allem das Gestagen, bei den venösen das Ethinylöstradiol beteiligt. Die oralen Kontrazeptiva senken signifikant das Risiko, an einem Ovarial- oder Endometriumcarcinom zu erkranken. Sie haben einen günstigen Einfluß auf gutartige Brusterkrankungen, funktionelle Ovarialzysten, Blutungsstörungen, Dysmenorrhoen und Akne. Bezüglich des Mamma- und Zervixkarzinoms müssen die vorliegenden Studienergebnisse als widersprüchlich bezeichnet werden. Orale Kontrazeptiva haben keinen negativen Einfluß auf die spätere Fertilität und auf die Inzidenz kongenitaler Malformationen bei den dann geborenen Kindern. Die Komplikationen und im Einzelfall katastrophalen Folgen einer unzuverlässigen Empfängnisverhütung übersteigen auf jeden Fall bei weitem das nur geringe Gesamtrisiko dieser mittlerweile als bewährt zu bezeichnenden Methode. Dies gilt auch für die in letzter Zeit heftig diskutierten cyproteronhaltigen Präparationen und die niedrig dosierten Pillen mit einem Gestagen der 3. Generation.
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Felberbaum, R., Diedrich, K. Orale Kontrazeptiva – Vorteile und Risiken. Gynäkologe 30, 305–313 (1997). https://doi.org/10.1007/PL00003038
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DOI: https://doi.org/10.1007/PL00003038